Sonntag, Dezember 23

Vorweihnacht I

Einen Freund treffen, bei dem 4 Stunden Redezeit gerade mal dazu ausreichen, sich das Notwendigste vom Notwendigsten andeutungsweise zu berichten, unterbrochen von Gelächter und Geschäker mit der neuen, rosahaarigen Kellnerin, die uns eine Schale Naps auf den Tisch gestellt hat, und danach im Auto, knapp vorm Aussteigen schnell noch erzählen, was man für die Zukunft plant. Denn er hat - anders als alle anderen - keineswegs als allererstes gefragt, was ich denn nun mache. Mit diesem Abschluss. Jetzta dann. - Nichts. Ich selbst musste ihn darauf aufmerksam machen und selbst dann hat es noch Stunden gedauert, bis wir im Gespräch soweit fortgeschritten waren, dass das Thema Zukunft drankommen konnte. Er selbst möchte nach der Krankenpflege- eine Massageschule besuchen. Ich wette, er wird Heilpraktiker. Meine Reikihände machen ihm noch etwas Angst, aber in ein zwei Jahren hat sich das gelegt, ich wette. Er hat aufgehört, immerzu Mineral zu bestellen. Heute sogar 'Kakao' und Ingwer-Zitrone-Tee.

Mein Papa übrigens hat heute erstmals festgestellt, dass ich kochen kann. Hat sage und schreibe 5 Stück Lasagne gegessen. Die Socken hat er sofort angezogen und ist damit am Parkett herumgerutscht.
Sie passen ihm wie angegossen, obwohl ich seine Schuhgröße nicht kannte.

Meine Mama zum Beispiel ist diese Woche meine Heldin: Ihr kann man einen Socken in die Hand drücken, bei dem 5 Maschen runtergefallen sind und sie holt sie geduldig zurück aufs Nadelspiel. Sie weiß auch, wie man Waffelmuster strickt und Sockenspitzen verstärkt. Das war ein verdammt gutes Gefühl, jemand zu haben, der einen aus der Misere rausholt. Gefühltes Alter: 5.
Das wird ein tolles Weihnachten.

Mittwoch, Dezember 19

Womit ich mein Geld verdiene

Wer einmal 1200 Chinesen in einem Raum versammelt erlebt hat, die sich leuchtenden Auges Sissi in chinesischer Übersetzung ansehen, der weiß Bescheid.

Samstag, Dezember 15

Wo zur Hölle ist Luke?

Soeben die schlechteste Gilmore-Folge aller Zeiten gesehen. Was ist passiert? Ich war doch bloß ein paar Wochen im Lernstress untergetaucht (bzw. Kerls Fußball hat mich daran gehindert) und plötzlich ist Lorelei wieder mit dem ollen Christopher zusammen, in Paris, wo sie heiraten. Pfui. Und am Ende dreht sie wieder so seltsam an dem Ring rum, wo man gleich weiß: o.O. Das geht nicht gut. Die Szene kam doch schon 1000 Mal :(

Samstag in Wien, letzter.

Mein Blog ist eher ein Blog, das über mich erzählen soll. Womit ich mich rumquäle, wie ich Quälereien aus dem Weg zu gehen versuche, wie ich überhaupt erstmal einen Weg, der sich zu gehen lohnt, suche. Ich schreibe keine Rezensionen, ich übe (fast) keine Medienkritik, ich verlinke (kaum) Zeugs. Aber ich lese Blogs solcher Art gerne. Meiner ist keins von denen. Aber er entwickelt sich, vielleicht kommt das noch. Ist ja erst ein Baby, das.

Heute: Emoparty, schwarzen Lidschatten kaufen, schwarzen auswaschbaren Haareinfärbespray auftreiben, die Idee vom Haareglätten vergessen, Wohnung putzen. Nicht über den Samstagseinkauf ärgern, wie jedes Mal. Diesmal nicht, bitte. Vornehmen, nur ein bissl Rotwein zu trinken, um morgen mit dem Kerl noch einen letzten schönen gemeinsamen Tag vor Weihnachten zu haben (am Ende mit Tequilarausch heimkommen und den morgigen Tag vergessen können). Heute morgens schon ein weiches Ei zum Frühstück, Toast, Orangensaft. Berichte über den Stammtisch meiner Studienkollegen gelesen. Überrascht, wie gewisse Emanzen ihr Liebesleben anlegen. Froh um mein eigenes Liebesleben. Und sein überaus superes Konzept.

Freitag, Dezember 14

Warten auf den Installateur

Heute morgen um dreiviertel acht erschrocken aufgewacht und bemerkt, dass ich vergessen hatte, die Installateurbetreuung zu deligieren, weil ich mich selbst nicht dazu in der Lage fühle. Gestern bis nachts 2 riesige Lehrlingstische einer großen Wärmezufuhrfirma bedient, die sich mit Colarot zugekippt haben (gemixt aus dem guten Flaschenwein, der am Tisch eingestellt war). Ich hatte diese Woche schon den Fliesenleger hereingelassen, ein äußerst herziger kleiner Mann, der bei jedem Schritt, den er gemacht hat, seine Chefin per Telefon um Erlaubnis fragen musste. Kurz rübergegangen, bei v geklopft, sie aufgeweckt, ihr den unangenehmen Dienst raufgedrückt, wieder schlafen gegangen. Installateur 2 Stunden zu spät gekommen, v umsonst aufgeweckt. Schließlich selbst darum gekümmert. k mit neuen roten Haaren und roten Zehennägel, krank, im Gang getroffen, über j² gelästert, der sich spontan nie um die Nahrungszufuhr seiner Mitbewohner kümmern kann/will. Dem Installateuer* den Staubsauger zum Aussaugen der Therme hingestellt (überlegt, ob man die Therme nicht auch selbst aussaugen könnte, schließlich kostet das Saubermachen der Therme schlappe 100 Euro!). Den Tischler angerufen, der unsere Fenster repariert. Die Tischlersfrau meinte allerdings, dass der Tischler sich seine Termine selbst ausmacht. Beeindruckt. v grad erneut aufgestanden. Gibt an, die Augen vor Müdigkeit nicht mehr öffnen zu können. Das tut mir jetzt wirklich leid.

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* interessanter Vertipper.

Mittwoch, Dezember 12

Halleluja

Der erste Socken ist fertig. Und er passt! Zumindest dem Kerl. Wobei ich davon ausgehe, dass mein Kerl und mein Papa dieselben Latscher haben. Einfach so. Ich hab nämlich keine Ahnung, auf wie großen Füßen mein Vater durchs Leben stapft.
Mein Zeugnis abgeholt. Offiziell Mag. phil. geworden. Einen Zweinullerdurchschnitt bekommen. Überlegt, was ein Alumni-Verband bringen könnte. Das letzte Buch zurückgebracht.
Jetzt: Punsch und Abendessen außer Haus.

Montag, Dezember 10

Tage in Freiheit II

Heute jemand ausgesprochen Nettes zum Kaffeetrinken und Überdiezukunftreden getroffen. Im Café Sperl, weil das Phil Montag nachmittags zu hat. Ins Sperl geht man ja ungern, hab ich mir schon von erlesenen Kreisen sagen lassen. Da säßen nur Schriftstellerfutzis mit ihren Notizbüchern rum, oder Werbefritzen von nebenan.
Unsere Kellnerin war hingegen allerliebst. Sie hat gelacht, als ich vor dem Spiegel (der an unserem Tischlein, über dem rosagemusterten Bänklein) siebenmal meine neue Mütze rumgedreht und wieder anprobiert habe. Sie passt irgendwie nur, wenn man weiß, wie man sie drehen muss. Ist aber rund und sieht für mich von jeder Seite gleich aus. Ich komm nicht drauf, wies funktioniert.
Haben beide 6Kräutertee und nix Zweites bestellt. Zwei fertige Germanistinnen, ohne Job. Sehr tröstlich. Sie machts genau wie ich. Richtung Bibliothek, Buchhandel, Medienbeobachtung. Ab Mitte des Monats kriegt sie eine Fixanstellung, Warte- und Suchzeit bis dahin: 6 Monate. Da kann ich mich wohl auf was gefasst machen. Bruttogehalt 1600. Aber unsereins freut sich darüber, weil wir sind 300 Euro gewohnt.
Es ist schön, mal jemand zu haben, der einen Tick älter und erfahrener ist, als man selbst. Den man um Rat fragen kann, der einem ein paar Schritte voraus ist, von dem man sich was abschauen kann.
Sonst bin immer ich diejenige.

Ansonsten: Auf der Mariahilferstraße rumgelaufen und geschaut. Und gefunden. Meine Mama und meine Oma sind jetzt versorgt, mein Wichtelkind auch. Es ist unglaublich, wenn man mal einen Tag Zeit hat. Zum Kaffeetrinken, Einkaufen, Weggehen. Heute Abend: Ethnofest. Volupta steht bereit.

Freitag, Dezember 7

Und wie du wieder aussiehst!


Die Hände könnt ihr gleich oben lassen und die Brüste draußen.

Es hat uns gefreut, eure Brüste gesehen zu haben!

Der Kerl behauptet, die Wienerinnen wären speziell freizügig unterwegs gewesen, während ich vermute, das BH-Gewerfe und die Leiberlauszieherei gibts bei jedem Konzert. Zum ersten mal die Wall of Death von oben gesehen und insgeheim froh gewesen, da nicht drin gesteckt zu haben. Es waren drei riesige Löcher in der Menge, welche bei Und wie du wieder aussiehst! auf Kommando in die Mitte sprang und begann, sich im Kreis hüpfend gegenseitig die Rippen zu brechen. Selten einen so entspannten Abend erlebt.

Stricken ist übrigens schwerer als Mittelhochdeutsch. Gestern abend einen ganzen Film lang am Bündchen gestrickt. Zwei glatt, zwei verkehrt. Schon beim gleichmäßigen Aufteilen auf 4 Nadeln sind Schwierigkeiten aufgetreten. Nach 2 Stunden hatte ich gerade mal anderthalb Zentimeter gestrickt, mitunter 3 glatt, 2 verkehrt. Heute Nachmittag entsetzt alles aufgetrennt und von vorne begonnen.

Donnerstag, Dezember 6

Sockenstrickkurs

Heute auf die Mariahilfer gelaufen, irgendwie verwinkelt in einem Hinterhof ein Wollgeschäft gefunden, wo mir eine zuvorkommende Wollverkäuferin Sockenwolle und ein Nadelspiel verkauft hat: 'Locker oder fest?'
'Wissen Sie, ich bin totaler Anfänger', sage ich. Aber ich habe schon Mittelhochdeutsch auf eigene Faust gelernt, also kann ich auch Sockenstricken nach Anleitung lernen, denke ich.
'Anfänger stricken immer zu fest, also locker.' - Wenn sie meint. Sie sieht aus, als wüsste sie, wovon sie redet. Ich stricke nun Socken. Ursprünglich war die Idee, meinen beiden spinnefeinden Elternteilen mit derselben Wolle Patscherl zu stricken, ohne dass sie es wissen. Und den Gedanken auszukosten, dass beide auf gleichgestrickten Füßen rumlaufen. Wiedervereinigung, nur für mich allein.
Am Ende aber doch 2 verschiedene Farben gekauft: Schwarzbuntsprenkel, Rosabuntsprenkel.
Danach in das riesige Buchgeschäft gegangen, wo man Tage verbringen kann, das aber eigentlich böse ist und von uns allen gemieden werden sollte! und Paul Austers Moon Palace und eine kleine Englischgrammatik gekauft, das lerne ich bis nächste Woche Mittwoch.

