Sonntag, Juni 24

Ein Konzert, drei Generationen

Gestern konnte ich seltsame, aber schöne Dinge erleben. Zum einen bekam ich in dem verrauchten, verkifften Schuppen, in dem sich großteils Menschen befanden, die an die 10 Jahre jünger waren als ich, fast keine Luft. Das ist ein gutes Zeichen, es bedeutet, meine Lungen haben sich bereits an die vermehrte Sauerstoffzufuhr gewöhnt. Ich musste zwischendurch rausgehen, verdammt uncool.

Aber das war ich sowieso, weil diese Rastakinder so abartig verratzt waren, dass ich es nun wirklich eklig fand und froh war, dass ich 10 Jahre älter bin und mir nie "Ohrstecker" auf die Innenseite meines Unterarmes stechen lassen habe. Rastakinder soll man ja eigentlich cool finden und Respekt vor ihnen haben. Aber sie habens mir echt schwer gemacht.

Die eine z.B., mit den blutverkrusteten Steckern im Arm, die mich fast verprügelt hätte. Man konnte sie knapp dazu bringen, es auf später zu verschieben, aber sie blickte stets fies zu mir nach hinten, bis sie ihren Groll gegen mich im Suff vergaß. Später traf ich sie draußen - wir beide beim Luftschnappen, sie lächelte und erkannte mich wohl nicht wieder.

Dabei war ich so stolz auf mich, dass ich zu ihrem lang- und fetthaarigen Freund gesagt hatte, er solle die Fresse halten und nicht lauthals telefonieren, während das Konzert vorne läuft. Sowas trau ich mich sonst nie und man soll das ja üben. Die Freundin von t hat mir später dazu gratuliert und mir versichert, sie hätte mich im Fall der Fälle vor der Unterarmschlampe beschützt.

Der bebrillte* Sänger hat solang was von Badmülleimern erzählt und dass man sich Expartner beim Kacken vorstellen solle, dann käme man besser drüber hinweg. Bisschen fragwürdige Theorie, aber j² hat sie jedenfalls erheitert. Ich fand nämlich, dass Kacken der Liebe überhaupt keinen Abbruch tut. Wer echten Liebeskummer erleidet, empfindet diesen Rat als bloßen Hohn.

Vor mir stand dann einer, der das Wort Badmülleimer (das ja nun wirklich kein Österreicher verwenden würde, außer sagen wir mal, meine Tante, die auch immer Tisch-Set statt "Dackerl" gesagt hat, weil das selbstredend vornehmer klingt) nicht verstanden hatte: "Was ist ein Barmülleimer?" Selbst nach 3maliger Wiederholung des Wortes B-a-d-m-ü-l-l-e-i-m-e-r kam ihm keine Erleuchtung, bis einer "Müstkübi" in sein Ohr schrie. Klickste, lächelte.

k war ziemlich betrunken. Sie sah sich auf dieser Veranstaltung unweigerlich mit ihrem Jugend-Ich konfrontiert. Das muss ziemlich flashig gewesen sein, ständig stand sie mit Glitzeraugen da und sagte entsetzte Sätze wie: "Genauso war ich früher auch." - "Wenn mein damaliges Ich mich jetzt sehen könnte, es würde mich schlagen."

Was denkt das damalige Ich eigentlich? Dass wir ewig verratzt rumlaufen können und uns einen Dreck um Verantwortung und Konsequenzen scheren? Denkt es, dass es mit dieser Einstellung ewig leben WILL? Ja, ich weiß, dass Depressionen und Zigaretten zum Frühstück eine Zeit lang ziemlich schick sind. Ein jeder sollte das eine Weile zelebrieren, ich habe das zur Genüge getan.

Selbstmitleid, Gesellschaftshass, miserable Ernährung, die bei mir etwa aus 2 Semmerl mit dick Streichwurst morgens um 7 nach einer durchgequalmten Nacht bestand. Durchgemacht, geheult, geredet, geraucht, sträflicherweise den besten Freund geküsst, weil grad kein andrer da war. Dinge, die man mit 26 nicht mehr bringen kann und will. Vom zerquetschten Schwein auf Semmeln ganz zu schweigen.

Man tut diese Dinge, damit man später nicht bereut, sie nie getan zu haben, auch wenn sie total freaky und entbehrlich sind. Götz Widmann jedenfalls ist 41 und man merkt ihm das Reiferwerden schon ein bisschen an. Gottseidank, sonst hätt ich mir auch ernsthaft Sorgen gemacht, wenn einer mit 41 ausschließlich das Ficken-Saufen-Kiffen-Stoiberhassen besingt. Wie k's Verflossener stets zitierte: "Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 noch Kommunist ist, hat kein Hirn."


*k fand das komisch. Saucoole Sänger mit Kiffertexten tragen bei Konzerten keine Brillen. Auch kein Bierbäuchlein, aber das war dann meine Meinung.

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