Donnerstag, Juni 28

Zuviel Alliteration

Ein schweres Wetter hängt über Wien, Wolken, Wind, das alles. Wolf H. hat mal einen Artikel geschrieben, einfach darüber, wie windig Wien immer ist und warum. Ich glaube, es war in der Welt. In der Mitte ist der Ring und die Straßen laufen strahlenförmig davon weg, sodass das der Wind gut durchziehen kann. Eigentlich verrückt. Dass es in Wien immzu windet, stimmt, war mir aber bis zu jenem Artikel nicht als explizit wienspezifisch aufgefallen; wie man ja vieles nicht direkt wahrnimmt, bis es einem einer unverhofft ins Gesicht schreit. Anstatt an meiner eigenen Arbeit zu schreiben, lese ich Bücher über die Unabkömmlichkeit von Eiweißstoffen für unsere Dünndarmwände zum Beispiel, oder beginne nachts im Badezimmer Blumenau blöd zu finden, weil er Leute, die mir nicht unähnlich sind, gelangweilt aus der Leitung kickt. Einer hatte Event gesagt. Blumenau mag das Wort Event nicht. Aus Prinzip. Ich hingegen träume von französischen Fischerdörfern, eigenem Gemüseanbau und einer kleinen Miezekatze. Holt mich ab. Here i am.

Mittwoch, Juni 27

Katzenjammer, mittwochs.

Merke: Trinke nie wieder eine ganze Flasche Wein alleine.

Das ist das dümmste, was du seit langem getan hast. An alledem ist nur das kleine Fräulein Schuld. Wäre es mitgekommen, hätte es die andere Hälfte getrunken und ich könnte heute den neuen Falter lesen, lernen, Obst kleinschneiden, aufräumen. Stattdessen haben der Kerl und ich Tiefkühlpizza und Camemberts gebacken und uns kauend im Bett Happy Gilmore angesehen. Jetzt ist mein Kopf dusig und der Hefekäseklotz liegt mir so schwer im Magen, dass ich mich gleich wieder hinlegen muss.

Der Kerl findet den Tag hingegen toll. Er weigert sich, zu schwören, mir beim nächsten Mal die Flasche nach der Hälfte wegzunehmen. Es stimmt allerdings nicht, dass ich die Flasche gänzlich alleine getrunken habe. Während ich den anderen "Ein kleiner Schelm bist du" vorgesungen habe, hab ich sie versehentlich dreimal umgeworfen. Die Wiese hat also 3 kräftige Schlucke abbekommen. Der Kerl fand diese Szene herrlich.

Dienstage, oder so.

Ich habe am Margartengürtel während Dark Star eine ganze Flasche Rotwein getrunken. Allein. Das sind immer gute Gelegenheiten, zu sagen, dass der Schlonz am Badezimmerspiegel zu krass geworden ist und man eine schlechte Kindheit erlebt hat. Heute 12 Stunden gearbeitet, bei Daniel, einem guten Chef. Der Kerl hat sich in Französisch prüfen lassen, obwohl dazu gar keine Not tut und j² hat die weibliche Anatomie mit befriedigend bestanden.

Sonntag, Juni 24

Götz Widmann - Die Zaubersteuer

Ein Konzert, drei Generationen

Gestern konnte ich seltsame, aber schöne Dinge erleben. Zum einen bekam ich in dem verrauchten, verkifften Schuppen, in dem sich großteils Menschen befanden, die an die 10 Jahre jünger waren als ich, fast keine Luft. Das ist ein gutes Zeichen, es bedeutet, meine Lungen haben sich bereits an die vermehrte Sauerstoffzufuhr gewöhnt. Ich musste zwischendurch rausgehen, verdammt uncool.

Aber das war ich sowieso, weil diese Rastakinder so abartig verratzt waren, dass ich es nun wirklich eklig fand und froh war, dass ich 10 Jahre älter bin und mir nie "Ohrstecker" auf die Innenseite meines Unterarmes stechen lassen habe. Rastakinder soll man ja eigentlich cool finden und Respekt vor ihnen haben. Aber sie habens mir echt schwer gemacht.