Mittwoch, Dezember 5

Tage in Freiheit

Kerl geht zum Naschmarkt und erbeutet Büffelmozarella, getrocknete Tomaten, frische Tomaten und Ruccola, um daraus gemeinsam mit Spaghetti und ein bisschen Knoblauch ein hervorragendes Abendessen zu fabrizieren. Ich selbst bleibe inzwischen daheim, wasche Berge von Wäsche, entrümple die Medizin-Schuhschachtel (und vergesse dabei, aufs Verfalldatum zu achten; j² erklärt mir abends, dass sei wichtig), sortiere die beiden jeweils 60 cm hohen Lernstapel und entsorge daraus einen ganzen Karton voll Zettelwerks. Alle Lernbücher vom Schreibtisch runter, neuen Adventkalender drauf: Jeder Tag ein Edelstein, beschriftet. Heute: Tigereisen, bei dem ich eine gewagte Übersetzung vermute. Er ist goldbraun und sieht einem Tigerauge verblüffend ähnlich. Dazwischen elf oder zwölf Emails verschickt, die mir Informationen zu den Möglichkeiten meiner beruflichen Zukunft einbringen sollen. Bis dahin einige Kellnerinnentermine vereinbart, um Trinkgeld zu scheffeln und dem Kerl und meinen vielen Schwestern ein anständiges Weihnachtsgeschenk machen zu können. Für das Germanistenforum heimlich Lobbyistin geworden, aber wie gesagt, alles geheim und ausgeplauert wird nur live, nebst Kaffee.
Kerl sitzt seit Stunden reglos vorm PC und frönt einem Fußballspiel aus dem Jahre 1994. Ist nicht wegzukriegen, auch nicht mit Hüftschwüngen und sexy Geflüster. Werds gleich nochmal versuchen, ansonsten gehe ich mit dem Gameboy ins Bett. Ich bin nämlich jetzt frei und tue nur noch, was ich will.

Montag, Dezember 3

Montag, November 26

Zwei gute 2er bekommen! Sekt in Gläsern auf den Universitätstreppen getrunken, zuhause extra von v gebackenen Kuchen gegessen, zum Chinesen gegangen und lecker in Fett herausgebackene Dinge verspeist. Den Gedanken gehabt, danach heimzugehen, um zu lernen. Aber nein! Was für ein Leben! Mit dem Kerl stattdessen ein switch-Video nach dem anderen angesehen. Einfach so!
Wenn ich heute abend nach Hause komme, ist alles gut.

Freitag, November 23

Kaum zu glauben, aber wahr
dieses kleine Blog wird heute ein Jahr!

Und alles, was ich heute zu sagen hätte, ist eine Schimpftirade über meine momentan schwierige WG, ihre Angewohnheit nachts Türen zu schlagen oder nachmittags kommentarlos ins Bett zu kraxeln und erst wieder zum Essen geweckt werden zu wollen; ihr politisch korrektes Dasitzen beim Essen, ihr verwahrloster Kloblog, ihre verschlonzte hässliche kleine Espressomaschine. Und dass ich derzeit nichts positives zu ihrer Stimmung beitragen kann.
Ich bin so müde. Versuche mir seit drei Stunden eine klitzekleine Theoriefrage einzutrichtern, quälendst und der einzige Lichtblick: Eine Zugfahrt, Dienstag Mittag gen Westen. Rotes Ziehköfferchen mit einem Kerl vorne dran, Ärzte mit Ohrstöpseln, Nichtsdenkenmüssen.
Alles Gute, kleines Blog. Vielleicht gibt's sogar irgendwann mal wieder Plot für dich.

Mittwoch, November 21

Sonntag ist Bondtag



'Geh raus, Schatz, Waffen machen dich ganz nervös!'

Dienstag, November 20

Lage: 6.

Der Kerl ist heute in Geschäfte gelaufen, um mir einen Schal und eine neue Mütze zu besorgen (meine sind im letzten Winter spurlos verschwunden), weil ich selbst zu derartigen Tätigkeiten seit Wochen keine Zeit finde und deshalb das Haus nicht mehr verlassen kann, weil ich inzwischen ohne Schal und Mütze draußen erfrieren würde. Er hat eine gute Wahl getroffen. Sich selbst hat er einen sherlockholmesartigen Morgenmantel 'für den Winter', aus reiner Wolle erstanden. Alles aus dem Humana, für kein Geld. Und dann noch den niegelnagelneuen Lochgott, schön festgecovert. Da ist allerdings eine Folie drüber, (ist ein Geburtstagsgeschenk), darf man nicht aufmachen. Hatter verboten. Und ich würd da so gern reinschauen. Nur kurz.

Montag, November 19

I'm still missing my liberty

Perversionen stellen sich ein: Heute Nacht von Johann Gottfried Herder geträumt. Dichtete ihm im Traum eine Rhetoriklehre an, die er nie geschrieben hat. Sie war äußerst schlüssig und feinsinnig, vielleicht könnte ich sie ja veröffentlichen. Immerhin bin ich ab Montag, 14.30 Uhr arbeitslos.



Weil heut morgen schon wieder alles schief gegangen ist, das kleine Mädchen und ich uns aber nicht unterkriegen lassen! Auch nicht von kaltem Kaffee, nachdem wir eine Stunde nach einer Installations-CD gesucht haben. Immerhin versteht sie den kompletten Anhalter auf Englisch und ich übersetze Parzival im Schlaf! Mieze, waz wirret dir?

Sonntag, November 18

Eine Woche noch.

In der Zeit wurde die Welt erschaffen.

Inzwischen weicht die pure Panik der freudigen Erwartung.
Wenn man einen Gutteil auswendig kann, fühlt man sich besser. Zudem hat mir meine Zauberschwiegermutter Schüßlersalze 'verschrieben', die ich mir morgen aus der Apotheke holen gehe. Jedenfalls gestern Aufklärung und heute Sturm und Drang auswendig gelernt. Was ist es, wo kommt es her, wo geht es hin. Sowas halt. Dazu noch Tagebuch: was ist es, wie sieht es aus, wozu ist es gut. Pures Auswendiglernen geht richtig an die Substanz.
Dazwischen freudig eines meiner Geschwister angerufen, das jetzt im selben Handynetz weilt wie ich. Das ist unsere Zeit, wo man soziale Kontakte danach intensiviert, wie sich die Mobilfunknetze vertragen.
Mir ist jetzt alles egal. Ich will nur noch in meinen Urlaub.
Nächsten Montag, ab 14.30 Uhr bin ich frei.

Samstag, November 17

Wohn-Gemeinschaft

Manchmal wohnen Menschen ganz nah beieinander und ihre Lebensinhalte berühren sich doch kaum. Und obwohl ihr Mekka in ganz unterschiedliche Richtungen zeigt, kochen sie sich abends gegenseitig Dampfnudeln und echte Kürbiscremesuppe.

Freitag, November 16

Kerl klopft und hantiert in der Küche. Er bäckt kleine Weckerl. Aus Dinkelmehl, Haferflocken, vielerlei Körndln und so Zeugs. Er war offenbar gestern auf einer Party, die ihm außerordentlich gut gefallen hat. Er will nun einem asylbeantragenden Nigerianer Nachhilfestunden in Mathematik geben, damit dieser die HTL besuchen kann. Für diese Dinge liebt man den Kerl.
Ich sitz am Thema Tagebuch. Das ist ein schönes Thema. Es geht wieder.
10 Tage noch.

Donnerstag, November 15

Prüfungsangst und ihre Folgen

Der Kerl hat es mir immer schon gesagt. Sagt er.
Ich war heute beim Arzt. Diagnose: stressbedingte Grippe.
Der Arzt fragte mich außerdem, was denn Großartiges passieren würde, wenn ich durch die Prüfung fiele. Eben. Denn jeder Tag hat seinen Abend, egal was zuvor passiert, sagte er. " Manchmal sterben sogar Leute, aber für alle anderen geht es munter weiter." Und falls ich tatsächlich durchfiele, müsse ich das ja niemand erzählen.
"Oder sind Sie so ein ehrlicher Kerl?" (Neinnein, hab nur meinem Blog und allen Menschen, die ich kenne, erzählt wann diese Prüfung stattfindet.)
Dann hat er mir allerhand schleimlösende Dinge verschrieben und mir erzählt, wie gern er sich in Buchhandlungen aufhielte, wohingegen seine Frau eher auf diese Modegeschäfte stünde.

Für diese Diagnose durfte ich eine Stunde und 14 Minuten in einem Warteraum sitzen, der seit den 50er-Jahren nicht mehr renoviert worden war.

Ich hätte es mir sparen können, weil der Kerl mir dasselbe jeden Tag sagt. Als ich nach Hause kam, meint er: "Schade, dass ich nicht zwanzig Jahre älter bin, sonst würdest du mich als Autorität akzeptieren und gleich auf mich hören."
Nein, Kerlchen, der Doktor ist mindestens siebzig.
Da hast du noch eine Weile hin, zusammen mit mir. Und wenn wir Glück haben, gibt es zu jedem Tag einen Abend.

Dienstag, November 13

Ich habe mich gestern abend während Desperate Housewives so stark verkühlt, dass ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Meine Seele schreit um Hilfe. Kann zuviel lernen wirklich krank machen?
Als Gegenprogramm bin ich heute mittag in die Videothek gelaufen, habe 2 wirklich krasse Mädchenfilme ausgeliehen, Tiefkühlpizza gebacken, Chips besorgt, Tee gekocht. Der erste Film ist jetzt um. Mein Kopf tut so weh.

Sonntag, November 11

Lage 14,5

Gestern Nacht, als ich um 2.23 Uhr ins Bett gekrochen kam, gab's mächtig Ärger.
Der Kerl will sich keine Vernachlässigungen mehr gefallen lassen. Dabei hatte ich doch bloß noch ein bisschen gelernt, nachdem er schon um zehn eingepennt war. (Er war ja um 6 Uhr früh aufgestanden, um diesen Fluss auszumessen.)
Bereits um 1.38 Uhr war ich ins Bad gegangen, um Zähne zu putzen, als ich bemerkte, dass neben der Waschmaschine ein nasser Korb mit meinen Leiberl, Pullovern und Kerls gestrickten Wintersocken stand. Also bin ich noch mal zurückgegangen, rein in den Wandschrank, Wäscheständer raus, aufhängen, zurück ins Bad, Zähneputzen, Katzenwäsche, Bett.
Als ich mich an den bettwarmen Kerl schmiegen wollte und der Gute bemerkte, dass ich ihn ganze vier Stunden allein im Bett liegen lassen hatte, wars um.
Ich verstehe ihn. Ich hatte einfach die Zeit übersehen.
Es entspricht nicht unserer Beziehungskultur, dass einer schläft, während der andere weiter arbeitet. Wir gehen gemeinsam ins Bett, unterhalten uns, machen Blödsinn und manchmal quietschen wir so laut vor Lachen, dass j² im Nebenzimmer denkt, ich misshandle den Kerl. Er denkt nie, ich könnte misshandelt werden.

