Mittwoch, Oktober 31

Die 13 Tugenden des Benjamin Franklin (1706 - 1790)

'Von früher Kindheit an eignete er sich einen immensen Wissensfundus durch intensive Lektüre geistlicher und allgemeinbildender Literatur autodidaktisch an. Franklin kultivierte seinen Charakter mit Hilfe einer Liste von 13 Tugenden, die er im Alter von 20 Jahren entwickelte und Zeit seines Lebens anwandte. In seiner Autobiografie fasst er die 13 Tugenden wie folgt zusammen:

  1. Enthaltsamkeit - Iss nicht bis zum Stumpfsinn, trink nicht bis zur Berauschung.
  2. Schweigen - Sprich nur, was anderen oder dir selbst nützen kann; vermeide unbedeutende Unterhaltung.
  3. Ordnung - Lass jedes Ding seine Stelle und jeden Teil deines Geschäfts seine Zeit haben.
  4. Entschlossenheit - Nimm dir vor, durchzuführen, was du musst; vollführe unfehlbar, was du dir vornimmst.
  5. Sparsamkeit - Mache keine Ausgabe, als um anderen oder dir selbst Gutes zu tun; das heißt: vergeude nichts.
  6. Fleiß - Verliere keine Zeit; sei immer mit etwas Nützlichem beschäftigt; entsage aller unnützen Tätigkeit.
  7. Aufrichtigkeit - Bediene dich keiner schädlichen Täuschung; denke unschuldig und gerecht, und wenn du sprichst, so sprich danach.
  8. Gerechtigkeit - Schade niemandem, indem du ihm unrecht tust oder die Wohltaten unterlässt, die deine Pflichten sind.
  9. Mäßigung - Vermeide Extreme; hüte dich, Beleidigungen so übel aufzunehmen, wie sie es nach deinem Dafürhalten verdienen.
  10. Reinlichkeit - Dulde keine Unsauberkeit am Körper, an Kleidern oder in der Wohnung.
  11. Gemütsruhe - Beunruhige dich nicht über Kleinigkeiten oder über gewöhnliche oder unvermeidliche Unglücksfälle.
  12. Keuschheit - Übe geschlechtlichen Umgang selten, nur um der Gesundheit oder der Nachkommenschaft willen, niemals bis zur Stumpfheit, Schwäche oder zur Schädigung deines eigenen oder fremden Seelenfriedens oder guten Rufes.
  13. Demut - Ahme Jesus und Sokrates nach.'

Welche der 13 sind heute noch in Anwendung?

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zitiert nach wikipiki.

Dienstag, Oktober 30

27 Tage noch

Wenn alles gut geht und mein zweiter Professor sich nicht querlegt, findet meine alles entscheidende, abschließende, wundervoll befreiende Prüfung am letzten Montag im November statt.
Inzwischen ist das zeitweise Herzklopfen in ein ständiges Dauergefühl der Hysterie übergegangen, das sich nur bekämpfen lässt, indem ich acht Stunden täglich versuche, mir den Lernstoff in die Hirnrinden zu brennen (gestern eine zu hohe Dosis Grey’s Anatomy).
Das habe ich jetzt 8 Tage in Folge, ohne Pause, gemacht. In diese acht Tage habe ich die komplette Literaturgeschichte des Hochmittelalters plus Analysetexte zum Parzival, inklusive Zusammenfassungen, Übersichtsblätter und Wiederholung der Grammatik gequetscht. Jetzt kann ich nicht mehr.
Gestern Abend im Bus wie eine Miezekatze aus dem Fenster gestarrt, ohne zu registrieren, dass die Frau neben mir am Telefon erzählte, dass sie ihre Schwiegermutter mit zu sich nach Hause nehmen müsse, weil diese sonst heute nacht stürbe, aus Einsamkeit. Die habe nämlich mit ihrem Leben abgeschlossen. Solchen Geschichten lausche ich normalerweise mit einer gewissen Anteilnahme.
Meine Gedanken aber kreisen nur noch um Parzival und seine Heldentaten, während es mir egal geworden ist, wie unsere Wohnung aussieht, wer abwäscht, wer kocht, wie meine Haare aussehen.
Da ich nun aufgehört habe, zu delegieren, haben meine Mitbewohner endlich die Chance zu WG-organisatorischen Höchstformen aufzulaufen. k beginnt tatsächlich, das zu tun, was man in etwa Kochen nennen darf. Gestern gab es Omelette! Heute Abend will sie uns mit ihrem neuen Freund (!) etwas servieren, indem sich allen Ernstes Kichererbsen und Süßkartoffeln befinden. (Ist es nicht unglaublich?) Ich bin sehr stolz auf sie, auch darauf.
Jedenfalls hab ich heute frei. Muss sein. Mitten unter der Woche. Man weiß ja gar nicht, was man mit dem ganzen Tag anfangen soll! Putzen? Der Kerl ist solang zur Uni gegangen und schreibt eine Prüfung darüber, wie man Wasser misst. Es gibt viele Wege, Wasser zu messen, glaubt mir, ich hab sein Skriptum gesehen. Danach läuft er in die Videothek (die langsam keine Filme mehr hat, die wir nicht gesehen hätten und ihre Weihnachtsfeier, selbst wenn sie ins Puff nebendran ginge, allein von unseren Ausleihgebühren bezahlen könnte) und holt King Arthur. Kerl will die Schlachten sehen, um sich nach der Prüfung zu entspannen (!), während ich eher an der Sage im Urzustand interessiert bin. Leider ist dieser Film offenbar total daneben gegangen, wenn man den Kritiken Glauben schenken will; ich muss versuchen, ihm einen anderen Film einzureden (Robin Hood?).

