Mittwoch, Juli 30

Vier Jahre lang auf einer Küchenbank gesessen und geraucht.

Vier Jahre auf der Küchenbank gesessen, geraucht und einen angelacht, der mich nicht richtig lieben konnte.
Tatsächlich wie auf jener längst abgerissenen Küchenbank wie angewachsen dagesessen, jahrelang, dazwischen zur Trafik. Wege, die länger währten als zehn Minuten gemieden, einfach nur sitzen wollen. Und rauchen. Nicht nett gewesen, viel getratscht, gerichtet, verurteilt, gesucht, nach irgendeinem Inhalt. Dazu hundert neue Reclams.

Vier Jahre lang, unermüdlich.

Keine gerade Geschichte geschrieben, ein paar verwackelte Gedichte über Sehnsucht, aber wonach? Ich wusste gar nicht, was ich mag. Ich wusste nicht, dass ich das kann, was ich jetzt einfach tue. Einmal ist mein Weg sogar in diese Richtung gegangen, das war 2004. Bis die Professorin in die Runde fragt: „Wie viele Fremdsprachen sprechen Sie?“ Dabei zeigt sie mit den Fingern vor, wie viele das sein könnten. Eine ganze Hand rechts, zwei Finger links.

Das war die letzte Stunde, die ich besucht habe. Sie hatte meine Ehre gekränkt. Ich sprach gerade mal Englisch. Heute sage ich, ich gehe hinter den Ural und lerne russisch. Damals hätte ich nicht für möglich gehalten, jemals aus dem 9. Bezirk wegzuziehen, weg aus dieser studentischen Seifenblase, in der nichts existierte als ich selbst, die nächste Zigarette, blutroter Nagellack und jemand, der mich nie richtig liebte.
Ich dachte nicht, dass etwas aus mir würde. Dass ich bereits etwas war, wenn ich einfach darauf Acht gäbe, was es sein könnte.
Und währenddessen sind nur vier Jahre vergangen.

Und heute verurteile ich wieder Menschen, die jünger sind als ich damals und dennoch viel besser wissen, wer sie sind, was sie wollen und dass Nettsein vielleicht doch kein Arschloch ist.

Dienstag, Juli 29

Meine Wörter II

(!), ah, again, Amelie, Cousine, ärmster, brunch, Ätsch, BÜRSTE, curry, Austernpilz, da, falter, deppert, dh, Dialyse, einzu, direkt, doofi, es, ette, hader, gaksi, häschen, geil, gepasst, gewellte, inette, gouda, isabella, Grec, gulasch, laiberl, laktosefrei, Lasagne, kartoffeln, jault, jelenec, Jen, Kerstin, loggt, lola, jojo, kokosm, kotz, Juhu, juhu, m+ma, mädl, naschmarkt, Nici, number, rabi, scheiße, Scheiße, palatschinken, Panda, paralysiert, Paprika, pfannengemüse, sick, piercing, singh, Pires, pipi, Pizzeria, ronny, spacken, Spatz, spätzchen, prinat, Spinatsüppchen, Sponion, proviant, Prötsch, Rufst, süßer, PURKERSDORF, vergisst, thaler, today, tomatendosen, topfen, vorspeise, zahst, you, wow, zucchini, zufrieden, O.