Zwei Wochen noch, dann hat der Spuk ein Ende.
Erstens wird der Wein schlecht, zweitens träume ich von Pferden (während das Traumbuch sagt, dass mit dem Aufkommen des Automobils auch das gemeine Pferd aus den Träumen verschwunden ist), ich schreie unwissende Menschen an, weil sie mir falsche Nahrungsmittel nach Hause bringen, ich träume von toten Tauben, habe kaum noch soziale Kontakte, lege kaum Wert auf eine tiptop geputzte Wohnung (!), war seit Wochen in keinem Drogeriemarkt mehr und werde vom Kerl aufgezogen, wegen meinen desaströsen Augenbrauen. Unlängst musste ich sogar einen Friseurtermin absagen, (einen von diesen Gratisterminen, wo junge hübsche Friseusen mir tiefrote Strähnen in die Locken machen.) Tauben stehen übrigens für die Seele, sagt das Traumbuch.

Samstag, November 10

Die Lasagne ist im Ofen. Es war gar nicht so einfach, sie in diesem Zustand dahineinzubringen. (Andere Leute einkaufen zu schicken habe ich immer schon für absurd gehalten.) Drin is drin.
Der Kerl steht solang unter der Dusche und versucht, seinen völlig unterkühlten, süßen Popo aufzutauen. Er hat einen echten Kerlstag hinter sich. Bei Minus 3 Grad einen niederösterreichischen Fluss ausgemessen. Ich hab ihm vorsichtshalber gutes Bier gekauft.
Bis das kleine Mädchen nachhausekommt und ich die Lasagne aus dem Ofen holen darf, sitze ich hier und habe mir eine Flasche Bardolino aufgemacht. Nur für mich. Ich und die Flasche, wir versuchen Herder, Hamann und den Streithansl Nicolai, den wir heute gelernt haben, mittels 11% Alkohol in die Hirnrinde einzubrennen.

Freitag, November 9

Bei uns wird inzwischen schon der Wein schlecht.

Donnerstag, November 8

(Geträumt: auf einem Begräbnis gewesen. Mit regenbogenfarbenen Kleidern. Und regenbogenfarbenen Jacken darüber. Ich sag jetzt nicht, wer der Tote war.)

Es gibt Prüfungen, auf die lernt man nicht. Geht hin. Klappt.
Es gibt Prüfungen, auf die lernt man nicht, geht hin. Klappt nicht.
Aber es gibt auch Prüfungen, auf die lernt man wie ein Idiot (ja, buchstäblich) und man weiß nicht: Klappt's? Oder klappt's nicht?
Am liebsten sind mir Prüfungen, wo man viel lernt und man ist ganz sicher, das klappt. Auf jeden Fall, zur Not mitm 3er.
Was ist, wenn ich hier groß die Lage auf die große Leinwand schmiere, jeden Tag und dann klappt's nicht?
Danach ist schon ein Urlaub mit zwei Aufenthaltsorten, ein Geburtstagsessen, ein Koma geplant. Was, wenn's nicht klappt? Gar nicht erst dran denken. Hilfehilfehilfe. Noch 18 Tage.

Dienstag, November 6

Lage: 20. Keinen Vorsitzenden aufgetrieben, bisher. Es wird knapp.
Emo-Lage: stabil, aber Kopfschmerzen. Wahnsinnige Kopfschmerzen.
Träume: von toten Tauben, die Weisheit symbolisieren und Pferderitten am Ring. Ich konnte plötzlich reiten, ohne Sattel. Das alles im absolutistischen Ambiente, um 1730.
Angst, nie mehr normal zu werden.

Sonntag, November 4

Lage: 22.

22 mal 8 Stunden - 3 Pausentage = 152 Stunden Zeit, um das Wichtigste aus mehr als 2000 Seiten auswendig zu lernen.

Noch optimistisch, dass sich alles ausgehen wird. Manchmal sogar ein flüchtiger Gedanke an das Danach. Rauskommen, grinsend nichts fassen können, Sekt, polternde Alpen aus dem Herzen brechen hören. Heimfahren mit derselben Bim, mit der man hingefahren ist. Abends in demselben Bett einschlafen, indem man nachts zuvor fast wahnsinnig geworden war vor Aufregnung.

Wissen, dass es nichts bedeutet. Hingehen und ein bisschen was erzählen. Über Kafkas Tagebücher, Goethes Zeit in Straßburg. Krankheiten, Tod, Krieg. Und immer wieder Parzival und seine Sünden. Denn die Menschen ziehen den Wagen der Sündhaftigkeit, von Generation zu Generation, immer weiter. Seit Eva.

Danach: Freude. Aber die Liebe und ihre spatzenhaften Sonntagvormittage werden immer da sein. Heute genauso wie in 22 Tagen. Wissen, dass es nichts bedeutet. Dem Hinterherjagen von Perspektiven danach abschwören. Aber jetzt: Noch 22 Tage.

Samstag, November 3

Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich mal einen Mittag im Schrank verbringen dürfte, um zu überlegen, was ich mit dem Tag, dem Leben, mir und allen anderen eigentlich anfangen will.
Meine Tage gehen immer gleich, derzeit Kafka:

'Ich bin [...] ein verschlossener, schweigsamer ungeselliger unzufriedener Mensch, ohne dies aber für mich als ein Unglück bezeichnen zu können, denn es ist nur der Wiederschein meines Zieles. [...] Nun ich lebe in meiner Familie, unter den besten und liebevollsten Menschen, fremder als ein Fremder. Mit meiner Mutter habe ich in den letzten Jahren durchschnittlich nicht zwanzig Worte täglich gesprochen, mit meinem Vater kaum jemals mehr als Grußworte gewechselt. Mit meinen verheirateten Schwestern und den Schwägern, spreche ich gar nicht, ohne etwa mit ihnen böse zu sein. Der Grund dessen ist einfach der, daß ich mit ihnen nicht das aller Geringste zu sprechen habe. Alles was nicht Litteratur ist, langweilt mich und ich hasse es, denn es stört mich oder hält mich auf, wenn auch nur vermeintlich. [...] Verwandtengefühl habe ich keines, in Besuchen sehe ich förmlich gegen mich gerichtete Bosheit.'

aus dem Achten Heft Franz Kafkas Tagebücher, 21 VIII [19]13.

Donnerstag, November 1

‚27 und noch immer mein Freund. Gratuliere!’

Mittwoch, Oktober 31

Die 13 Tugenden des Benjamin Franklin (1706 - 1790)

'Von früher Kindheit an eignete er sich einen immensen Wissensfundus durch intensive Lektüre geistlicher und allgemeinbildender Literatur autodidaktisch an. Franklin kultivierte seinen Charakter mit Hilfe einer Liste von 13 Tugenden, die er im Alter von 20 Jahren entwickelte und Zeit seines Lebens anwandte. In seiner Autobiografie fasst er die 13 Tugenden wie folgt zusammen:

  1. Enthaltsamkeit - Iss nicht bis zum Stumpfsinn, trink nicht bis zur Berauschung.
  2. Schweigen - Sprich nur, was anderen oder dir selbst nützen kann; vermeide unbedeutende Unterhaltung.
  3. Ordnung - Lass jedes Ding seine Stelle und jeden Teil deines Geschäfts seine Zeit haben.
  4. Entschlossenheit - Nimm dir vor, durchzuführen, was du musst; vollführe unfehlbar, was du dir vornimmst.
  5. Sparsamkeit - Mache keine Ausgabe, als um anderen oder dir selbst Gutes zu tun; das heißt: vergeude nichts.
  6. Fleiß - Verliere keine Zeit; sei immer mit etwas Nützlichem beschäftigt; entsage aller unnützen Tätigkeit.
  7. Aufrichtigkeit - Bediene dich keiner schädlichen Täuschung; denke unschuldig und gerecht, und wenn du sprichst, so sprich danach.
  8. Gerechtigkeit - Schade niemandem, indem du ihm unrecht tust oder die Wohltaten unterlässt, die deine Pflichten sind.
  9. Mäßigung - Vermeide Extreme; hüte dich, Beleidigungen so übel aufzunehmen, wie sie es nach deinem Dafürhalten verdienen.
  10. Reinlichkeit - Dulde keine Unsauberkeit am Körper, an Kleidern oder in der Wohnung.
  11. Gemütsruhe - Beunruhige dich nicht über Kleinigkeiten oder über gewöhnliche oder unvermeidliche Unglücksfälle.
  12. Keuschheit - Übe geschlechtlichen Umgang selten, nur um der Gesundheit oder der Nachkommenschaft willen, niemals bis zur Stumpfheit, Schwäche oder zur Schädigung deines eigenen oder fremden Seelenfriedens oder guten Rufes.
  13. Demut - Ahme Jesus und Sokrates nach.'

Welche der 13 sind heute noch in Anwendung?

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zitiert nach wikipiki.

Dienstag, Oktober 30

27 Tage noch

Wenn alles gut geht und mein zweiter Professor sich nicht querlegt, findet meine alles entscheidende, abschließende, wundervoll befreiende Prüfung am letzten Montag im November statt.
Inzwischen ist das zeitweise Herzklopfen in ein ständiges Dauergefühl der Hysterie übergegangen, das sich nur bekämpfen lässt, indem ich acht Stunden täglich versuche, mir den Lernstoff in die Hirnrinden zu brennen (gestern eine zu hohe Dosis Grey’s Anatomy).
Das habe ich jetzt 8 Tage in Folge, ohne Pause, gemacht. In diese acht Tage habe ich die komplette Literaturgeschichte des Hochmittelalters plus Analysetexte zum Parzival, inklusive Zusammenfassungen, Übersichtsblätter und Wiederholung der Grammatik gequetscht. Jetzt kann ich nicht mehr.
Gestern Abend im Bus wie eine Miezekatze aus dem Fenster gestarrt, ohne zu registrieren, dass die Frau neben mir am Telefon erzählte, dass sie ihre Schwiegermutter mit zu sich nach Hause nehmen müsse, weil diese sonst heute nacht stürbe, aus Einsamkeit. Die habe nämlich mit ihrem Leben abgeschlossen. Solchen Geschichten lausche ich normalerweise mit einer gewissen Anteilnahme.
Meine Gedanken aber kreisen nur noch um Parzival und seine Heldentaten, während es mir egal geworden ist, wie unsere Wohnung aussieht, wer abwäscht, wer kocht, wie meine Haare aussehen.
Da ich nun aufgehört habe, zu delegieren, haben meine Mitbewohner endlich die Chance zu WG-organisatorischen Höchstformen aufzulaufen. k beginnt tatsächlich, das zu tun, was man in etwa Kochen nennen darf. Gestern gab es Omelette! Heute Abend will sie uns mit ihrem neuen Freund (!) etwas servieren, indem sich allen Ernstes Kichererbsen und Süßkartoffeln befinden. (Ist es nicht unglaublich?) Ich bin sehr stolz auf sie, auch darauf.
Jedenfalls hab ich heute frei. Muss sein. Mitten unter der Woche. Man weiß ja gar nicht, was man mit dem ganzen Tag anfangen soll! Putzen? Der Kerl ist solang zur Uni gegangen und schreibt eine Prüfung darüber, wie man Wasser misst. Es gibt viele Wege, Wasser zu messen, glaubt mir, ich hab sein Skriptum gesehen. Danach läuft er in die Videothek (die langsam keine Filme mehr hat, die wir nicht gesehen hätten und ihre Weihnachtsfeier, selbst wenn sie ins Puff nebendran ginge, allein von unseren Ausleihgebühren bezahlen könnte) und holt King Arthur. Kerl will die Schlachten sehen, um sich nach der Prüfung zu entspannen (!), während ich eher an der Sage im Urzustand interessiert bin. Leider ist dieser Film offenbar total daneben gegangen, wenn man den Kritiken Glauben schenken will; ich muss versuchen, ihm einen anderen Film einzureden (Robin Hood?).

