Freitag, Juni 26

Tag 0.

Donnerstag, Juni 25

Ich hab ein Abschiedstrauma. Morgen arbeite ich den letzten Tag, morgen muss ich mich von geschätzt 50 Kindern verabschieden, die mich vermissen werden. Und von ca. 10 Kolleginnen, von denen 3-4 sehr okay und 2-3 sehr nicht okay waren. Bis heute abend gezögert, was Abschiedsgeschenke betrifft. Meine in diesen Dingen sehr kompetente Schwester musste mir eigenhändig die Abschiedskarten für meine Hortkinder schreiben, weil ich dazu nicht in der Lage bin. Irgendwas in mir tickt diesbezüglich nicht richtig. Ich spinne wochenlang Dinge in meinem Kopf zusammen, die einem solchen Abschied würdig wären (Fotokalender als Erinnerung, Blumen, all das) und am Ende kommt der Tag des Schreckens und ich habe NICHTS. Etwas sehr Liebes ist mir allerdings eingefallen. Alle Kinder, die eine Urlaubskarte von meiner Reise möchten, durften sich mit Adresse und Name auf eine Liste schreiben. Sogar mit Wunsch, woher. Die türkischen Kinder wünschen sich Karten aus Istanbul, die Serbischen aus Belgrad.
Im Wartezimmer eine Stunde lang versucht, mit Köhlmeiers Abendland gegen die Angst vor den durch die Gänge dröhnenden Zahnarztgeräuschen anzulesen. Sinnloses Unterfangen, fürchte mich noch genauso wie als Zehnjährige, dagegen hilft kein Erwachsensein. Siedend heiß fiel dann auch noch ein, warum ich den Zahnarzttermin vergessen musste: Eine Füllung ist fällig! und zwar seit 23.7.2008 - mein Unterbewusstsein arbeitet grandios. Bin mittlerweile in der Lage, solcherlei Dinge erfolgreich zu verdrängen. Mit dem Zahnarzt ausverhandelt, dass ich mich vielleicht für eine sündteure Goldfüllung entschiede, warte er mit der Behandlung doch nur bis Oktober, was mir den Spielraum eines ausgedehnten Mich-drauf-Einstellens einbrächte. Ich mag ihn eh, den neuen Zahnarzt, er drückt einem nichts aufs Auge, er lässt den 'Kunden' wählen: "Ist ja nicht so, dass ein Zahnarzt in Osteuropa das zur Not nicht behandeln könnte."
Wäre aber auch kein Urlaub, wenn ich mich nicht permanent vor einem bevorstehenden Zahnarzttermin fürchtete. (Die Weißheitszähne müssen auch raus.)
In letzter Minute noch Zahnarzt, weil ich den regulären Termin am 8. Juni schlicht vergessen hatte. Danach vorletzter Arbeitstag, Kinder und Eltern verabschieden.
Und heute abend kommt extra noch der Papa, der Bulgarien für Wüste hält*, zum Essen.

*"Gibt es dort Flughäfen?"

Mittwoch, Juni 24

Eine Krankenversicherung ausgehandelt, zwei WG-Besprechungen, fünf Körbe Kleidung gewaschen, drei Kartons voll persönlicher Dinge in den Wandschrank verräumt, sechs (!) Kilo Kleingeld zum Wechseln in Jute gefüllt.

2 Tage noch.

Dienstag, Juni 23

Einem sammelwütigen Hellokittymädchen in strömendem Regen beim Übersiedeln von Umzugshutköfferchen und leeren Erdnussdosen (könnte man immer mal wieder brauchen!) geholfen = 17 Karmapluspunkte.

Sonntag, Juni 21

Einer, der bereits mehrmals wochenlang Asien bereiste, lächelt darüber. Aber ich öffne heute morgen eine Milchpackung, und denke, die hält länger, als wir noch hier sein werden. #Pathos

6 Tage noch.

Samstag, Juni 20

Ein Fest, zwei Gesichter oder so ähnlich.

Während ich angesichts der erschienen Gäste und des genialen Abendessens den kompletten Abend im Glück schwelgte, versuchten zwei an sich überaus liebenswerte Kampfhähne, sich in meinem Wohnzimmer mit Sesseln zu erschlagen. Sagen jedenfalls die anderen. Ich selbst bemerkte nichts. Voll Meinklang Zweigelt und dem Schnaps der alten kroatischen Oma, von dem niemand mit Bestimmtheit zu sagen vermag, wieviele Prozent er wirklich hat, dauerumarmte und beliebschwallte ich alle Freunde, die gekommen waren, um uns zu verabschieden. Auf die Klopinnwand malte ich eine Liebesbekundung: 'Jeder einzele ist ein Gedicht', während einer davon zum Trotz in Glasscherben rumsprang. Gut, wir kennen ihn kaum. Er war mehr oder weniger zufällig dazugestoßen und es war mir nicht klar gewesen, dass man ihm keinen hochprozentigen Kroaten geben darf. Heute rief er an und bat um die Nummern derer, bei denen er sich entschulidgen musste für Gesagtes, das er nicht erinnerte.