Die eine z.B., mit den blutverkrusteten Steckern im Arm, die mich fast verprügelt hätte. Man konnte sie knapp dazu bringen, es auf später zu verschieben, aber sie blickte stets fies zu mir nach hinten, bis sie ihren Groll gegen mich im Suff vergaß. Später traf ich sie draußen - wir beide beim Luftschnappen, sie lächelte und erkannte mich wohl nicht wieder.

Dabei war ich so stolz auf mich, dass ich zu ihrem lang- und fetthaarigen Freund gesagt hatte, er solle die Fresse halten und nicht lauthals telefonieren, während das Konzert vorne läuft. Sowas trau ich mich sonst nie und man soll das ja üben. Die Freundin von t hat mir später dazu gratuliert und mir versichert, sie hätte mich im Fall der Fälle vor der Unterarmschlampe beschützt.

Der bebrillte* Sänger hat solang was von Badmülleimern erzählt und dass man sich Expartner beim Kacken vorstellen solle, dann käme man besser drüber hinweg. Bisschen fragwürdige Theorie, aber j² hat sie jedenfalls erheitert. Ich fand nämlich, dass Kacken der Liebe überhaupt keinen Abbruch tut. Wer echten Liebeskummer erleidet, empfindet diesen Rat als bloßen Hohn.

Vor mir stand dann einer, der das Wort Badmülleimer (das ja nun wirklich kein Österreicher verwenden würde, außer sagen wir mal, meine Tante, die auch immer Tisch-Set statt "Dackerl" gesagt hat, weil das selbstredend vornehmer klingt) nicht verstanden hatte: "Was ist ein Barmülleimer?" Selbst nach 3maliger Wiederholung des Wortes B-a-d-m-ü-l-l-e-i-m-e-r kam ihm keine Erleuchtung, bis einer "Müstkübi" in sein Ohr schrie. Klickste, lächelte.

k war ziemlich betrunken. Sie sah sich auf dieser Veranstaltung unweigerlich mit ihrem Jugend-Ich konfrontiert. Das muss ziemlich flashig gewesen sein, ständig stand sie mit Glitzeraugen da und sagte entsetzte Sätze wie: "Genauso war ich früher auch." - "Wenn mein damaliges Ich mich jetzt sehen könnte, es würde mich schlagen."

Was denkt das damalige Ich eigentlich? Dass wir ewig verratzt rumlaufen können und uns einen Dreck um Verantwortung und Konsequenzen scheren? Denkt es, dass es mit dieser Einstellung ewig leben WILL? Ja, ich weiß, dass Depressionen und Zigaretten zum Frühstück eine Zeit lang ziemlich schick sind. Ein jeder sollte das eine Weile zelebrieren, ich habe das zur Genüge getan.

Selbstmitleid, Gesellschaftshass, miserable Ernährung, die bei mir etwa aus 2 Semmerl mit dick Streichwurst morgens um 7 nach einer durchgequalmten Nacht bestand. Durchgemacht, geheult, geredet, geraucht, sträflicherweise den besten Freund geküsst, weil grad kein andrer da war. Dinge, die man mit 26 nicht mehr bringen kann und will. Vom zerquetschten Schwein auf Semmeln ganz zu schweigen.

Man tut diese Dinge, damit man später nicht bereut, sie nie getan zu haben, auch wenn sie total freaky und entbehrlich sind. Götz Widmann jedenfalls ist 41 und man merkt ihm das Reiferwerden schon ein bisschen an. Gottseidank, sonst hätt ich mir auch ernsthaft Sorgen gemacht, wenn einer mit 41 ausschließlich das Ficken-Saufen-Kiffen-Stoiberhassen besingt. Wie k's Verflossener stets zitierte: "Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 noch Kommunist ist, hat kein Hirn."


*k fand das komisch. Saucoole Sänger mit Kiffertexten tragen bei Konzerten keine Brillen. Auch kein Bierbäuchlein, aber das war dann meine Meinung.