Offenbar ist es wahr: Wir lernen oder wir schauen Filme. Das ist es, woraus unser Leben derzeit besteht. Darf man tagsüber Rotwein trinken?


Sonntag, Oktober 28

Ein Stück Berliner Alltag

Gestern Abend. Ein Samstag sieht ja derzeit so aus, dass ich meine acht Stunden mittelalterliche Literaturgeschichte voll kriege, maßlos beeindruckt vom Einfluss der Schwaben damals zurück bleibe, kurz Luft schnappe, das Riesenchaos in der Küche beseitige, nachdem der Kerl ein phänomenales Abendessen (selbstgemachtes ecuadorianisches Salsa, Himmel & Erde, echte Bratwürste vom Naschmarktstand, allerletzte Reihe, hinten) kunstvoll gefertigt hatte, nachdem ich alles fertig abgewaschen und die Küche gestriegelt habe, bemerke, dass mir das kleine Mädchen doch nicht alle Teller und Pfannen aus dem Wohnzimmer rüber getragen hat (noch verwunderter bin ich über die Menge der Töpfe und Pfannen, die der Kerl so benötigt), weiterspüle, Kerl läuft so lang in die Videothek, ich dusche. Nachdem dann endlich alles gerichtet ist, Fernseher in unser Zimmer geschoben, Tee gekocht, Haare gewaschen und mit Lockenspray eingesprüht: Sommer vorm Balkon. Genau das Richtige, am Tag der Zeitumstellung gen Winter. Denken wir noch.

Dann aber: Kerl und ich sitzen ob der Geschichte ungläubig, aufrecht im Bett (ich vor allem deshalb, weil ich mich mit nassen Haaren nicht hinlegen darf, das würde ich anderntags bereuen, mit Locken ist nicht zu spaßen!) und können kaum fassen, wie wahr/echt/=unsagbar traurig dieser Film daherkommt. All das in Berlin, funktioniert aber genausogut in Wien, bestimmt.

Als es vorbei ist, liegen wir eine Weile da (Haare sind trocken und supergekringelt, die Mühe hat sich gelohnt) und ich weine eine halbe Stunde lang, wegen dem Film und den Menschen darin und den Menschen, die den Menschen in diesem Film ähneln und umgekehrt. Über mich selbst weine ich erst ganz zum Schluss, als schon 14 vollgerotzte Taschentücher am Parkettboden verstreut liegen. Der Kerl wird nicht müde, mich zu trösten, indem sich den Kummer der kompletten Erde aus meiner nichtendenwollenden Klagerede ohne zu Murren anhört (inklusive Klimaschutz, aber da bin ich vom Thema bereits etwas abgekommen). Als ich wieder etwas lachen kann, weil der Kerl seine Tröstaufgabe wie immer mit Hingabe erledigt, habe ich den Parkettboden mit den 14 Taschentüchern fotografiert. Das Foto brauche ich euch gar nicht erst zu zeigen, ihr wisst, wie das aussieht. Weiße, weiche Papierknülle auf mitteldunklem Fischgrätparkettboden, wunderschön.