Offenbar ist es wahr: Wir lernen oder wir schauen Filme. Das ist es, woraus unser Leben derzeit besteht. Darf man tagsüber Rotwein trinken?


Sonntag, Oktober 28

Ein Stück Berliner Alltag

Gestern Abend. Ein Samstag sieht ja derzeit so aus, dass ich meine acht Stunden mittelalterliche Literaturgeschichte voll kriege, maßlos beeindruckt vom Einfluss der Schwaben damals zurück bleibe, kurz Luft schnappe, das Riesenchaos in der Küche beseitige, nachdem der Kerl ein phänomenales Abendessen (selbstgemachtes ecuadorianisches Salsa, Himmel & Erde, echte Bratwürste vom Naschmarktstand, allerletzte Reihe, hinten) kunstvoll gefertigt hatte, nachdem ich alles fertig abgewaschen und die Küche gestriegelt habe, bemerke, dass mir das kleine Mädchen doch nicht alle Teller und Pfannen aus dem Wohnzimmer rüber getragen hat (noch verwunderter bin ich über die Menge der Töpfe und Pfannen, die der Kerl so benötigt), weiterspüle, Kerl läuft so lang in die Videothek, ich dusche. Nachdem dann endlich alles gerichtet ist, Fernseher in unser Zimmer geschoben, Tee gekocht, Haare gewaschen und mit Lockenspray eingesprüht: Sommer vorm Balkon. Genau das Richtige, am Tag der Zeitumstellung gen Winter. Denken wir noch.

Dann aber: Kerl und ich sitzen ob der Geschichte ungläubig, aufrecht im Bett (ich vor allem deshalb, weil ich mich mit nassen Haaren nicht hinlegen darf, das würde ich anderntags bereuen, mit Locken ist nicht zu spaßen!) und können kaum fassen, wie wahr/echt/=unsagbar traurig dieser Film daherkommt. All das in Berlin, funktioniert aber genausogut in Wien, bestimmt.

Als es vorbei ist, liegen wir eine Weile da (Haare sind trocken und supergekringelt, die Mühe hat sich gelohnt) und ich weine eine halbe Stunde lang, wegen dem Film und den Menschen darin und den Menschen, die den Menschen in diesem Film ähneln und umgekehrt. Über mich selbst weine ich erst ganz zum Schluss, als schon 14 vollgerotzte Taschentücher am Parkettboden verstreut liegen. Der Kerl wird nicht müde, mich zu trösten, indem sich den Kummer der kompletten Erde aus meiner nichtendenwollenden Klagerede ohne zu Murren anhört (inklusive Klimaschutz, aber da bin ich vom Thema bereits etwas abgekommen). Als ich wieder etwas lachen kann, weil der Kerl seine Tröstaufgabe wie immer mit Hingabe erledigt, habe ich den Parkettboden mit den 14 Taschentüchern fotografiert. Das Foto brauche ich euch gar nicht erst zu zeigen, ihr wisst, wie das aussieht. Weiße, weiche Papierknülle auf mitteldunklem Fischgrätparkettboden, wunderschön.


Samstag, Oktober 27

Made my day

"Einen Monat lang vom Gehalt eines seiner Arbeiter zu leben, das hatte der Nudelfabrikant Rossi in Mittelitalien sich vorgenommen. Schon am 20. des Monats war die Familie blank. Die Konsequenz des gescheiterten Experiments:
...weiterlesen.

Freitag, Oktober 26

Was ist Liebe?



Du stehst auf, und jemand hat dir bereits dieses Frühstück gemacht.

Donnerstag, Oktober 25

Am Rathaus hängt jetzt schon das 24er-Adventkalenderfenster.
Und in drei Wochen startet der Christkindlmarkt.

[Das ist genauso doof, wie Dr. House. Musst ich jetzt mal sagen,
weil ich nicht ganz nachvollziehen kann, warum alle ihn lieben.
Der Typ ist so nervig.]

Mittwoch, Oktober 24

fall zwei dreimal vom rad

bis du weißt dass man

auf rollsplitt nicht ruckartig bremsen darf

und zieh dir die decke bis über die ohren

wenn im wohnzimmer der fernseher zu laut dröhnt

wärst du aufgestanden

und hättest gebeten,

den ton leiser zu drehen? – niemals.

dass du die decke bis heute nicht

von den ohren wegkriegst, macht ja nichts.

Dienstag, Oktober 23

Zivilcourage

Als sich letzte Woche die sächsische NPD-Landtagsfraktion im Holiday Inn Dresden per Online-Buchung einmieten wollte, bekam sie diesen Brief zur Antwort.
Der Geschäftsführer des Hotels sagte in einem Interview, diese Entscheidung sei eine rein unternehmerische. Er wolle auch keine Linksextremisten oder Sekten im Haus haben.

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via Kerl, der sich sieben winzig kleine Löcher in die Stirn geschlagen hat, als er versucht hat, mit einem hartgewordenen Fladenbrot vom Brunnenmarkt Kyokpa mit dem Kopf zu üben.

Montag, Oktober 22

Ja, keine Panik, ich feil noch dran. Das Bübchenblau, ich weiß. War ja bloß zur Ablenkung, wegen Reizüberflutung, verursacht durch grammatikalische Begriffe, die ich immer und immer nachschlagen muss.
Aber ein Wintermodus (!) musste her. Mein Schal ist übrigens weg, den hat sie mitgenommen.
Die jetzt weg ist. Und letztes Jahr um die Zeit war sie noch. Nein, eigentlich nichts mehr.
Mein Schal fehlt mir, wenigstens.

Lola-Kurs

Ich glaube ja schon, das Leben an sich will mir was mitteilen.
Irgendetwas stimmt ja nicht ganz, zurzeit.
Zuerst diese ganzen Filme, die der Kerl aus der Videothek heimgeschleppt hat und die alle nur eins zur Botschaft hatten: Lebe hier und jetzt! Versteige dich in keiner fixen Idee! Undsoweiterundsofort. (Wo mein lerneifriges Ich dazwischen ruft: Aber! Einen Abschluss braucht man doch! Man muss doch! Man kann doch nicht umsonst! All die Jahre!)
Jetzt das: Ein Plan, um 7 brav aufzustehen, zur Bib zu fahren, 10 Stunden absitzen, eifrigst mit Parzival mitleiden. Solche Pläne sind ja zum Scheitern verurteilt, weiß man ja.
Aber bis halb 10, schweißgebadet, durch wirre Träume wandern, aufstehen zum Duschen, Schwindel, an den Duschwannenrand setzen müssen (dankbar sein, dass erst gestern geputzt worden war), irgendwas warmes, wabbriges überziehen, Heizregulator auf höchste Stufe, hierhinsitzen, Schwindel bekämpfen. Hunger, aber in die Küche gehen, geht nicht. Kerl inner Uni. Bis halb 8.
Was sagt es mir? Was schreit es?
Alles wird gut. Stress dich nicht so, meine Liebe. Du vernachlässigst bereits alles andere. Am Ende bist du MAG. und niemand mag dich mehr, weil du asozial geworden bist.
Du schaffst es! 40 Tage noch.
Ich leg mich jetzt mit Parzival ins Bett, wenn der Kerl schon nicht da ist.

Sonntag, Oktober 21

Panik!

In 40 Tagen ist Deadline.

Angst, Herzklopfen und Schweißausbrüche geben sich die Klinke in die Hand.
Ab morgen hat die Gemütlichkeit ein Ende. Keine Salatbrotpausen während ausgedehnter Telefonate mit meiner Großmutter mehr, die mir erzählt, dass sie nur 8 Jahre zur Schule gehen durfte, weil ihre Eltern das Schulgeld für eine weitere Ausbildung nicht bezahlen wollten (konnten) und sich danach glücklich schätzen, dass man Wochen in der Bibliothek verbringen darf. Solche Dinge müssen jetzt hintanstehen. Kein Einkaufen mehr, kein samstags Blaumachen, keinen Kaffeeklatsch, keine zumSpaßVorlesungen, kein Kochen, kein BuchzumSpaßlesen, keine Filme mehr, die einem sagen, dass man sich nicht auf ein Ziel fixieren darf*. Jetzt ist Konzentration angesagt. Versuch, morgen Punkt 9 dort zu sein. Bis sieben. Gescheitert, krank!!


*Click; Der Teufel trägt Prada.

Samstag, Oktober 20

Wer ist hier am freakigsten?

1.) extrem großer, extrem langer Schlacks mit roten engen Karottenhosen, Nietengürtel, Emo-rotschwarzgemustertem Kapuzenpullover (Haube auf), Sonnenbrille, Oscar Wilde-Büchern am Tisch, Notizblock, starke Kippen (Rauchpause alle 20 Min), telefoniert ungeniert im Lesesaal
2.) Mädchen, rupft dauernd in ihren roten Kringellocken herum, karierte Strumpfhose, Jeansrock, Tee ohne Zucker (zuhause gekocht und abgefüllt in eine Schweppes-Flasche), mittelhochdeutsche Übungsblätter, ein Spitzer, ein Radiergummi und der Falter am Tisch, geht zweimal raus, um ein selbstgemachtes Brot (mit innen Salat) aus der Folie zu essen, kritzelt Dinge in ihren Moleskin; hat selbstverständlich immer Taschentücher dabei.
3.) junger Niederösterreicher, tätoviert (bunt, ganzer rechter Arm, soll wohl noch mehr dazukommen), weißes Leiberl, blue Jeans, Schwiegersohnfrisur (zerzaust), etwas dickdümmlich, Federpenal, rotzt die ganze Zeit (soll ich ihm ein Taschentuch anbieten, damit das endlich aufhört?)