Montag, Juli 28

Ich hab ja immer so ein schlechtes Gewissen, dass ich den Leuten unrecht täte und dass in Wirklichkeit alles Harmonie und überhaupt nicht Absicht wäre, nicht böse gemeint, das alles. Aber heute denke ich, ist meine Geduld ein bissl überstrapaziert, weil vielleicht bin ich manchmal, inzwischen zu nachgibig und lasse mir alles gefallen, was ich früher nie nicht getan hätte, zb. reicht es mir schon ein bisschen, inzwischen.
Also bitte, wenn ihr alle in meiner Wohnung wohnen wollt, zu dezenten Preisen, manche ganz umsonst, immer schön gesellig, ordentlich, mit 3sat und Abendbrot, immer Milch und Kaffee im Haus, und manchmal gibts sogar Vanilleeis mit Erdbeeren, ich koche euch meine gute Lasagne mit gewellten Blättern, leihe euch gerne meine abgestempelten Tickets, gehe samstags für euch einkaufen, wenn ihr vergesst, Milch & Brot fürs Frühstück (für 4 Personen) zu kaufen, all das gerne und mit Liebe und der richtigen politischen Einstellung, wirklich.
Also wenn ihr all das haben wollt, dann bitte haltet euch an die minimalen Regeln. Wer hier wohnt, muss nunmal die Wohnung putzen, muss einkaufen, abwaschen, zumindest beim Sonntagsputz (wenn er schon Montag abends gemacht werden muss) den Küchenboden putzen und den Biomüllkübel säubern, sollte mit triefend nasser Wäsche nicht das Vorhaus überfluten und wenn ihr mein Ticket leiht, dann zahlt bitte auch die Hälfte, nicht 1 Euro.
Danke, verbindlichst.

Freitag, Juli 25

Der Mann und ich fahren weg, bald.
Aber bis dahin: Besuch, Besuch, Arbeit, Lernen und ständig ein Essen für 8 Personen kochen, von denen drei nicht da sind, oder krank oder eine Küchenschabe finden, währen sie nachts nach Hause kommen und mich kreischend wecken. Dazwischen Unruhe und stapelweise Wäsche von Mädchen, die sich 10 Tage eingemietet haben, einfach so.
Und eines dieser Mädchen wird jetzt diesen Blog lesen wollen, weil der kleine Mann alles verraten hat, auch dass wir sowas überhaupt haben und dann fragt wieder jemand: Wer soll das eigentlich lesen und wozu überhaupt?
Langsam atmen, meine Liebe.
Während wir 27 werden, ihr Häuser baut und ich Reisen nach Russland plane, gibt es Nachwuchs, der mit 16 seine erste alleinige Großstadtreise unternimmt.
Das ist gut so.
Im meinem sechzehnten Sommer lag ich auf Rhodos, mit meinem ersten Freund, ja, das war der, der jetzt den Zivi nachholen muss. Damals war er knackige 20 Jahre alt, Pauschalreise, Verdacht auf Schwangerschaft wegen aufgeregter Zyklusverschiebung, 500 Schilling für einen überteuerten Schwangerschaftstest in einer griechischen Apotheke und zwei Urlaubstage wegen Krise verschwendet, danach wieder fleißig am Pool, weil wir zu blöd waren, um eine anständige Stelle Strand zu finden (fragen haben wir uns nix getraut). Der eine Kerl am Straßenrand in Richtung Altstadt ist mir noch im Ohr, der uns jeden Abend mit tiefer Stimme "Hello! Portrait?" nachrief.
Als ich so alt war oder damals, als wir noch auf Hausdächern pures Gras geraucht haben, das sagt man dann, mit 27 immer öfter und meint eigentlich: Gott sei dank bin ich erwachsen, god bless me.

Donnerstag, Juli 24

Ich habe in letzter Zeit völlig vergessen, Musik zu hören.
Meine WG erinnert mich, gottseidank und lautstark: Musik, wie damals, am Küchentisch, morgens, 16 Uhr, Kaffee, Glycerine & Zigaretten.
All das brauchen wir brauche ich heute nicht mehr, aber die Musik!
Beginnen wir mal damit, einfach so, brutal.

Mittwoch, Juli 23

Jobsuche in Irkutsk und Umgebung

Mann hat heute morgen, während ich unschuldig beim Gynäkologen aufm Stuhl klemme, beschlossen, hinter den Ural zu ziehen, gleich nächstes Sommersemester. Eh im Sommer! Temperatur im April: Minus 6 Grad Celsius. Entfernung: 4000 Kilometer und ein paar Zerquetschte. Kennt vielleicht jemand jemanden am Baikalsee, der unbedingt Deutsch lernen will, nächstes Sommersemester?