Samstag, Oktober 27

Made my day

"Einen Monat lang vom Gehalt eines seiner Arbeiter zu leben, das hatte der Nudelfabrikant Rossi in Mittelitalien sich vorgenommen. Schon am 20. des Monats war die Familie blank. Die Konsequenz des gescheiterten Experiments:
...weiterlesen.

Freitag, Oktober 26

Was ist Liebe?



Du stehst auf, und jemand hat dir bereits dieses Frühstück gemacht.

Donnerstag, Oktober 25

Am Rathaus hängt jetzt schon das 24er-Adventkalenderfenster.
Und in drei Wochen startet der Christkindlmarkt.

[Das ist genauso doof, wie Dr. House. Musst ich jetzt mal sagen,
weil ich nicht ganz nachvollziehen kann, warum alle ihn lieben.
Der Typ ist so nervig.]

Mittwoch, Oktober 24

fall zwei dreimal vom rad

bis du weißt dass man

auf rollsplitt nicht ruckartig bremsen darf

und zieh dir die decke bis über die ohren

wenn im wohnzimmer der fernseher zu laut dröhnt

wärst du aufgestanden

und hättest gebeten,

den ton leiser zu drehen? – niemals.

dass du die decke bis heute nicht

von den ohren wegkriegst, macht ja nichts.

Dienstag, Oktober 23

Zivilcourage

Als sich letzte Woche die sächsische NPD-Landtagsfraktion im Holiday Inn Dresden per Online-Buchung einmieten wollte, bekam sie diesen Brief zur Antwort.
Der Geschäftsführer des Hotels sagte in einem Interview, diese Entscheidung sei eine rein unternehmerische. Er wolle auch keine Linksextremisten oder Sekten im Haus haben.

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via Kerl, der sich sieben winzig kleine Löcher in die Stirn geschlagen hat, als er versucht hat, mit einem hartgewordenen Fladenbrot vom Brunnenmarkt Kyokpa mit dem Kopf zu üben.

Montag, Oktober 22

Ja, keine Panik, ich feil noch dran. Das Bübchenblau, ich weiß. War ja bloß zur Ablenkung, wegen Reizüberflutung, verursacht durch grammatikalische Begriffe, die ich immer und immer nachschlagen muss.
Aber ein Wintermodus (!) musste her. Mein Schal ist übrigens weg, den hat sie mitgenommen.
Die jetzt weg ist. Und letztes Jahr um die Zeit war sie noch. Nein, eigentlich nichts mehr.
Mein Schal fehlt mir, wenigstens.

Lola-Kurs

Ich glaube ja schon, das Leben an sich will mir was mitteilen.
Irgendetwas stimmt ja nicht ganz, zurzeit.
Zuerst diese ganzen Filme, die der Kerl aus der Videothek heimgeschleppt hat und die alle nur eins zur Botschaft hatten: Lebe hier und jetzt! Versteige dich in keiner fixen Idee! Undsoweiterundsofort. (Wo mein lerneifriges Ich dazwischen ruft: Aber! Einen Abschluss braucht man doch! Man muss doch! Man kann doch nicht umsonst! All die Jahre!)
Jetzt das: Ein Plan, um 7 brav aufzustehen, zur Bib zu fahren, 10 Stunden absitzen, eifrigst mit Parzival mitleiden. Solche Pläne sind ja zum Scheitern verurteilt, weiß man ja.
Aber bis halb 10, schweißgebadet, durch wirre Träume wandern, aufstehen zum Duschen, Schwindel, an den Duschwannenrand setzen müssen (dankbar sein, dass erst gestern geputzt worden war), irgendwas warmes, wabbriges überziehen, Heizregulator auf höchste Stufe, hierhinsitzen, Schwindel bekämpfen. Hunger, aber in die Küche gehen, geht nicht. Kerl inner Uni. Bis halb 8.
Was sagt es mir? Was schreit es?
Alles wird gut. Stress dich nicht so, meine Liebe. Du vernachlässigst bereits alles andere. Am Ende bist du MAG. und niemand mag dich mehr, weil du asozial geworden bist.
Du schaffst es! 40 Tage noch.
Ich leg mich jetzt mit Parzival ins Bett, wenn der Kerl schon nicht da ist.

Sonntag, Oktober 21

Panik!

In 40 Tagen ist Deadline.