Samstag, Juni 23

Stand der Dinge

Heute 9 Stunden an der Uni gewesen und 9 Referate abgehört, plus Bewertung. Einen 2er auf Parzival bekommen, neben 2en Pause gemacht, die sich zur Blockveranstaltung eine NÖM-Tiefkühltasche bepackt mit Essen für 3 Tage mitgebracht hatten. Ich saß daneben und aß meinen Obstsalat aus Tupperware. Hier drin gibt es jetzt grad die english-phase und die entsprechende Stimmung zum Tage. Grad z.B. "blank", weil mein Kopf leer ist. 9 Stunden Parzival! Aber jetzt gibt's erstmal Zwiebelkuchen und danach Götz Widmann. Donauinselfest sucks!

Donnerstag, Juni 21

David Lynch hatn Knall

Ich weiß, dass das keinen Zusammenhang hat, aber ich bin von der Sorte gutes, pralles Leben. Man kann es gut haben. Depressionen, Zigaretten zum Frühstück & Tocotronic war gestern. Das Leben ist nicht böse, man muss sich das nur mal überlegen. Dann nicken. Morgens Orangensaft, der Rest kommt von allein. Als Anweisung zum Glücklichsein empfehle ich noch folgende Dinge: eine Riesenschüssel mit Erdbeer-, Bananen-, Kiwi-, Birnen-, Haferflocken- und Walnussstückchen, gemischt mit Joghurt und Honig; Manu Chao; Abwaschen und zwar mit Liebe; Blumengießen; Rotwein; Kresseanpflanzen; und falls ihr Locken habt: Frizz-Ease. Traumlocken. Ringel Spray. Macht sexy Kringel, an denen man dann immer herumzwirbeln und seine Mitmenschen damit wahnsinnig machen kann. Oder falls ihr, wie ich, mal Callcenter-Agent wart: lest hier, dass Karma funktioniert. Es gibt sie, die Rache. Wenn ihr dann richtig glücklich seid, verkraftet ihr sogar den neuen David Lynch Film.

Konzentration!

An dieser Arbeit sitzend, juckt es mich alle 5 Zeilen, selbst Texte zu schreiben. Es ist kaum auszuhalten, was für ein Inspirationsschub von diesem Thema auszustrahlen scheint. Ständig schweifen meine Gedanken ab und denken Existentielles. Dieser Blog ist für mich wie ein Kratzbaum, an dem ich dieses Jucken abstellen kann. Mit dem Rücken daran reiben, bis es aufhört.

Sonntag, Juni 17

Zukunft, Ziele, Zaudern oder böse Wörter mit Z

Ja, ich schreibe wieder an meiner Diplomarbeit weiter. Die letzte intensive Phase hatte ich im Januar. Das ist schon eine Weile her. Gestern, als ich bis nachts um 2 Thomas Glavinic's Wie man leben soll gelesen habe, schrak ich während der Geschichte dieses ziellosen, taxifahrenden, kiffenden, gescheiterten Kunstgeschichtestudenten auf und fragte mich plötzlich: "Mädchen, was hast du seit Januar gemacht??"

Für jemand wie mich sollte es ja die allereinzige Aufgabe sein, an dieser Arbeit zu sitzen und sonst gar nichts! Tja, was habe ich gemacht? Ich danke Thomas Glavinic, dass er endlich eine Geschichte geschrieben hat, wie das Leben wirklich ist. Ich kenne tatsächlich Männer, die am Leben genauso verzweifeln wie Karl Kolostrum. Wenn die wüssten, dass ein 1:1-Buch über sie geschrieben worden wäre, wäre der Kummer vielleicht halb so schlimm.

Es gibt wohl sehr viele Menschen, die 40, 50, sogar 60 Stunden die Woche einer geregelten Arbeit nachgehen. Das sind die, die "mit festen Beinen im Leben stehen". Man fragt solche Menschen nie, was sie seit Januar gemacht haben. Man weiß es ja; an einer Kassa gestanden und kassiert; in einem Büro gesessen und, ähm ja. Was genau die tun, weiß man dann doch nicht. Aber man kennt ja die Anwesenheitspflicht. Büro, 8 - 5. Da fährt der Zug drüber. Einer solchen Anwesenheitspflicht unterliege ich nicht (bloß montags von 14.45-16.15) und daher ist es immer wieder ein Ringen mit mir selbst, dass ich mein Leben nicht wertloser finde, als das büroschierender Mitmenschen. Das ewige Sich-Rechtfertigen vor anderen ist uns massiv anerzogen; man hat fast keine Chance dagegen.