Dienstag, Oktober 16

Zwischenruf

Seit gestern leide ich an einem Kratzwahn am Hals. Es wird vermutet, dass ich in den letzten fünf Tagen eindeutig zu oft duschen war (14 Mal?). Deshalb ist das Duschen hat der Kerl das Duschen für heute für mich gestrichen, (ich fühle mich miserabel!). Das heißt, ich laufe derzeit (mitsamt eingebildetem Dreck und Schweiß über und über) ungeduscht zwischen Sekretärenkammerln und den Damen auf dem Prüfungsreferat hin und her, um diverse Stempel und Unterschriften einzusammeln (gegen die man dann tatsächlich Berufung einlegen kann!), andererseits versuche ich in die Kunst des Übersetzens einzudringen. Ich hab da ja überhaupt keine Erfahrung. Englisch übersetzen mussten wir nie, und mein Latein und Französisch. Von mein kann man da ja wohl kaum sprechen. Ohne mich selbst zu loben, ich finde ja, ich lerne schnell. 3 Wochen intensives Training und ich lese den Text schon lieber auf mittelhochdeutsch als in der Übersetzung (bzw. erkenne falsche oder schlechte Übersetzungen). 6 Wochen noch! Ein Horror. Nicht das Lernen bis dahin. Mehr das Aufhören müssen, danach.
Eine Spezialdank übrigens an j², der es nie scheut, Probleme anzusprechen, wenn sie da sind und dem kleinen Mädchen, das sich mitsamt Blumentöpfchen und Ferrero Rochers bei der schlaflosen Nachbarin entschuldigen gegangen ist (obwohl sie selbst gar nichts dafür konnte).
Die Party war übrigens große Klasse. Auch wenn die meisten nichts mitgebracht, alles weggetrunken und im Stiegenhaus herumgebrüllt haben. Ich selbst saß nämlich die meiste Zeit in meinem Wandschrank und unterhielt mich über Zauberei und was das Leben bereithalten könnte, wenn man es ließe.

Samstag, Oktober 13

Warum Einsamkeit vielleicht doch der bessere Weg ist

Maßlose Überforderung. Mir wird das grad alles ein bisschen zu viel, in unserem Wandschrank stehen derzeit 20 Fladenbrote in einer riesigen Kartonschachtel bereit, um von zahlenmäßig uneinschätzbarem Partybesuch (> 50) nebst selbstgemachtem Erdäpfelkäse, Tzaziki und Liptauer verzehrt zu werden. Ich komme gerade von einem Winzi-Billa, der so klein und ordinär ist, dass er nicht einmal ordentliche Spaghettinudeln führt. Zudem kauft dort äußerst fragwürdige, fetthaarige, überhaupt sehr voluminöse Kundschaft ein, und es gibt nicht einmal eine gute, billige Flasche Rotwein (Volupta!). Normalerweise gehe ich dort auch nicht hin. Aus solchen Geschäften heraus ernähren sich nur Menschen, die ein Leben führen, das einen Einkaufsweg von mehr als 20 Metern nicht erlaubt. Und Fetthaarige.
Jetzt stehen 4 Kilo Kartoffeln am Herd, die ich zu schälen habe, weil die komplette WG anderweitig beschäftigt ist. Der Kerl und das kleine Mädchen arbeiten, der Deutschlandbesuch besucht die beiden beim Arbeiten, die beiden Mädels von hinter dem Wandschrank haben das Brot gekauft und den Gurkensalat gerichtet (viel Knoblauch, ohja), und der andere, der noch hier wohnt... tja.
Der ist ja neuerdings der Meinung, dass es überhaupt nicht bewiesen ist, dass gesunde Ernährung zu einem verlängerten Leben beitragen kann. Er hätte da so eine Studie gelesen, nicht dass es dazu eine Nahrungsmittelkonzern-Lobby gäbe, nein. Die solche Studien regelmäßig aus der Portokasse zahlte. Das Schlimme daran ist nicht, dass er diese Meinung vertritt, obwohl er sich derzeit medizinisch ausbilden lässt. Das Schlimme daran ist, dass ich derzeit so ungefestigt bin, dass ich bei solchen Diskussionen den Tisch verlassen muss. Ich laufe regelrecht weg. Fällt mir in letzter Zeit häufiger auf. Sobald am Tisch irgendwas angeschnitten wird, was mir missfällt, schleiche ich auf die Toilette und hoffe, dass es vorbei ist, bis ich wiederkomme.
Vielleicht hat meine Mickeymouse-Blase sich erst aus diesem Verhalten heraus entwickelt.
Lebte man allein, hätte man keine Partys und keine Mitbewohner, die einem aus unerfindlichen Gründen mitteilen, dass sie jetzt dann Besuch bekämen. Nachts, über Nacht. Also bis morgens.

Aber bis zum Frühstück reicht es dann doch nicht.

Freitag, Oktober 12

Che Sudaka

Die Kellnerin tut so, als kämen ständig Menschen, die nach Kugelschreibern fragen: "Einen Zettel dazu?" Gegenüber mir ein Mann, ebenfalls mit Zettel und Kuli der Kellnerin ausgestattet, macht sich Notizen, die man nicht lesen kann (wie meine):
Das Bier kostet 3,30, der Spritzer 2,80 €. Schöne, saubere Toiletten, Willkommens-Saftwodka mit Minze am Eingang, Garderobe 1 €. Der Bühnenbereich ist Nichtraucher, mit orientalischbezogenen Einbaubänken am Rand des Saales entlang, auf die man raufsteigen kann, als würde man auf den Tischen tanzen, und dahinter die Sintflut. Auf der Bühne 6 spanische Hampelmänner, zwei davon Sänger: Einer steht am Ende nur mehr in der engen Boxershort auf der Bühne und verkauft Band-Tshirts, fünf Euro das Stück. Der andere hüpft mit von den Achseln bis knapp über die Hüfte aufgeschlitztem Leiberl herum. 150 Gäste sind glücklich. Außer der Spanier, der mir ins Ohr schreit: "Es könnte schlimmer gekommen sein." Ich weiß nicht genau, ob das gut oder schlecht ist. Der Deutschlandbesuch versichert mir, dass der Spanier oft sehr negativ ausdrückt, was eigentlich nett gemeint ist. Gut, er wird die Texte verstanden haben.
Volupta macht angenehm betrunken, ohne Kater. Heute trotzdem beschlossen zuhause zu lernen, was sinnlos ist. Mache ich nicht mehr. Die dreckige Wohnung, der Internetanschluss und ich selbst, die um 2 immer noch im Schlafgewand herumsitzt, nerven mich. Ich kann mich da nicht konzentrieren, aber jetzt noch hinzugehen, ist witzlos. Die sperren um 6 zu, obwohl es so schön wäre, wenn sie einmal die Woche bis 11 aufhätten.

Donnerstag, Oktober 11

sprich ich gein der vorhten och,

Besuch aus Deutschland, 2 Flaschen Volupta, davor sinnloses Anstellen am Prüfungsreferat, wo man Nummern zieht um Dranzukommen, wie früher beim Maximarkt beim Fleisch (und ja klar haben wir ständig Nummern zum Spaß gezogen und sind weggerannt), Unterschriften einsammeln bei diversen Professoren, mit denen sie sich bereit erklären, mein Wissen abzuprüfen, ob ich einer Magistra würdig bin, Parzivalvokabeln gelernt, versucht im Prüfungsreferat neben einem ebengerade gewickelt werdenden Kleinkind (!) aus Herzeloyde-Szenen zu lesen, gescheitert. Kinder unter 2 und Parzivallektüre geht nicht so. Heute einen Aufsatz gelesen, dass obwohl die mittelhochdeutsche Grammatik geschlechtsneutraler als die heutige war (dh. genau so, wie Gendermenschen sie heutzutage gerne wieder einführen möchten), das mittelalterliche Weltbild dennoch weit entfernt von Geschlechtsneutralität war. Der Aufsatzschreibende schloss daraus, dass es für die Gesellschaft völlig piep ist, ob man Studenten oder StudentInnen oder Studierende sagt, weil der einzelne dadurch nicht korrekter gegenüber dem anderen Geschlecht handle. Schon schlau, das so herzuleiten. Heute abend jedenfalls eine spanischsingende Skaband im Klub Ost, solche Bands lieben der Kerl und sein Deutschlandbesuch. Ich gehe mit, obwohl mein Tag mich total zerstört hat und ich eher von einer heißen Badewanne mit wassereinfärbendem Sprudel träume als von einem verrauchten, verkifften Schuppen, indem 400 Menschen auf engem Raum hüpfen (und es witzig finden, sich gegenseitig anzuspringen).

Dienstag, Oktober 9

Momentan passiert nicht viel, außer:

lernen, lernen, lernen, Abendessen, schlafengehen, vom Lernen träumen, im Traum das Gelernte halbwegs verarbeiten, aufwachen, duschen, Essen und Bücher packen, in die Bibliothek und alles wieder von vorne. Dazwischen etwas Liebe und Demonstrationszüge. Herausgefunden, was mein Heimatort der Name des Ortes, indem ich großteils aufgewachsen bin, bedeutet: Von Ge-in-berg hatte uns die Volksschullehrerin mal erklärt, es hieße in etwa: geh in den Berg. Fast. gein bedeutet mittelhochdeutsch gegen, also gegen den Berg (gebaut, gelehnt). Und genauso ist der Ort. Auf den sanften Hügel lehnen sich Häuser und obendrauf haben sie den Kirchturm gestellt. Es ist schön, diese Dinge zu lernen. Man wohnt ja 19 Jahre lang dort und überlegt sich nie, nichts. Urlaub zum Beispiel kommt von mhd. ur-loup, das sich auf Er-laubnis (fernzubleiben) bezieht.

Samstag, Oktober 6

Stimmungskurve

Dahin gehe ich jetzt immer zum Runterkommen, wenn mich etw./jem. so maßlos ärgert, dass ich ihm an die Gurgel springen möchte. Immer wenn sich niemand ums Essen, den Abwasch, die Kaffeelatsche rund um der Espressomaschine, den Zeitungswust, die Haare in der Dusche, die gemütliche Atmosphäre in der Wohnung, den Einkauf kümmert. Immer wenn ich wieder mal das Gefühl habe, alles alleine erledigen zu müssen. Immer wenn ich denke, dass ich den Lernstoff nie bewältigen werde, dass ich zu dumm bin, um zu verstehen, dass das Leben anders läuft als geplant. Immer wenn eigentlich ein wundervoller, freier, sonnenbestrahlter Samstagnachmittag sein könnte und ich die Herrlichkeit der eigentlichen Situation nicht erkennen kann, weil Lappalien mir die Sicht auf die Schönheit eines jeden Augenblicks verstellen. Heute früh den Tag versauen lassen, durch diesen Film hier. Ein Film, obzwar mit Jennifer Aniston, aber so voll Hoffnungslosigkeit und dem beklemmenden Gefühl, dass das Leben ein Gefängnis ist, aus dem man nicht ausbrechen kann, dass ich nach 30 Minuten abschalten musste und die DVD in die Videothek zurückgebracht habe, ohne zu wissen, ob sie es dennoch schafft.