Angst, Herzklopfen und Schweißausbrüche geben sich die Klinke in die Hand.
Ab morgen hat die Gemütlichkeit ein Ende. Keine Salatbrotpausen während ausgedehnter Telefonate mit meiner Großmutter mehr, die mir erzählt, dass sie nur 8 Jahre zur Schule gehen durfte, weil ihre Eltern das Schulgeld für eine weitere Ausbildung nicht bezahlen wollten (konnten) und sich danach glücklich schätzen, dass man Wochen in der Bibliothek verbringen darf. Solche Dinge müssen jetzt hintanstehen. Kein Einkaufen mehr, kein samstags Blaumachen, keinen Kaffeeklatsch, keine zumSpaßVorlesungen, kein Kochen, kein BuchzumSpaßlesen, keine Filme mehr, die einem sagen, dass man sich nicht auf ein Ziel fixieren darf*. Jetzt ist Konzentration angesagt. Versuch, morgen Punkt 9 dort zu sein. Bis sieben. Gescheitert, krank!!


*Click; Der Teufel trägt Prada.

Samstag, Oktober 20

Wer ist hier am freakigsten?

1.) extrem großer, extrem langer Schlacks mit roten engen Karottenhosen, Nietengürtel, Emo-rotschwarzgemustertem Kapuzenpullover (Haube auf), Sonnenbrille, Oscar Wilde-Büchern am Tisch, Notizblock, starke Kippen (Rauchpause alle 20 Min), telefoniert ungeniert im Lesesaal
2.) Mädchen, rupft dauernd in ihren roten Kringellocken herum, karierte Strumpfhose, Jeansrock, Tee ohne Zucker (zuhause gekocht und abgefüllt in eine Schweppes-Flasche), mittelhochdeutsche Übungsblätter, ein Spitzer, ein Radiergummi und der Falter am Tisch, geht zweimal raus, um ein selbstgemachtes Brot (mit innen Salat) aus der Folie zu essen, kritzelt Dinge in ihren Moleskin; hat selbstverständlich immer Taschentücher dabei.
3.) junger Niederösterreicher, tätoviert (bunt, ganzer rechter Arm, soll wohl noch mehr dazukommen), weißes Leiberl, blue Jeans, Schwiegersohnfrisur (zerzaust), etwas dickdümmlich, Federpenal, rotzt die ganze Zeit (soll ich ihm ein Taschentuch anbieten, damit das endlich aufhört?)

Dienstag, Oktober 16

Zwischenruf

Seit gestern leide ich an einem Kratzwahn am Hals. Es wird vermutet, dass ich in den letzten fünf Tagen eindeutig zu oft duschen war (14 Mal?). Deshalb ist das Duschen hat der Kerl das Duschen für heute für mich gestrichen, (ich fühle mich miserabel!). Das heißt, ich laufe derzeit (mitsamt eingebildetem Dreck und Schweiß über und über) ungeduscht zwischen Sekretärenkammerln und den Damen auf dem Prüfungsreferat hin und her, um diverse Stempel und Unterschriften einzusammeln (gegen die man dann tatsächlich Berufung einlegen kann!), andererseits versuche ich in die Kunst des Übersetzens einzudringen. Ich hab da ja überhaupt keine Erfahrung. Englisch übersetzen mussten wir nie, und mein Latein und Französisch. Von mein kann man da ja wohl kaum sprechen. Ohne mich selbst zu loben, ich finde ja, ich lerne schnell. 3 Wochen intensives Training und ich lese den Text schon lieber auf mittelhochdeutsch als in der Übersetzung (bzw. erkenne falsche oder schlechte Übersetzungen). 6 Wochen noch! Ein Horror. Nicht das Lernen bis dahin. Mehr das Aufhören müssen, danach.
Eine Spezialdank übrigens an j², der es nie scheut, Probleme anzusprechen, wenn sie da sind und dem kleinen Mädchen, das sich mitsamt Blumentöpfchen und Ferrero Rochers bei der schlaflosen Nachbarin entschuldigen gegangen ist (obwohl sie selbst gar nichts dafür konnte).
Die Party war übrigens große Klasse. Auch wenn die meisten nichts mitgebracht, alles weggetrunken und im Stiegenhaus herumgebrüllt haben. Ich selbst saß nämlich die meiste Zeit in meinem Wandschrank und unterhielt mich über Zauberei und was das Leben bereithalten könnte, wenn man es ließe.