Ich selbst weiß ganz genau, was ich in diesen Monaten wirklich gemacht habe. Sie gehören zu den schönsten meines bisherigen Daseins. Ich meine damit nicht, gekellnert oder Parzival durchgearbeitet; Ich meine was viel Besseres. Aber versuch' mal, innere Erkenntnis im Lebenslauf einzufügen. So was ist schlicht unmöglich. Soll ich anführen: Das Rauchen aufgegeben! Oder: Finanziell unabhängig geworden! Oder: Mit sich und der Welt klargekommen! Oder: Wichtige Arzttermine vereinbart! Oder: Sich von seiner ehem. besten Freundin getrennt! Oder das beste überhaupt: Geliebt!

Wie absurd.

Und doch sind es diese Dinge, die ein Extrablatt verdienen würden. Ich hasse ja Vorstellungsgespräche und die in der Wirtschaft üblichen Methoden im Allgemeinen. Wenn ich jemand auf der Straße mit einer Bluse und einem Rockerl zur Arbeit gehen sehe, denke ich: Hoffentlich gibt mir jemand mal einen schönen Job in einer Buchhandlung mit angeschlossenem Esoterik-Shop. Da zöge es das Glück sicher stärker hin, als in ein klimatisiertes Büro in einem dieser Glashäuser am Stadtrand.

Samstag, Juni 16

Danke, Professor Altmann!

Wie langweilig. Heute. Ein nur englisch und finnisch sprechender Finne sitzt im Wohnzimmer und alle wollen mich zwingen, falsche englische Sätze zu sagen. Ich trau mich aber nur richtige zu sagen, und die, von denen ich 100% überzeugt bin, dass sie stimmen, sind denkbar einfach gestrickt. You know. Kann man sich nicht so tiefsinnig unterhalten damit. Meinem fahrlässigen Englischprofessor war es einfach scheißegal, dass ich nie Vokabeln gelernt habe. Er hat es nicht verstanden, uns klar zu machen, dass man das Zeug tatsächlich mal braucht. Gut, daheim in der Pampa würd ich mit dem Wortschatz auch auskommen.

Als ich vorhin auf der Flucht vor peinlichen Gesprächen im Wohnzimmer auf der Toilette Tetris spielte, musste ich kurz leiser drehen, um die Nachbarin über uns zu belauschen, die sich gerade von Frau zu Frau mit ihrer slawischen Putzfrau (Ilona) unterhielt. Ihr Ton war zwar ein besserer als der einer Amelie Gilmore, aber von oben herab kam er trotzdem. Unweigerlich! Ich kam tonlos tretrisspielend zu dem Entschluss, es bescheuert zu finden, eine Putzfrau zu engagieren, die einem, nur weil sie finanziell schlechter gestellt ist, den ureigenen Dreck hinterher putzen muss. Mir wär das unangenehm. Meine Freundin th putzt auch; aber in einem Fotostudio, da find ich es okay. Das ist Allgemeindreck. Klar, ich würd auch putzen gehen, um Geld zu verdienen; ich mag putzen sogar. Aber eine Putzfrau anzustellen - da müsste ich schon einen Palast besitzen, der so groß wäre, dass ich allein eine 40 Stunden-Putzwoche hätte, wenn ich niemand anstellte.

Der Kerl und ich müssen den Neuseelandplan unbedingt in die Tat umsetzen, sonst hört dieses IchkannkeinEnglisch-Gejammer nie auf. Dann kann ich dort als kindergardenteacher arbeiten, einen Neuseelandblog schreiben (auf englisch) und mein morgendlicher Kiwi muss nicht mehr so weit eingeflogen werden.