Freitag, Juni 19

Freitags im Theresienbad

Schwimmtag im Hort.
Fünf von sechs Kinder zwischen 7 und 11 können nicht schwimmen.

Kind ruft aus der Garderobe: "Muss ich die Unterhose auch ausziehen?"

"Hat der U. einen Fisch verschluckt?" (Kind hustet nach Tümpfler)

"Nach fünf Jahren Gymnasium kann man auch aufhören, da hat man dann aber nur diesen Führerschein für Autos mit 53 km/h gemacht."

Und im Bus beim Heimfahren, ich: "Müssts halt dann daheim mit Shampoo ordentlich die Haare waschen, damit das Chlor wieder draußen ist."
Kind so: "Aber ich dusch doch nur sonntags."

(ungelogen.)

Donnerstag, Juni 18

Im letzten Monat eine Adressliste angelegt. Alle Menschen, die uns wirklich etwas bedeuten und denen man ernsthaft Karten vom Roadtrip schicken wollte, hübsch beexcelt. Fein säuberlich Name, Adresse, Geburtstag, Telefon. Es kam daher, dass ich von einer jungen Frau gelesen hatte, die in medialen Zeiten wie diesen papierne Geburtstagskarten per Briefmarke verschickt. So, dass sie dann pünktlich am Geburtstag im Postkasterl liegen.

Dieser Gedanke kam mir Großmuttern und gleichzeitig wie pure Liebe vor.

Ich erinnerte mich daran, dass ich einen Freund hatte, mit dem sich nach der gemeinsamen Schulzeit das Ritual etablierte, uns gegenseitig ebenjene Karten zuzusenden. Für mich war es stets der Höhepunkt meines Geburtstages, diese Karte aus dem Briefkasten zu ziehen; von jemandem, den ich jahrüber kaum sah und der mich dennoch nicht vergessen hatte.

Unsere Liste, Kerls und meine vereint, ergibt 52 Personen.

Sieht ein bissl nach Hochzeitsliste aus. Also wenn ich jemals Einladungen verschickte, ich hätte alles parat.
Der Mann kommt gestern heim und verkündet leichtfüßig, dass wir nächstes Jahr umziehen. Vier Autostunden südlich von Wien.

Das Abschiednehmen von einer Stadt, die zum Plaisir ihrer Bewohner leuchtendrote Hängematten in Parks montiert, kann ich ja jetzt drei Monate lang trainieren. Mal sehen, ob mir das so leicht von der Hand geht, wie ich glaube. Im letzten Jahr ist mir die Stadt und einige Menschen darin emotional sehr ans Herz gewachsen. Früher hielt mich ja nichts, da konnte man leichter vom Weggehen reden.

#

Ich muss mich also vom Fischgrätboden trennen.

Dienstag, Juni 16

Ich habe meine kompletten Osterfeiertage darauf verwendet, einem hochgradigen Legastheniker und zudem grammatikalischen Saboteur die Diplomarbeit halbwegs gradezurichten, wofür mir ein ohnehin mageres Honorar von seiner Universität versprochen wurde (die Arbeit ist offenbar preiskrönungswürdig und wird daher gesponsert), welches mir bis heute nicht überwiesen wurde.
Das ist einer der Gründe, warum diese Branche einfach zum Wegschmeißen ist.
Dann lieber Hortübernachtungsparties, dafür ist der Lohn am 28. fix drauf.

Montag, Juni 15

Die Kinder kleben zur Zeit auf mir drauf, als spürten sie, dass ich ginge.

Morgen übernachte ich in meiner Arbeit.
Das ist auch sowas, was nur Pädagoginnen machen, in der Arbeit übernachten. Und diese Manager, die von der Frau rausgeworfen wurden, die schlafen dann auf der Couch im Büro. Aber allein. Wir sind zu zehnt. Zwei Betreuerinnen und acht Kinder. Eines davon, ein tschetschenisches Mädchen, wird um halb 8 abgeholt, weil es nicht übernachten darf. Wo fremd.
Alle Kinder belegen sich ihre Pizzen selbst, wir schieben sie in den Ofen, drehen den Radio volle Lautstärke mit I like to move it move it auf und schauen zu, wie sich acht Kinder austoben bis zum Umfallen. Danach Eis, Waffeln und Nachtspaziergang mit Taschenlampen, Gutenachtgeschichten, Hörspiel-CDs.