Samstag, Oktober 13

Warum Einsamkeit vielleicht doch der bessere Weg ist

Maßlose Überforderung. Mir wird das grad alles ein bisschen zu viel, in unserem Wandschrank stehen derzeit 20 Fladenbrote in einer riesigen Kartonschachtel bereit, um von zahlenmäßig uneinschätzbarem Partybesuch (> 50) nebst selbstgemachtem Erdäpfelkäse, Tzaziki und Liptauer verzehrt zu werden. Ich komme gerade von einem Winzi-Billa, der so klein und ordinär ist, dass er nicht einmal ordentliche Spaghettinudeln führt. Zudem kauft dort äußerst fragwürdige, fetthaarige, überhaupt sehr voluminöse Kundschaft ein, und es gibt nicht einmal eine gute, billige Flasche Rotwein (Volupta!). Normalerweise gehe ich dort auch nicht hin. Aus solchen Geschäften heraus ernähren sich nur Menschen, die ein Leben führen, das einen Einkaufsweg von mehr als 20 Metern nicht erlaubt. Und Fetthaarige.
Jetzt stehen 4 Kilo Kartoffeln am Herd, die ich zu schälen habe, weil die komplette WG anderweitig beschäftigt ist. Der Kerl und das kleine Mädchen arbeiten, der Deutschlandbesuch besucht die beiden beim Arbeiten, die beiden Mädels von hinter dem Wandschrank haben das Brot gekauft und den Gurkensalat gerichtet (viel Knoblauch, ohja), und der andere, der noch hier wohnt... tja.
Der ist ja neuerdings der Meinung, dass es überhaupt nicht bewiesen ist, dass gesunde Ernährung zu einem verlängerten Leben beitragen kann. Er hätte da so eine Studie gelesen, nicht dass es dazu eine Nahrungsmittelkonzern-Lobby gäbe, nein. Die solche Studien regelmäßig aus der Portokasse zahlte. Das Schlimme daran ist nicht, dass er diese Meinung vertritt, obwohl er sich derzeit medizinisch ausbilden lässt. Das Schlimme daran ist, dass ich derzeit so ungefestigt bin, dass ich bei solchen Diskussionen den Tisch verlassen muss. Ich laufe regelrecht weg. Fällt mir in letzter Zeit häufiger auf. Sobald am Tisch irgendwas angeschnitten wird, was mir missfällt, schleiche ich auf die Toilette und hoffe, dass es vorbei ist, bis ich wiederkomme.
Vielleicht hat meine Mickeymouse-Blase sich erst aus diesem Verhalten heraus entwickelt.
Lebte man allein, hätte man keine Partys und keine Mitbewohner, die einem aus unerfindlichen Gründen mitteilen, dass sie jetzt dann Besuch bekämen. Nachts, über Nacht. Also bis morgens.

Aber bis zum Frühstück reicht es dann doch nicht.

Freitag, Oktober 12

Che Sudaka

Die Kellnerin tut so, als kämen ständig Menschen, die nach Kugelschreibern fragen: "Einen Zettel dazu?" Gegenüber mir ein Mann, ebenfalls mit Zettel und Kuli der Kellnerin ausgestattet, macht sich Notizen, die man nicht lesen kann (wie meine):
Das Bier kostet 3,30, der Spritzer 2,80 €. Schöne, saubere Toiletten, Willkommens-Saftwodka mit Minze am Eingang, Garderobe 1 €. Der Bühnenbereich ist Nichtraucher, mit orientalischbezogenen Einbaubänken am Rand des Saales entlang, auf die man raufsteigen kann, als würde man auf den Tischen tanzen, und dahinter die Sintflut. Auf der Bühne 6 spanische Hampelmänner, zwei davon Sänger: Einer steht am Ende nur mehr in der engen Boxershort auf der Bühne und verkauft Band-Tshirts, fünf Euro das Stück. Der andere hüpft mit von den Achseln bis knapp über die Hüfte aufgeschlitztem Leiberl herum. 150 Gäste sind glücklich. Außer der Spanier, der mir ins Ohr schreit: "Es könnte schlimmer gekommen sein." Ich weiß nicht genau, ob das gut oder schlecht ist. Der Deutschlandbesuch versichert mir, dass der Spanier oft sehr negativ ausdrückt, was eigentlich nett gemeint ist. Gut, er wird die Texte verstanden haben.
Volupta macht angenehm betrunken, ohne Kater. Heute trotzdem beschlossen zuhause zu lernen, was sinnlos ist. Mache ich nicht mehr. Die dreckige Wohnung, der Internetanschluss und ich selbst, die um 2 immer noch im Schlafgewand herumsitzt, nerven mich. Ich kann mich da nicht konzentrieren, aber jetzt noch hinzugehen, ist witzlos. Die sperren um 6 zu, obwohl es so schön wäre, wenn sie einmal die Woche bis 11 aufhätten.