Freitag, Juni 15

Wir wollten eigentlich in den Zoo, aber dann kam Regen

Ich bin froh, dass ich nicht an der Triesterstraße beim OBI wohne, sonst müsste ich ständig hingehen, um verrückte Dinge zu kaufen, die mein Leben verschönern. Dort gibt es so tolle Dinge; ich verstehe, wie manche Leute jedes Wochenende darin verbringen können, um ein Leben gemütlicher einzurichten, das sie dann doch nicht genießen können, weil sie immerzu handwerkeln müssen. Der Kerl und ich haben uns heute immerhin auf einen neuen Rosshaarbesen, ein halbes Kilo Spachtelmasse, 1 Abwaschsieb, 1 Plastikding, mit dem man den Duschhahn reparieren kann (um nur 1,69 rettet man einen tropfenden Wasserhahn!) und ein Paket Kressesamen beschränkt. Ferngehalten habe ich mich von den Blumenkistchen, der abwischbaren Wandfarbe (was praktisch für hinter dem Mistkübel in der Küche wäre) und all den vielversprechenden Dingen aus Microfaser. Aber zur Triesterstraße ist es nicht allzuweit, ein Stück mit der 6er und schwupp steht man drin, im staubigen Paradies (alles total verratzt, ich hatte es mir im hübsch-sterilen Flair eines IKEAs vorgestellt). Männerzeugs rechts, Frauenzeugs links; das ist alles schön aufgeteilt.

Und draußen werden Hähnchen gebraten und Leberkäse mit Käsesprenkel warmgehalten. Dieses Geschäft hat mich irgendwie angefixt. Ich muss da jetzt öfter hin.

Donnerstag, Juni 14

So nova, so gut.

Ich bereue nicht, dass ich niemals ein Festival besucht habe. Die 5 Hasen haben heute morgen die Zivilisation verlassen, bepackt mit literweise Billigschnaps, kiloweise Essen, etwas Kleidung (nicht mal Gummistiefel!), etlichen Packungen Zigaretten und Hofer-Colaflaschen, die ohnehin bei der Hitze nicht trinkbar sind (oder trinken sie das dennoch?). Die Taschen waren so schwer, dass sie sich trotz der kurzen Distanz ein Taxi zum Bahnhof nehmen mussten.

Währenddessen sitze ich hier bei meinem Project Dictionary und lasse mich von einem Soldaten bekochen, der Putenschnitzel klopft. Mittags. Ich glaube, Soldaten sind gewohnt, mittags Essen zu fassen. Weil ich hab noch gar keinen Hunger. Aber ich werde alles artig aufessen, nachdem das kleine Großmaul, das gestern hier war, meine "suppige" Lasagne verschmäht hat. Jemand der Lasagne verschmäht, gehört in den Keller gesperrt!

Mittwoch, Juni 13

Karma, Brokkoli, Altwerden & das alles ohne Tschick

Zu gegebenem Anlass möchte ich hier kurz mal, in hochanständiger Form, ein Gedenken an ein Mädchen aussprechen, das ich früher immer verteufelt, verachtet und verspottet habe. Ich nannte sie Brokkolitussi (insgeheim natürlich, aber bestimmt hat sies über ein paar Ecken doch erfahren). Ich hasste sie besonders deshalb, weil sie a) nicht geraucht hat, b) jeden zweiten Tag (morgens!) laufen gegangen ist, c) sich von nährstoffreichem Essen ernährt hat, d) sehr schlank war und e) bereits morgens um 10 die erste Lernphase hinter sich hatte. Gut, dafür hatte sie keinen Freund. Sie schien trotzdem nicht unglücklich zu sein.

All diese Dinge empfand ich als äußert uncool und stempelte die Menschen, die sich damit auseinandersetzten als Gefangene des Gesundheitwahns, Sportfanatiker und Ökoschlampen ab und stopfte sie fein säuberlich in Schubladen. Aber wenn man sich das überlegt, ist dieses Verhalten äußerst seltsam. Wir bleiben nämlich nicht für immer 25. Ich weiß das, ich war gestern bei meiner Großmutter auf Besuch. Ich hatte aufgrund ihrer generationsübergreifenden Erzählungen den Eindruck, der Sprung von 25 auf 40 geht sehr schnell. Genauso von 40 auf 65. Als ich geboren wurde, war meine Oma erst 41 Jahre alt. Das ist ja kein Alter, aber jetzt lebt sie allein mit ihrer frechen Miezekatze und das Leben wird für sie zusehens beschwerlicher. Ich glaube, sie leidet unter Schlaflosigkeit, langweilt sich allein, findet es aber zu stressig, sich einen Freund zum Reden zu suchen.