Freitag, Oktober 5

Jemand, der tagelang in einem prunkvollen Lesesaal sitzt und versucht, aus einem achthundertjahre alten Werk zu übersetzen, abends die vielen Bücher über den Umweg Spar und Videothek nach Hause schleppt, für sich ganz allein ein Abendessen bereitet, um nach einem kurzen Kampf mit dem DVD-Player, wie immer wenn der Kerl nicht zugegen ist, einen Film wie The Hours zu sehen, beginnt plötzlich zu verstehen. Menschen, deren Kopf so voll von Gedanken ist, wie der Virginia Woolfs, müssen wahnsinnig werden. Im Vorbeigehen einem Professor zugehört, der erzählte, er würde den Kleinen Prinzen auf mittelhochdeutsch übersetzen. Dies wäre sein nächstes Projekt. Ich selbst werde das Haus der Weisheit bald verlassen müssen. Wohin zur Hölle soll ich danach gehen? Was könnte mich ebenso glücklich machen, wie an der Nymphe Kastalia zu lehnen und aus Virginias Tagebüchern zu lesen?

Donnerstag, Oktober 4

Mittwoch, Oktober 3

Wann war eigentlich dein letzer Heulkrampf?

Heute unter Tränen eine Monatskarte (49,50 €) der Wiener Linien gekauft. Nicht vor Rührung, sondern ernsthaft weinend wegen dem Preis des Studententickets. 128 Euros, für 4 Monate. Ohne Ferien. Dass Teilzeitstudenten, die automatisch länger studieren, benachteiligt sind, weiß man ja. Macht auch niemand was dagegen, wies mir scheint. Ist wie mit prekär Arbeitenden. Manchmal fällt sogar beides zusammen. Aber diesmal ist mir echt die Hutschnur gerissen. Wenn ich nur 5 Monate später geboren worden wäre, würd ich das Ticket dieses Semester gratis bekommen. Ein Wahlzuckerl. Aber nicht für mich. Ich bin zu alt dafür! Mit 26 studiert man ja nicht, als braver Mensch. Da buckelt man schon und lernt nix mehr. Wer da noch immer lernt, soll auch kräftig dafür zahlen, meint der Staat.
Ich für meinen Teil stand eine Weile im Keller vom Westbahnhof rum, neben den Telefonzellen, ganz hinten, wo keine Leute sind und habe dem Kerl ins Telefon geweint. Ernsthaft, ganz ohne Spaß.

Dienstag, Oktober 2

Tag 2, Oktober

  • eine Stunde in der ehrwürdigen, stillen Germanistikbibliothek zu lernen ist so ergiebig wie 2 Stunden zuhause zu lernen
  • ein sehr junger Mensch, der im Sommer in den beiden Wochen bei uns gewohnt hat, als wir gerade ein Zeit-Probeabo laufen hatten, hat sich davon anfixen lassen und darf hier von mir mit dem wunderschönen Satz "Ich verschlinge jede woche die Zeit obwohl ich sie mir kaum leisten kann" zitiert werden.
  • Bürokratie ist österreichisch. Um Wahlfächer in ein anderes Studienfach übertragen zu lassen, benötigt man eine Genehmigung vom Prüfungsreferat, die bis zu 8 Wochen dauern kann. ACHT Wochen, das sind 2 ganze Monate. Falls dieser Stempel tatsächlich so lang braucht, bin ich gezwungen ein weiteres Semester Studiengebühren zu bezahlen, mit Nachfristaufschlag. 415,80 Euro für eine Unterschrift.
  • Wenn man als WG eine interne Sitzung plant, wo verschiedene organisatorische Dinge besprochen werden sollen (unter anderem eine große Party), dann sollte man ALLEN Bewohnern Bescheid sagen, wann diese Sitzung stattfindet. Wir Affen haben tatsächlich zu viert einen Termin gefunden und vergessen, j² etwas davon zu erzählen.

Sonntag, September 30

Alles neu macht der Oktober

1. hier lebt jetzt ein Mädchen, welches gerne kocht. Ein nie dagewesener Zustand, der mich beinah etwas ratlos zurücklässt. Sie stellt sich in die Küche zu mir hin und schnippelt Gemüse, wobei ich noch nicht genau einschätzen kann, worüber ich mit ihr reden werde, so in Zukunft.
2. meine Diplomarbeit ist sowas von fertig. Ich bringe sie morgen zum Binden. Jippieyeah, kaum zu fassen, aber wahr. Und noch dazu f-e-h-l-e-r-l-o-s. Der beste Korrekturmann Wiens der Welt hat sie gelesen und für gut befunden.
3. j² geht sonntags spazieren.

Mittwoch, September 26

Wie es wäre, einen großen Bruder zu haben.


Piggeldys großer Bruder heißt Frederick. Wenn Piggeldy etwas über die Welt erfahren will, fragt er Frederick. Frederick weiß, wie der Hase läuft. Piggeldy fragt zum Beispiel: "Frederick, was ist Regen?" und Frederick antwortet stets: "Nichts leichter als das. Komm mit." Denn ein großer Bruder weiß alles. Dann laufen die beiden los. Manchmal dauert es eine Weile, bis sie zu einer Erkenntnis gelangen. Zum Beispiel, dass der Himmel wohl doch nicht am Ende der Straße anzutreffen ist.
Immer wenn ich über sowas stolpere, wünschte ich, ich wäre in einem Elternhaus aufgewachsen, wo man nie nicht hätte fernsehen dürfen, außer von 18.55 bis 19.00 Uhr, zur Sandmännchenzeit. Ich wäre ein besserer Mensch geworden... und Piggeldy ging mit Frederick nach Hause.

Dienstag, September 25

Für heute habe ich ausgelernt.

Die erste der sechs Fragen ist fertig ausgearbeitet. Die Prüfung geht in 2 Monaten über die Bühne, wenn ich es bis dahin schaffe, den Bürokratiekram erfolgreich zu erledigen. 3 Wochen bin ich an der ersten, verhältnismäßig wichtigsten Frage gesessen. Mit der ersten Frage steht und fällt die Prüfungssituation. Da muss alles stimmen, damit ich mich danach etwas verhaspeln kann, falls nötig. Dramen von Lenz, Goethe, Klinger und Wagner gelesen, in denen es primär um sexuelle Beziehungen zwischen den verschiedenen Ständen und einem daraus resultierenden Kinds-, Bruder- oder Selbstmord geht. Richtig auswendig kann ich noch nichts. Ich frage mich, wie andere Menschen lernen. Merken sie sich das alles beim Durcharbeiten? Ich muss zumindest Stichwörter auswendig lernen, um mich an den Kontext zu erinnern.

Nach 3 Wochen bin ich allerdings gut im Arbeitsfluss, Motivationsprobleme gibt es sogut wie keine. Zurzeit stehe ich um ca. halb 9 auf, frühstücke, dusche, bändige meine Haare, lese ein bisschen Kultur- und Medienteil vom Standard und ein paar neue Blogeinträge, koche mir eine Kanne Früchtetee, schäkere ein bisschen mit dem Kerl, räume das Zimmer auf, mache das Bett. Dann ist es in der Regel kurz vor 11 und ich lerne bis 2, halb 3. Mittagsjause, kurz ins Bett legen, entspannen. 15.30 Uhr bis abends um 6, 7 weiterlernen. Da komme ich durchschnittlich auf ca. 6 Stunden Lernzeit, wobei ich mir zwischendurch meistens ein Abendessen ausdenke und dazu ein bisschen hier herumschaue, um dann eine Nachricht zu schicken, was dafür einzukaufen ist. Das dauert bestimmt eine halbe Stunde. Ich mag es, mir schöne Mahlzeiten für meine Mitbewohner auszudenken. Danach koche abwechselnd ich oder der Kerl, wer eben grad mehr Lust dazu hat. k und j² spülen die Küche. Mittwochmorgens brauche ich länger, da muss ich den frischen Falter lesen, sonntags wird geputzt und danach gibt es Pasta nach Uli-Mamas Art, die das Rezept wiederum von ihrer Schwiegermutter aus Südtirol hat. Montags gibt’s abends jede Menge Serien; bei Grey's Anatomy sitzen nur noch j² und ich da.

So ist das hier bei uns. Und wir mögen das. Wir sind momentan ziemlich gut eingespielt, es könnte kaum besser klappen. Aber ab morgen wird sich das alles wieder ein bisschen ändern, denn heute Nacht zieht ein neues Mädchen (v) bei uns ein. Sie wird genau gegenüber vom begehbaren Wandschrank wohnen, Richtung Süden, mit dem Kirchturm als Uhr. Wenn wir beide die Tür zum Wandschrank öffnen, können wir uns von den Schreibtischen aus zuwinken. Bisher hat in dem Zimmer, wo sie einziehen wird, noch niemand gewohnt, mit dem ich das hätte tun wollen. Wird es diesmal anders sein?

v kommt aus der Nähe von Freilassing, ganz nah bei Salzburg, ganz knapp auf der deutschen Seite der Salzach. Wir kennen sie nicht, aber sie hat ein sehr freundliches Gesicht, schöne Haare, berät zurzeit Studienanfänger und ist immer schon mit Biozeugs aufgewachsen, sagt sie.

Montag, September 24

Dies ist keine Übung




weil das Leben keine Übung ist, weil ich dieshier sehr gerne lese,
und dieshier da gefunden habe. Wir sollten eine gewisse Liebesbeziehung
zu unserem eigenen Leben aufbauen. Ja, das sollten wir.

Sonntag, September 23

Baby, mach mir den Hampelmann

Während ich mich darauf zu konzentrieren versuche,
macht der Kerl immerzu Unsinn:

Er trägt kurze Hosen mit Wintersocken, hüpft damit im Zimmer rum
und versucht mich mit unlauteren Mitteln ins Bett zu locken.
Aber wenn ich das hier erzähle, beschwert er sich bestimmt wieder
in anonymen Kommentaren darüber, wie unverhältnismäßig schlecht
ich ihn hierdrin wegkommen ließe.

Samstag, September 22

Gestern Abend nach einem Siedlerspiel.

Alles hat vorerst gut begonnen. Ich sitze mit 2 fetten Städten an einer Gold-Neun und einem Gold-Fünfer und kann mir ständig 2 Rohstoffe freier Wahl aussuchen. Jeder andere könnte unter diesen Bedingungen haushoch gewinnen. Ich schaffe es damit lediglich auf Platz drei.
Zwischendurch nimmt dieses Spiel erschreckende Ausmaße an. Der Wurm, der Siedler ohnehin nur nebst von uns zur Verfügung gestelltem Schnaps zu spielen bereit ist, nimmt plötzlich meinen aktivierten Doppelritter vom Feld. Der Kerl hatte den Wurm massiv dazu animiert. Ebenden Ritter hätte ich aber extrem gerne darauf verwendet, einen verschissenen Seeräuber zu vertreiben, der mir seit gefühlten 84 Runden die Besiedelung einer neuen Insel verwehrte.
Meine Wut gegenüber dem affigen Piratenschiff, dem Kerl, der den Wurm davon überzeugt hatte, dass ich ein viel besseres Opfer für dieses Attentat wäre als er selbst, und der Wurm, der sich überflüssigerweise zwischen Kerl und mir zu entscheiden hatte, bringen mich völlig aus der Fassung. Ich laufe für einen Augenblick aus dem Zimmer, um mich zu fangen.
Stopp erst mal! So etwas passiert uns sonst doch nie. Wir gehören nicht zu den WGs, die Siedler von ihrem Abendprogramm zu streichen gezwungen sind, weil sich dabei Kämpfe auftun, die dem friedlichen Zusammenleben nicht länger zuträglich sind.

