Samstag, November 3

Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich mal einen Mittag im Schrank verbringen dürfte, um zu überlegen, was ich mit dem Tag, dem Leben, mir und allen anderen eigentlich anfangen will.
Meine Tage gehen immer gleich, derzeit Kafka:

'Ich bin [...] ein verschlossener, schweigsamer ungeselliger unzufriedener Mensch, ohne dies aber für mich als ein Unglück bezeichnen zu können, denn es ist nur der Wiederschein meines Zieles. [...] Nun ich lebe in meiner Familie, unter den besten und liebevollsten Menschen, fremder als ein Fremder. Mit meiner Mutter habe ich in den letzten Jahren durchschnittlich nicht zwanzig Worte täglich gesprochen, mit meinem Vater kaum jemals mehr als Grußworte gewechselt. Mit meinen verheirateten Schwestern und den Schwägern, spreche ich gar nicht, ohne etwa mit ihnen böse zu sein. Der Grund dessen ist einfach der, daß ich mit ihnen nicht das aller Geringste zu sprechen habe. Alles was nicht Litteratur ist, langweilt mich und ich hasse es, denn es stört mich oder hält mich auf, wenn auch nur vermeintlich. [...] Verwandtengefühl habe ich keines, in Besuchen sehe ich förmlich gegen mich gerichtete Bosheit.'

aus dem Achten Heft Franz Kafkas Tagebücher, 21 VIII [19]13.

2 Kommentare:

Volle Flaschen für TrinkerInnen zum Monatsende hat gesagt…

Wenn das heißt, dass ihm alltägliches anscheißte, dann ist Kafka auch ein großer Diplomat gewesen...

m. hat gesagt…

Um keine unwahren Annahmen über Kafka zu verbreiten: Der Auszug stammt aus einer Skizze zu einem Brief an seinen zukünftigen Schwiegervater, in dem Kafka diesem seine abgrundtiefe Abneigung gegen seinen Brotberuf darlegen wollte. Kafka war wohl oft verlobt, zu einer Heirat hat er es aber nie gebracht.