Aber wir kleinen Hupfer sehen dem Älterwerden respektlos entgegen. Es ist in diesigen Kreisen gesellschaftlich 100mal anerkannter, täglich 12 Joints zu bauen, als Vegetarier zu werden oder mit dem Rauchen aufzuhören. Ich glaube, wir sind total verrückt: Wir kiffen, wir rauchen, wir schütten jeden Tag Kaffee und Alkohol in uns rein, essen Dinge aus Südafrika und Chile, und sehen es als Belohnung an, wenn wir uns einmal McDonalds gönnen (obwohl uns hinterher schlecht ist und satt sind wir auch nicht geworden). Wir denken keinen Deut an Morgen. Wir kapieren nicht mal, dass sich eine andere Lebensweise direkt auf jeden einzelnen jetzigen Tag auswirken könnte. Weil nach Lola gibt es nichtmal ein Morgen, es gibt immer nur hier und jetzt.

Lol²a lächelt. Ich muss nachlesen, was dies alles bedeutet.

Montag, Juni 11

Hurra, ich rauche nicht mehr!

Ich hab ziemlich viel Geschirrschlepperei hinter mir, letzte Woche gefühlte 1000 Stunden, in echt 30, aber es hat Spaß gemacht, ich konnte massig Obst und Kuchen nach Hause karren und das Rauchen hat mir, trotz Stress oder Langeweile, kurzen Nächten & vielen Versuchungen (gemma Rauchen? = Pause), gar nicht gefehlt. Ein bisschen enttäuscht war ich von meinen Mitmenschen, dass sich sich fast gar nicht für mich freuen, sondern die Sache eher missbilligend aufnehmen. Oder sie glauben mir nicht, dass ich das schaffe. Aber das macht nichts, ich war früher genauso. Ich danke k, dass sie mir einen Anstoß gegeben hat, dies durchzuziehen. Während der vielen Ubahnfahrten konnte ich dann ein Buch über gesunde Ernährung lesen, man glaubt gar nicht, wieviel gelesene Weisheit zwischen Margaretengürtel und Praterstern passt und man erspart sich die Ubahnzeitung.

Jetzt pack ich meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg nach Hause, das liebe Schwesterlein feiert heute ihre Matura und da sitzt man dann gemütlich bei einem teuren Essen dabei und gratuliert. Die Mama hat die Spendierhosen an und ich krieg das Zugticket retour, also fahr ich hin. J²'s Laptop im Gepäck, im Zug sitzen, Ernährungsweisheiten, niederösterreichische Landschaft; mehr braucht der Mensch nicht. Außerdem ist Montag und die Züge sind mittags hoffentlich leer. Treffe zwischen Zugfahrt und Familienfeier noch kurz st, der mit mir über gesamtheitliche Heilmethoden reden will. Diese Welt ist toll, weil wir uns von einem platonisch verliebten Pubertätspärchen zu ernsthaften, liebevollen gfernsten, aber liebevollen Gesprächspartnern entwickelt haben. Es ist der einzige, der übrig ist, und den ich von ganzem Herzen mag. Und auch immer gemocht habe.

Donnerstag, Juni 7

Ein Gedenktag

Meine tolle WG, zumindest der Teil, der sich zugehörig fühlt, hat soeben mit hervorragendem, sizilianischen Rotwein auf mich angestoßen, weil ich mir (nach dem phänomenalsten Kartoffelbrokkoliauflau meines Lebens) die letztes Zigarette meines Lebens angezündet habe. Ich bin jetzt Nichtraucher!