Doch diese Szene bringt das Bild ins Wanken.

Kurz zuvor war noch alles obenauf gewesen. Das kleine Mädchen und der Wurm hatten Bier und Essen herangeschleppt, eine Bekannte j²s (trockenen, aber immerhin!) Kuchen. Es sind 6 Spieler beisammen, die sich grundsätzlich gern mögen. (Das war in dieser Wohnung nicht immer so selbstverständlich.) Dazu Wein oder wahlweise Tee mit Rum. (Ich sehe bewundernd zu, wie j²s Bekannte den kompletten Abend mit Wasser zubringt und nehme mir vor, ihr das bald mal nachzumachen.)
Irgendwas aber ist losgetreten worden. Der sonst so sanfte, völlig gelassene Wurm, der die Welt so bewohnenswert findet, dass er noch mind. 40.000 Mal reinkarnieren wollte, setzt mit einem Mal eine eiserne Miene auf, die nicht mal durch feinsten Büffelgraswodka erheitert werden kann. Der Rest des Spiels vergeht schnell, aber etwas verkrampft; das Kuchenmädchen geht irgendwann nach Hause.
Die interne WG plus Wurm sitzt rund um den Tisch und räumt Siedlerfiguren in kleine, von Kerls Oma genähte, farblich abgestimmte Säckleins mit Bortenrand.
Jemand beginnt ein bisschen zu sprechen. Über Menschen und solche, die keine Emotionen zeigen können. Ich sitze ratlos da und höre an, was ich kaum begreifen kann. Ein Tisch voll trauriger Menschen, die sich zu einem fröhlichen Brettspielabend getroffen haben. Ein Tisch voll trauriger Menschen, ich mittendrin.
Gleich am nächsten Morgen, fast ohne Grund: Vielleicht kann man Tränen statthalber weinen. Für Menschen, die irgendwann damit aufgehört und welche, die es verlernt haben. Wenn das funktioniert, so müsste es heute zumindest allen besser gehen. Ich jedenfalls
habe mein Bestes getan.

Mittwoch, September 19

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben

oder am Ende kommt es anders als man denkt.

Besagte Dame, nennen wir sie ein letztes Mal bunte Person, kam pünktlich an jenem Abend mit einer durchaus ansehnlichen Freundin, mit der sie derzeit übergangsweise ein Zimmer bewohnt, zum Abendessen.
Als allererstes stürmte sie unsere Küche. Darin war der Kerl gerade an einer phantastischen Tomatensauce zugange. Sie 'wollte es sich nicht nehmen lassen’ und briet zusätzlich allerhand mitgebrachtes Zeug an, bepinienkernte Ruccolasalat, und streuselte Parmesan drüber. Alles feinsäuberlich eingepackt, vorgeschnitten, mitgezerrt, in Tupperschüsseln. Rotwein hatte sie keinen dabei.

Ich selbst wusste ab dem Zeitpunkt, da sie, selbst zum Essen eingeladen, Essen heranschleppte und unsere Küche töpferausreißend aus dem Gleichgewicht brachte, dass Kerl und ich sie in unserer wohleingekochten, harmonischen Koch- und Backstube nicht haben wollen würden. In Wirklichkeit ist es uns sehr recht, dass in dieser Küche nur wir beide ernsthaft Töpfe rausreißen und Suppen pürieren. Der Parmesansalat war wirklich gut, keine Frage. Aber der Abend begann bereits merkwürdig.

Die Situation gefiel mir nicht, genauso wenig wie der Humor, den die Dame zu Tisch pflegte (Gammelfleischwitz, hahaha) oder die Tatsache, dass sie vier Jahre lang glückliche H & M-Mitarbeiterin gewesen war. Menschen, die bei H & M vier Jahre lang glücklich sein können, sind mir suspekt, jawohl. Ich wollte ihr indes vertraulich vom Keniamann erzählen, der drei Jahre lang unter dem System besagter Kleiderkette zu leiden gehabt hatte, und hoffte so ein tiefergehendes Gespräch anzetteln zu können.
Allein, das interessierte sie nicht. Im kleinen Trier, wo sie herkam, war das alles toll und total familiär gewesen.

Zum Glück hatte der Kerl noch andere, äußerst nette Menschen eingeladen. Mit denen spielten wir dann alle zusammen Mafia und Black Stories, ohne uns weiter ausführlich mit Frau Laut unterhalten zu müssen. Für Mafia benötigt man mindestens acht Spieler, soviele kriegt man selten in halbwegser Nüchternheit zusammen, dafür war der Abend ideal.
Irgendwann ging sie nach Hause, wohl ahnend, dass vor allem wir beiden Mädls sie nicht ernsthaft leiden konnten; mit j² hatte sie sich ganz nett unterhalten und der Kerl war der Mitbewohnersuche ohnehin längst überdrüssig geworden.

Am Ende saßen wir zu viert betrübt, aber doch irgendwie erleichtert im Wohnzimmer und überlegten, was zu tun wäre. Schnell war klar, dass wir ihr absagen mussten. Ich selbst konnte es mir beim besten Willen nicht vorstellen, die Frau am nächsten Morgen anzurufen und ihr brühwarm ins Telefon zu säuseln, wie leid uns alles täte, aber…? Aber was? Dass wir sie nicht abhaben konnten? Sie zu laut, zu bunt, zu aufdringlich war?
Die Entscheidung fiel letztlich doch auf den netten Typ. Ein Dresdner. Hat eine Band, treibt entsetzlich viel Sport, Fernbeziehung nach Braunschweig, Eltern mit Wohnmobil. Mehr wissen wir nicht. Wir können uns eigentlich nur noch an das Gefühl erinnern, das wir hatten, als er da war um das Zimmer anzusehen. Auf dem Zettel, auf dem er seine Telefonnummer hinterlassen hatte, finden sich folgende Kommentare von uns: Kleines Mädchen + + supi; j² OK; Kerl: +++++, ich: ein aufgemaltes Herz.
Mit Abstand die beste Bewertung aller Bewerber.

j² hat sich schließlich ohne großes Gezeter bereiterklärt, der Dame den Korb zu geben. j² ist überhaupt ein sehr Guter. Der überhaupt Beste wäre er aber, wenn er sich am diesjährigen Falter-Abo beteiligen würde (14,50 ist doch ein Klacks für dieses Blättlein, das mittlerweile sehr gute Kontakte zur ZEIT pflegt; offenbar bastelt ein Zeit-Designer am neuen Relaunch. Die Zeit mögt ihr doch alle, Piefkes.)

Sonntag, September 16

Der perfekte Sonntag.









Nachdem wir auf der Abschiedsfeier einer nach Lissabonreisenden extra zwei Stunden darüber diskutiert hatten und uns schließlich darauf einigten, de facto den netten Jungen zu nehmen, der uns nicht mehr Probleme bereiten würde, als uns zu sportlicher Betätigung zu nötigen, weil die, nennen wir sie frei nach k bunte Person, ob ihrer ausgeprägten Redseligkeit und von uns mutgemaßten Dominanz und Lautheit nunmal gar nicht ginge, weil die Angst uns zu schaffen machte, sie könne uns wegdrängen, alles umstürzen, revolutionieren und am Ende womöglich ganz ohne uns hier wohnen, nachdem wir die Flucht ergriffen hätten, ... also nachdem das alles passiert war, träumte einer von uns von einem Fisch.
Laut Traumbuch empfiehlt das Unbewusste dem Träumenden auf diesem Weg, dringendst der inneren Stimme und Intuition zu lauschen, um eine bestimmte Entscheidung zu treffen. Demnach lagen der Kerl und ich gestern morgen im Bett und taten gehorsamst, wonach der Fisch verlangte. Und so waren wir einhellig festzustellen gezwungen, dass die bunte Frau uns am besten gefiel; auch ein bisschen, weil sie einer alten Freundin des Kerls ähnelte, die ich auch sehr gerne mag. (Mir war außerdem der Gedanke an einen netten Kerl ein Graus. Es kam mir unendlich langweilig vor, einen Typ Mensch einziehen zu sehen, den wir so gut kannten: Deutscher, Fernbeziehung, nett. Weg damit!)
Um sicherzugehen luden wir die bunte Person für heute Abend zu einer kleinen, nennen wir es Dinnerparty, damit wir sie tatsächlich kennenzulernen könnten; fernab von jeglicher Castingsituation.
Und so konnte der heutige Tag ganz wundervoll daherkommen. Erst ewig im Bett rumliegen, Frühstück von Kerl gemacht, Zeit-Feuilleton, Lockenspray. Kerl setzt mittags einen riesigen Topf mit Tomatensauce auf, der echt wie bei allen italienischen Mamas den ganzen Tag auf dem Herd rumbrodelt. Nachmittags in den Zoo gefahren, bisschen neue Babys gucken (Giraffe, Ameisenbär, Elefant, das neue Pandababy braucht noch eine Weile, bis es rausgeht, ich schätze, vor dem Frühjahr ist da nichts zu sehen) und jetzt wieder faul im Bett rumliegen, während j² zum Putzen dran ist. So was mag ich. Danach Gäste empfangen, Kerls umwerfende Pasta, und hoffentlich Rotwein, den die bunte Person als Bestechungsgeschenk mitbringt.

Nachtrag: Die Sonne ganz vergessen. Es war warm, an diesem Sonntag. Der Zoo war übrigens extrem überfüllt. So viele Menschen habe ich dort noch nie gesehen. Kerl und ich saßen irgendwann kalte Pommes essend (ich hoffe, das Zoobuffet füttert nur Besucher, keine Tiere) auf einem Parkbankerl, als ein Bibelfanatiker auf uns zukam, uns diesbezüglich offensichtlich sündigendem Pärchen vor vorehelichem Sex warnte (sein Argument hieß zu meiner Überraschung HIV, was seiner Meinung nach offenbar so eine Art neumodernes Fegefeuer darstellen musste) und uns danach die restlichen Verbote aufzählte: Du sollst nicht töten. Du sollst Vater und Mutter ehren, usw. Nachdem er freiwillig nicht gehen wollte, erinnerte ich ihn an das 11. Gebot: Du sollst fremde Leute nicht beim Essen stören. Kerl war indes stolz, jemand österreichisch-Prominentes erkannt zu haben, weil direkt hinter dem Bibelmann Michael Niavarani mitsamt Familie vorbeischlenderte.

Donnerstag, September 13

Die Suche, Tag 1.