Donnerstag, Oktober 11

sprich ich gein der vorhten och,

Besuch aus Deutschland, 2 Flaschen Volupta, davor sinnloses Anstellen am Prüfungsreferat, wo man Nummern zieht um Dranzukommen, wie früher beim Maximarkt beim Fleisch (und ja klar haben wir ständig Nummern zum Spaß gezogen und sind weggerannt), Unterschriften einsammeln bei diversen Professoren, mit denen sie sich bereit erklären, mein Wissen abzuprüfen, ob ich einer Magistra würdig bin, Parzivalvokabeln gelernt, versucht im Prüfungsreferat neben einem ebengerade gewickelt werdenden Kleinkind (!) aus Herzeloyde-Szenen zu lesen, gescheitert. Kinder unter 2 und Parzivallektüre geht nicht so. Heute einen Aufsatz gelesen, dass obwohl die mittelhochdeutsche Grammatik geschlechtsneutraler als die heutige war (dh. genau so, wie Gendermenschen sie heutzutage gerne wieder einführen möchten), das mittelalterliche Weltbild dennoch weit entfernt von Geschlechtsneutralität war. Der Aufsatzschreibende schloss daraus, dass es für die Gesellschaft völlig piep ist, ob man Studenten oder StudentInnen oder Studierende sagt, weil der einzelne dadurch nicht korrekter gegenüber dem anderen Geschlecht handle. Schon schlau, das so herzuleiten. Heute abend jedenfalls eine spanischsingende Skaband im Klub Ost, solche Bands lieben der Kerl und sein Deutschlandbesuch. Ich gehe mit, obwohl mein Tag mich total zerstört hat und ich eher von einer heißen Badewanne mit wassereinfärbendem Sprudel träume als von einem verrauchten, verkifften Schuppen, indem 400 Menschen auf engem Raum hüpfen (und es witzig finden, sich gegenseitig anzuspringen).

Dienstag, Oktober 9

Momentan passiert nicht viel, außer:

lernen, lernen, lernen, Abendessen, schlafengehen, vom Lernen träumen, im Traum das Gelernte halbwegs verarbeiten, aufwachen, duschen, Essen und Bücher packen, in die Bibliothek und alles wieder von vorne. Dazwischen etwas Liebe und Demonstrationszüge. Herausgefunden, was mein Heimatort der Name des Ortes, indem ich großteils aufgewachsen bin, bedeutet: Von Ge-in-berg hatte uns die Volksschullehrerin mal erklärt, es hieße in etwa: geh in den Berg. Fast. gein bedeutet mittelhochdeutsch gegen, also gegen den Berg (gebaut, gelehnt). Und genauso ist der Ort. Auf den sanften Hügel lehnen sich Häuser und obendrauf haben sie den Kirchturm gestellt. Es ist schön, diese Dinge zu lernen. Man wohnt ja 19 Jahre lang dort und überlegt sich nie, nichts. Urlaub zum Beispiel kommt von mhd. ur-loup, das sich auf Er-laubnis (fernzubleiben) bezieht.

Samstag, Oktober 6

Stimmungskurve

Dahin gehe ich jetzt immer zum Runterkommen, wenn mich etw./jem. so maßlos ärgert, dass ich ihm an die Gurgel springen möchte. Immer wenn sich niemand ums Essen, den Abwasch, die Kaffeelatsche rund um der Espressomaschine, den Zeitungswust, die Haare in der Dusche, die gemütliche Atmosphäre in der Wohnung, den Einkauf kümmert. Immer wenn ich wieder mal das Gefühl habe, alles alleine erledigen zu müssen. Immer wenn ich denke, dass ich den Lernstoff nie bewältigen werde, dass ich zu dumm bin, um zu verstehen, dass das Leben anders läuft als geplant. Immer wenn eigentlich ein wundervoller, freier, sonnenbestrahlter Samstagnachmittag sein könnte und ich die Herrlichkeit der eigentlichen Situation nicht erkennen kann, weil Lappalien mir die Sicht auf die Schönheit eines jeden Augenblicks verstellen. Heute früh den Tag versauen lassen, durch diesen Film hier. Ein Film, obzwar mit Jennifer Aniston, aber so voll Hoffnungslosigkeit und dem beklemmenden Gefühl, dass das Leben ein Gefängnis ist, aus dem man nicht ausbrechen kann, dass ich nach 30 Minuten abschalten musste und die DVD in die Videothek zurückgebracht habe, ohne zu wissen, ob sie es dennoch schafft.