Mittwoch, Juni 6

Kehrseiten

Der Kerl ist erstmals richtig krank und k liegt vermutlich gerade glückselig und bikininackend im Burgenland auf thermalen Strandpritschen rum (Cocktails, strammer Soldat und das alles), und deshalb wird der Großputz abgeblasen. Also vielleicht im wahrsten Sinne. Nun denn, das wirbelt keinen Staub auf, denn der Staub in dieser Wohnung krustet bereits, vorallem im Gewürzregal. Großputz, mein Großputz, du musst auf mich warten. Ich bin traurig und glücklich zugleich darüber. Denn das alles ergibt für mich zusätzlich zu k's Wohlergehen, welches unbestreitbar der wichtigste Punkt sein muss, einen freigemachten Tag, an dem ich mich weniger mit thermalen Cocktailsbars und mehr mit der Motiviation österr. Sprichwörter beschäftigen darf. Alles zu seiner Zeit! Aber eins soll noch gesagt werden: Der Mann hinter der Wand kocht mir morgen Brokkoli-Kartoffelauflauf und alle die nicht da sind, verpassen etwas! Vermutlich kann jedoch kein Kartoffelauflauf der Welt ein Knutschwochenende in heißem Wasser aufwiegen. Nein, ich sehe das ein. Oh Mann, der mit Liebe und Plüsch bewaffnete Soldat klaut uns das kleine Mädchen! Ich sehe es erst am 16. Juni wieder! Naja, er hat Liebe und Plüsch (ich hab jedoch mehr Haare am Kopf, zählt das?), und was haben wir? Dreck unter der Spüle, Dreck hinterm Kühlschrank, Dreck hinterm Ofen. Nene, damit kriegt man kein kleines Mädchen aus dem Wohlfühlparadies zurück in die krustenschrubbende Sklaverei. Und so muss sich sich wenigstens nicht mit dem Mann hinter dem Wohnzimmer herumärgern. Der Affe hat Spaghetti gekocht und im einzigsten Sieb, das wir besitzen, lagen schon Salatblätter vom Vortag rum. Der Typ hat allen Ernstes die Spaghetti abgeseiht und die Salatblätter wieder zurück ins dreckige Sieb drapiert. Er denkt, wir merken sowas nicht.

Nachtrag: Eben ruft mich ein besorgt klingender Wurm an und bittet um Aufklärung wegen seines verschollenen Fortsatzes. Kleines Mädchen, das ist fahrlässig!

Montag, Juni 4

Soldaten, Kuchen & Kaffee

Tja, morgen ist es für k soweit. Das kleine Mädchen bekommt Besuch, mitsamt Entführung werweißwohin, vom großen Soldaten. Bei mir wars damals kein Soldat, nein, viel eher ein umweltschützender Bombenleger, und die Entführung sah eher so aus, dass wir - anstatt in ein Hotel - in mein mikriges, kleines, aber sehr extravagant herausgeputztes Studentenheimzimmer verschwunden sind, um die herrlichsten Küsse auszutauschen. Der Soldat ist älter und ein viel ärgeres Kaliber, obwohl ich den Umweltschützer damals schon sehr tricky fand. Beide schreiben sie Briefe, aber der Soldat schreibt täglich mehrere Emails, die so lang sind, dass man scrollen muss. Da fällt mir ein, was scrolla auf Schwedisch heißt, nana. Halt die Klappe, Fräulein, die Sache mit dem Soldaten ist glaub wirklich ernst.

Er will herkommen und standesgemäß bei Kuchen und Kaffee vorstellig werden. Tatsächlich! Und er will, dass wir unseren Großputz gegen seinerseitiges Knutschen eintauschen. Niemals, Kerlchen! Aber naja, vielleicht sollten wir den Tag doch verschieben, wenn der Kerl erst im Herbst aus dem "Krieg" zurückkehrt (wo halt grad alle österr. Soldaten ihren Auslandsaufenthalt absolvieren, ihr wisst schon). Schmusen macht glücklich, das hat schon die Kleine auf l's Party wieder und wieder festgestellt und der neue Kronenzeitungsreport meint ja, je besser der anfängliche Sex, desto mehr Chance habe eine spätere Ehe auf Halt, Ausdauer und Pensionsantritt. Ich gönn jedem eine gute Knutscherei. Jedem! Ich hoffe nur, der Kerl bringts! Er muss sehr von sich überzeugt sein. Er weiß, dass es gut ist; er ist sehr selbstbewusst. Das ist ein sehr gutes Zeichen! Der Bombenleger war genauso - und er sollte Recht behalten. Solche Kerle sind einfach ganze Männer. Sie lassen keinen Zweifel zu und sie können 'Ich liebe Dich' sagen und stehen dazu. Anfangs sagen sie vielleicht noch 'Ich hab dich lieb', aber ich sags dir, kleines Mädchen, nicht kotzen, wenn er mal den echten Satz sagt. Solche Kerle sagen das und sie meinen es so. Freu dich! Das wird toll! (Kommt der Typ eigentlich in Uniform? Kannst du ihn darum bitten?)