Donnerstag, Juli 17

Wir sind jetzt siebenundzwanzig, ist das zu fassen?! Und weißt du, wer nun doch seinen Zivi nachholen muss? Mit 31? Und ausgerechnet im Kinderheim?

(filed under: Die Wurzel seiner Werdung vergisst man nie.)

Sonntag, Juli 13

Der Mann & ich:
gestern nacht geschlagene 5 Stunden einen Urlaub nach schlussendlich Kroatien geplant und versucht (!) online zu buchen, nach ewigem hin- und her, ob nun per Rail&Fly noch eine Stadt mitgerissen wird, sich für Hamburg entschieden, versehentlich Dortmund gebucht, sich dem Schicksal ergeben (ich im Pott, ha), Dortmund wird schon wissen, warum es uns ruft.
Heute bis mittags im Bett geblieben, Mann macht Frühstück: Kaffee, Eierspeis, Lachs, Melonen, Erdbeeren, Ananassaft; danach Wohnung aufgeteilt: Mann putzt (wie immer) Küche, für mich bleibt Klo, Bad, Wohnzimmer, Vorhaus. Ich bin natürlich viel schneller, Mann beschwert sich, dass ich schon diesen Eintrag schreiben kann, während er noch den Müll runterträgt, Küche wischt, Spülbecken schrubbt.
Danach ein SMS von einem meiner hartnäckigst englischsprechenden Schüler: in deutsch. Erfolgserlebnis abgebucht unter: all der Stress zahlt sich aus, es lohnt!
Abends: Mann kocht Cannelloni, gefüllt mit Brokkoli.
Für all das gerne dem Mann ein ganzes Monat lang beim Fußballschauen beigesessen.

Donnerstag, Juli 10

[Aus der Reihe, wie cool ist Erwachsenenleben:]
heute mit der schwangeren T., die natürlich wie eine der Schwangeren aussieht, die wir alle beneiden, weil man von hinten gar nichts sieht und sich erst im Profil ein entzückender Bauch nebst wunderschönem Busen abzeichnet, auf dem Naschmarkt bei Mr. Lee (der übrigens vier Stände und 5 Gehminuten weiter eine Toilette besitzt, für die man einen Extraschlüssel braucht) Chicken Satay gegessen. Dazu schwangerensolidarisch Soda.

Dienstag, Juli 8

Sommers Laue, dazwischen auf einem Hippie-Festival im Osten Deutschlands gewesen, zum ersten Mal Osten, ja, unfassbar, und daheim gleich wieder erschrocken ob der familären Umstände, die einen sommers wie winters erstarren lassen und nachdenklich werden, während man voll Übelkeit verkehrt rum in einem ICE zwischen Nürnberg und Wien verkrampft im Sessel hockt und kleine pubertäre Mädchen bemitleidet, die sich nicht auf Toilette trauen, weil der Sog der Spülung sie einsaugen könnte. Gleich aufgegeben, eine ernsthafte Reisebeschreibung anzustreben, wäre eh nur um nackte Pimmel der FKKwütigen Ossis gegangen, die einen auch ein bissl erschrecken, wenn man, wie ich, aus dem Westen Österreichs kommt, wo sowas mehr als verpönt ist, schätze ich. Oder nur ich bin prüde und der Rest der Welt lacht sich eins.
Jetzt einen Monat Verantwortung für alles, dazu 6 Stunden Deutschkurs die Woche, eine halbleere, neu bevölkerte, frisch großgeputzte Wohnung, einen schlaftrunkenen Mann im Bett, eine ellenlange 2doListe angefertigt (darunter Wäscheflicken, was nie passieren wird), meine WG zu Sozialarbeit verdonnern wollen, und alles nur, weil mir grad einfällt, Sozialarbeit, freiwillige gut zu finden.
Das ist so, als ob man plötzlich rausfindet, man mag Müsli mit Joghurt zum Frühstück, oder Lachs und Ei, und es allen Honigbrotessern reindrücken will, dass das wundervoll sei.
Funktioniert nicht, is blöd.