Freitag, Oktober 5

Jemand, der tagelang in einem prunkvollen Lesesaal sitzt und versucht, aus einem achthundertjahre alten Werk zu übersetzen, abends die vielen Bücher über den Umweg Spar und Videothek nach Hause schleppt, für sich ganz allein ein Abendessen bereitet, um nach einem kurzen Kampf mit dem DVD-Player, wie immer wenn der Kerl nicht zugegen ist, einen Film wie The Hours zu sehen, beginnt plötzlich zu verstehen. Menschen, deren Kopf so voll von Gedanken ist, wie der Virginia Woolfs, müssen wahnsinnig werden. Im Vorbeigehen einem Professor zugehört, der erzählte, er würde den Kleinen Prinzen auf mittelhochdeutsch übersetzen. Dies wäre sein nächstes Projekt. Ich selbst werde das Haus der Weisheit bald verlassen müssen. Wohin zur Hölle soll ich danach gehen? Was könnte mich ebenso glücklich machen, wie an der Nymphe Kastalia zu lehnen und aus Virginias Tagebüchern zu lesen?

Donnerstag, Oktober 4

Mittwoch, Oktober 3

Wann war eigentlich dein letzer Heulkrampf?

Heute unter Tränen eine Monatskarte (49,50 €) der Wiener Linien gekauft. Nicht vor Rührung, sondern ernsthaft weinend wegen dem Preis des Studententickets. 128 Euros, für 4 Monate. Ohne Ferien. Dass Teilzeitstudenten, die automatisch länger studieren, benachteiligt sind, weiß man ja. Macht auch niemand was dagegen, wies mir scheint. Ist wie mit prekär Arbeitenden. Manchmal fällt sogar beides zusammen. Aber diesmal ist mir echt die Hutschnur gerissen. Wenn ich nur 5 Monate später geboren worden wäre, würd ich das Ticket dieses Semester gratis bekommen. Ein Wahlzuckerl. Aber nicht für mich. Ich bin zu alt dafür! Mit 26 studiert man ja nicht, als braver Mensch. Da buckelt man schon und lernt nix mehr. Wer da noch immer lernt, soll auch kräftig dafür zahlen, meint der Staat.
Ich für meinen Teil stand eine Weile im Keller vom Westbahnhof rum, neben den Telefonzellen, ganz hinten, wo keine Leute sind und habe dem Kerl ins Telefon geweint. Ernsthaft, ganz ohne Spaß.

Dienstag, Oktober 2

Tag 2, Oktober

  • eine Stunde in der ehrwürdigen, stillen Germanistikbibliothek zu lernen ist so ergiebig wie 2 Stunden zuhause zu lernen
  • ein sehr junger Mensch, der im Sommer in den beiden Wochen bei uns gewohnt hat, als wir gerade ein Zeit-Probeabo laufen hatten, hat sich davon anfixen lassen und darf hier von mir mit dem wunderschönen Satz "Ich verschlinge jede woche die Zeit obwohl ich sie mir kaum leisten kann" zitiert werden.
  • Bürokratie ist österreichisch. Um Wahlfächer in ein anderes Studienfach übertragen zu lassen, benötigt man eine Genehmigung vom Prüfungsreferat, die bis zu 8 Wochen dauern kann. ACHT Wochen, das sind 2 ganze Monate. Falls dieser Stempel tatsächlich so lang braucht, bin ich gezwungen ein weiteres Semester Studiengebühren zu bezahlen, mit Nachfristaufschlag. 415,80 Euro für eine Unterschrift.
  • Wenn man als WG eine interne Sitzung plant, wo verschiedene organisatorische Dinge besprochen werden sollen (unter anderem eine große Party), dann sollte man ALLEN Bewohnern Bescheid sagen, wann diese Sitzung stattfindet. Wir Affen haben tatsächlich zu viert einen Termin gefunden und vergessen, j² etwas davon zu erzählen.