Sonntag, Juni 3

Anfangsstadium Nichtraucher nach Allen Carr


Nun gut, ich bin auf Seite 77 und hier steht:

"Schreiben Sie Ihre persönliche Erklärung. Fragen Sie sich dazu zum Beispiel: Was, glaube ich, bringt mir das Rauchen? Warum rauche ich? Warum will ich damit aufhören?"
Ehrlich gesagt:

1. Was mir das Rauchen bringt:
  • Ich komme besser durch schwierige, emotionale, aufregende, persönliche, mir wichtige Gespräche, wenn ich Zigaretten bei der Hand habe und mir eine nach der anderen anzünde. Wenn ich eine Zigarette rauche, kann ich besser nachdenken und mich präziser artikulieren. Jedes intime Gespräch wird durch Zigaretten einfacher, weil ich mich an etwas halten kann, ich zünde mir Zigaretten an, inhaliere bedeutungsschwanger, puste den Rauch vielsagend von mir, drücke den Zigarettenstummel nachdenklich aus (um z.B. eine Pause zu gewinnen, peinliche Momente zu überwinden, usf.)
  • Ich bringe langweilige Momente, wartende Situationen mit einem Ritual rum, das mindestens 10 Minuten dauert. Ich kann Pausen erhaschen, indem ich rauche. Was täte ich in der Zeit sonst?
  • Ich kann jemand, mit dem ich reden will, bitten, mit mir eine Zigarette zu rauchen. Bei der Gelegenheit kann ich Themen anschneiden, die ich sonst schwerer anbringen könnte.
  • Ich belohne mich mit einer Zigarette, wenn ich lange bei einer Arbeit gesessen bin. Ich bin entspannter, wenn ich während des Arbeitens Rauchpausen machen darf.
  • Das Rauchen bringt mir also Entspannung, Ruhe, Erholung, Gesprächssituationen, Tätigkeit in langweiligen Situationen, Ablenkung von peinlichen Situationen, Stressresistenz.
  • Am Wichtigsten scheint für mich die Zigarette zum Gespräch zu sein.
2. Warum ich rauche:
Ich rauche, weil ich abhängig bin.

3. Warum ich aufhören will:
Ich will gesünder leben und nicht frühzeitig an Krebs sterben. Ich möchte nicht erst mit Rauchen aufhören, wenn ich mal schwanger werde. Ich möchte unabhängig sein und das Geld für gesunde Ernährung, Schuhe und Serien-DVDs ausgeben.

Samstag, Juni 2

Freunde der Nacht

Es ist alles vorbereitet, wir haben ein Partytermin auf die Beine gestellt, ein Budget, dessen Rahmen wir selbstverständlich gesprengt haben, um hernach ein bisschen reumütig eine Partyspendenkasse zu basteln. Aber nichts desto trotz sind wir bereit, 1,5 Meter hohe Bierpaletten warten auf Komamutige, 6 Stamperl stehen für Auserkorene im Wandschrank, mit einer Flasche Honigschnäpsle aus dem Schwabenland nebendran und werden zu jeder vollen Stunde aufgefüllt. 2 riesige Schüsseln Erdäpfelkäse stehen im Kühlschrank, voll schaumigster Sahne und Pfefferkörnern, dazu 12 Packungen Brot. Die Flügeltüren stehen offen, Käsespätzle im Ofen. Das Spiel kann beginnen...