Gestern gab es hier einen sehr lauten Tag. Morgens um 9 die gesamte WG plus Besucherbesatzung unsanft aus den Federn geworfen, den Dreck und die Bierdosen vom Vortag weggeräumt, Kaffee für 10 Leute gekocht (wir haben irgendwo ganz oben im Wandschrank eine zweite Kaffeekanne, die ganz genau dazupasst, man sollte sie mal runterholen, Kerl.), Frühstück hergerichtet, gespannt auf die erste sich vorstellende Person gewartet - kommt nicht. Nachdem Frühstück drapieren sich alle Anwesenden auf das Sofa und die Rauchenden rauchen morgens um 10 in den bald übervollen Aschenbecher rein, was dazu führt, dass die Wohnung extrem auskühlt, weil man das Fenster offenhalten muss. Es klingelt. Eine aufgedrehte Deutsche mit Haarreifen und ziemlich netten Interessen (die meinen sehr ähnlich sind) hat 30 Minuten Zeit, sich uns zu präsentieren. Sie macht ihre Sache nicht schlecht. Zwei Stunden später schreibt sie ein SMS, das bekräftigen soll, wie toll sie uns/die Wohnung/alles findet. "Ich hoffe!", schreibt sie.
Ein schwuler, fairtradekaufender, wodkaeinfrierender Deutscher setzt sich auf den Präsentierstuhl und erzählt uns von seiner jetzigen Wohnung am Brunnenmarkt: Dachgeschoss, Ölofen, Heizöl von der Tanke holen, hochschleppen, kein Lift. Wir empfinden Mitleid und verstehen, warum er umziehen möchte. Die nächsten drei bis vier Kandidaten lassen uns sitzen. Wir bekommen allmählich Panik, rufen die Liste durch und stellen entsetzt fest, dass Leute heutzutage Termine nicht mehr einhalten. Zumindest nicht solche, die eine Woche vorher ausgemacht wurden. Abzusagen ist auch nicht mehr so in. So ist unsere Zeit, himmelherrgott. Anzeige neu reingestellt, Terminlücken ausgefüllt, heute überbucht. Aber besser, als wenn niemand käme. Hausfreundin/Gratzer McDonalds-Mann kochen Chili für 10 Personen, mit Salat.
[...]
Es klingelt.
Ich muss rübergehen und jemand suchen, der uns mag.
Es ist nicht einfach, weil wir total überdreht, voll Koffein und Restalkohol uns nicht mehr konzentrieren können.

[..]

Es ist interessant zu sehen, wie die Leute ihre Leben führen. So außerhalb unseren Sphären. Wieviele deutsche Männer es gibt, die ihren Frauen nach Wien folgen, und dass langsam die Zeit kommt, wo ebendiese Männer wieder alleine wohnen. Letztes Jahr, als der erste große Schwall kam und wir Leute gesucht haben, waren alle noch guter Dinge. Diesmal heißt es oft, 'ich habe mit meiner Freundin zusammengewohnt und such jetzt allein was'. Manche fahren auch als Physikstudenten nach China und kommen zurück mit dem Vorsatz, ab nun Sinologie studieren zu wollen, um die Welt zu retten. Es gibt soviele Lebensmodelle und unseres ist ziemlich genau definiert, wie wir festgestellt haben: wochentags viel Arbeit und Ruhe, abends gemeinsam Essen, sonntags putzen, Freundschaft, Wein, Abrechnung.
Uns brennen die Nerven. Aber wir müssen durchhalten, 8 Leute kommen noch. Es muss der Richtige dabei sein, bitte. 'Ich hoffe!'

Dienstag, September 11

Woche 37 oder die Suche nach einem neuen Freund

Ich würde hier gern öfter von großen Dingen, prägenden Erinnerungen oder tiefen Empfindungen erzählen, aber dazu bleibt diese Woche bestimmt keine Zeit: Gestern den halben Tag bei Wella herumgesessen und Stufen in Haare reinschneiden lassen, die nicht wirklich für eine Treppenfrisur geeignet sind, danach Serienabend und unverhohlene Enttäuschung über die neue Staffel der desperaten, um keine Intrige verlegenen Hausfrauen.
Heute wieder Goethe, Klinger & Co., abends Siedler. Morgen und übermorgen Menschenmassen, die bei uns einziehen wollen, dazu Pizza aus Schachteln, und moralische Unterstützung durch die beste Freundin des kleinen Mädchens und einem Grazer McDonalds-Mitarbeiter, der sein Leben grad nicht so mag und deshalb lieber zu uns kommt. j² kehrt heute aus seinem zweiwöchigen Heimaturlaub zurück.
Es verspricht, eine ereignisreiche Woche zu werden, in der Lernen, Ruhe, Besinnung, Weihnachtsstimmung, Keksebacken [geplant von denen beiden.] und traute Zweisamkeit keinen Platz haben werden, dafür Gelächter, ungesundes Essen, Alkohol, nochmal Alkohol, viele Menschen, großes Tennis. Und vielleicht finden wir am Ende sogar jemand, den wir mögen und der auch die Dinge, die wir sonst so tun, witzig findet und im besten Fall mitmacht.

Freitag, September 7

Meiner Pubertätsfreundin.



































































































































wünschen Bob und ich.

Das Mädchen, das nun geheiratet hat, war meine erste wirklich gute Freundin. In der Forschungsliteratur nennt man diese Person im Leben einer Frau Pubertätsfreundin. Jede Frau hat für gewöhnlich so eine Freundin. Es handelt sich also um eine für die weitere Entwicklung außerordentlich wichtige Figur im Leben einer Frau, die sie jedoch meist im Laufe der Zeit aus den Augen verliert. Die wenigsten Frauen behalten diese Freundin bis ins hohe Alter.
Genauso – wie im Lehrbuch eben – ist es hier auch passiert. Mit 13 waren wir unzertrennlich. Das ging soweit, dass sie zu dem Kreis Freundinnen gehörte, mit denen ich eine Toilette gemeinsam zu besuchen pflegte. Ein außerordentlich ökonomischer Brauch, da auf diese Weise jede Menge Spülwasser gespart werden konnte. Irgendwann hörten wir damit auf. Wir begannen 2-3 Tage pro Woche beieinander zu übernachten. Für gewöhnlich taten wir das bei ihr Zuhause, weil ihre Eltern unkomplizierter, freundlicher und aufgeschlossener waren als meine. Zudem hatten ihre Eltern wesentlich mehr Erfahrung mit Teenagern als meine Mutter, da meine Freundin einen größeren Bruder hatte. Dieser hatte jede Menge Vorarbeit für uns geleistet. Seine für mich größte Tat war das Etablieren des neben dran, aber leer stehenden Wohnhauses als so genannte „Disko“. In der Disko fanden selbstredend Treffen gemischtgeschlechtlicher Natur statt. Diesen Brauch übernahmen wir jubelnd: Ein kleiner Raum im ersten Stock wurde mit Kronenzeitungsblättern austapeziert und als Matratzenlager umfunktioniert. Es gab nichts außer einer kleinen Schreibtischlampe und einem winzigen Radio, auf dem wir Kassetten abspielten. Es sollte ein aufregender Sommer werden. Leider waren wir unseren männlichen Klassenkameraden um die obligatorischen zwei Entwicklungsjahre voraus, was bedeutete, dass wir (ich für meinen Fall zumindest) wesentlich mehr wollten, als uns diese verschüchterten, unerfahrenen Jünglinge, die hormonell noch nicht ganz so auf der Höhe waren, bieten konnten. Mich hat das alles sehr enttäuscht. Die Erfahrungen, die ich in der Disko zu machen gedachte, erwiesen sich als ernüchternder Flop. In der einen Nacht, als es endlich so weit sein sollte, dass mein Favorit (der für mich beste unter all dieser furchtbaren Auswahl) mich küssen sollte, erwischte uns die Mutter meiner Freundin und warf ihn, der mühsam die Rosenleiter den Balkon hochgeklettert war, schnurstracks aus dem Haus. Und seine Schuhe, die er in der Hektik vergessen hatte, hinterher. Ein zweiter Aufstieg wurde, aus Angst meinerseits, auch aus dem Elternhaus meiner Freundin, das ich so liebte, rausgeworfen zu werden, erfolgreich vereitelt. (Der Kuss wurde erst Jahre später – zu spät – nachgeholt.) Es war eine hoffnungslos naive Zeit. Ich schämte mich auch ein bisschen vor meiner Freundin, solchen Typen nachzustellen. Sie kam mir (im Gegensatz zu mir) so makellos und unnahbar vor. Für sie waren das nur Affen, mit denen sie sich nicht abgeben würde. Während ich mich schließlich auf die Suche begab und sie allmählich aus den Augen verlor, fand sie bereits am 14. August 1999 zu ihrem Glück, das sie nun geheiratet hat. Ich freue mich für sie und möchte ihr für all das danken, was sie mir gewesen ist.

Aufschwung.




Nachdem der Kerl endlich seiner digitalen Sammelwut Herr werden konnte, spezialisiert er sich nunmehr darauf, Zeitungen aus Papier zu horten, sie nach einem geheimen System, das man nicht durcheinanderbringen darf, auf dem Frühstückstisch zu drapieren und eine nach der anderen sorgfältig zu lesen. Danach untersucht er sie (mithilfe publizistischer Beratung durch das kleine Mädchen) auf die unterschiedlichen Gatekeeper-Methoden. (Der HilfedieBienensterbenaus-Artikel im Standard ist offenbar 4Mal so groß wie der in der Presse, während die Presse mehr Wert auf den Artikel zum Unterschied zw. Kleinkindern und Primaten legt. Alles sehr interessant.) Da wir ein Falter und ein Standard-Abo ohnehin unser Eigen nennen dürfen, hat der Kerl zusätzlich heimlich ein Zeit- und Presse-Probeabo bestellt und den Augustin bei seinem Lieblingsaugustinverkäufer erworben. Das kleine Mädchen hat einen Vorrat an schundigen Ubahn-Zeitungen beigesteuert.
Wir haben jetzt alles, was sich zu lesen lohnt. Und mehr. Außer das SZ-Magazin, das ich noch nie lesen konnte, obwohl ich immer nur Gutes davon höre, da die papierne Version nicht bis in unsere Balkan-Sphären durchdringt.

Das sind wieder schöne Tage. Kerls Laune hat sich gebessert, er sitzt also im Lesestuhl, trinkt Tee, isst schüsselweise Nougatbits mit Milch, liest. Jungspunt gesundet allmählich. Ich habe den kompletten Tag Zeit, mein Sturm & Drang-Reklam zu bearbeiten. Abends gibt es vielleicht Glühwein.
Wir gewöhnen uns langsam an den Regen, der seit 3 Tagen auf so brutale Weise vom Himmel knallt, dass man nachts kaum einschlafen kann. Kerl hat 2 Kerzen für mich ins Fenster gestellt. Die Nachbarn von gegenüber werden denken, wir sind verrückt geworden: Kerzen im September. Im Fenster. Aber der winterlichen Schummrigkeit gerecht zu werden, ist nicht leicht und man ergreift alle Mittel: Winterzaubertee, Kerzen und Glühwein, Hauptsache alle werden wieder fröhlich. Diese Woche war kein Zuckerschlecken, echt nicht.