Ich arbeite jetzt noch ganze 9 Mal.
Anderthalb Wochen noch.
ma getroffen, in einem Traum, indem ich wieder ins Studentenheim eingezogen bin. Mein altes Zimmer war wieder vergeben, was mich wider Erwarten erstaunte (wohne ich doch in Wirklichkeit seit viereinhalb Jahren nicht mehr dort).
Sie stand in der Tür vor dem Leiterinnenzimmer und war offenbar zur Therapie dort. Sie weinte ein bisschen und als ich sie sah, umarmte ich sie und das fühlte sich gut an. Ich sagte noch soetwas wie: "Ich wusste, dass ich dich bald treffen würde."
Der Traum fühlte ich echt an. Jetzt bin ich wach und etwas enttäuscht. Mein Herz will sich offenbar aussöhnen, obwohl ich weiß, dass das unmöglich ist.
Im Nachhinein fällt mir auf, wiesehr ich das erst lernen musste, mich ernsthaft für andere Menschen zu interessieren, sie zu treffen, sogar tagelang mit ihnen rumzuziehen und wirklich Spaß dabei zu haben anstatt immer nur mit mir selber beschäftigt zu sein oder nur Gespräche zu mögen, die mich selbst weiterbringen, wo ich was für mich lerne, das ich für mich selbst verwerten kann. Allmählich die Liebe für Leute und ihre Vorlieben und Eigenarten entwickelt, ohne sie zu bewerten.
Alles übrigens von Deutschen gelernt. Könnte man auch Erwachsengewordensein nennen.

Sonntag, Juni 14

Die Stuttgarter haben mich über die Jahre den gemeinen Lagerkoller lieben gelehrt.
Ich bin gewappnet.

Samstag, Juni 13

Unser Ikea-Schreibtisch Mallmö ist so weich an der Oberfläche, dass man mit dem Wattestäbchen Schreibtischtattoos reinritzen kann. Vorsicht bei Gedankenverlorenheit.

Das ist mir schonmal zum Verhängnis geworden, als ich 13-jährig mit meiner damals besten Freundin an einer kleine gelben Kapelle saß und während eines wichtigen Pubertätsgespräches straßenseitig in riesigen Buchstaben aus Gras meinen Namenan an die Mauer malte.

In dem 40 Seelendorf kam man schnell dahinter, wer das gewesen war.

Donnerstag, Juni 11

28 plus.

Wir sind so Brunch, Baby, Dachterrasse, Kombi, Jahresgehalt geworden.
Meiomei.

Aber wir erinnern uns zumindest, dass wir mal Zigaretten, Wodka, zugemüllte Wohnheimküchen, Citybike, Hoferpesto, Schwedenplatzkebab, Glühweinparty & versiffte Sangriaböden waren.

Nicht, dass ich dem einen hinterhertrauerte oder das andere besonders herbeisehnte.

Mittwoch, Juni 10

Ein ehemaliger Deutschschüler von mir hat erst im Dezember ein eigenes Geschäft aufgemacht und wird heute von der hiesigen Stadtzeitung empfohlen!
Und von mir hat er den Akkusativ gelernt:

"Hallo liebe m. Danke für alles. Bitte Wann du Zeit hast kanst du mich besochen. ich frohe mich dich bald."

Besonders stolz bin ich auf den mittleren Satz. Aufbau Fragesatz, Wortstellung und Kasus korrekt. Dieser Mann beherrscht aufgrund seiner Flüchtlingsbiographie allerdings auch 11 Sprachen.
Urlaub! Ein einzelner Tag Urlaub mitten in der Woche fühlt sich irgendwie an wie Schwänzen. Stattdessen muss heute der Zivildiener Frühdienst machen (d.h. um 6.30 Uhr auf der Matte stehen und kinderlos eine Stunde gegen den Schlaf ankämpfen), während ich gemütlich hier rumsitzen kann und das Lernen prokrastiniere.

Vorsichtshalber 870 Euro Gebühren für das Aufbaustudium wegüberwiesen, um dem Schweinehund zu verdeutlichen, was dieses momentane Vorsichherschieben tatsächlich kostet. Erhoffe mir Demut und Lernmotivation. Schaumermal.

Dienstag, Juni 9

Ich gestehe, ich vermisse mein twitter. Es war genial und dagegen kommt mir das Blog vor wie ein Lahmarsch, tschuldigen'S den Ausdruck. Andererseits aber auch wie eine schöne alte Dame mit Lachfalten.
Jemand hat vergessen, die Blumen zu gießen und die Blumenfee somit zutiefst verärgert. Zur Abwechslung wars nicht ich.
Abreise: Samstag, 27. Juni, 6.45 Uhr.
Rückkunft: voraussichtlich 1. Oktober

Montag, Juni 8

Manchmal vergessen, dass es mich nicht mehr gibt, in twitter.
Dort kann man so schön eine Persönlichkeit aufbauen und sie wieder zerstören, ganz Romantik. Wenn man sich einmal löscht, sind alle Verbindungen weg.

2 Jahre rauchfrei!

Begonnen hat alles damit...
Vier Tage später habe ich meine letzte Zigarette geraucht.


Wir bleiben nämlich nicht für immer 25.

Samstag, Juni 6

Nägellackieren ist ja auch sowas.

Habe dem Mann geschworen, im polnischen, bulgarischen oder rumänischen Sommer, wenn keiner uns kennt, in bunten Röcken, mit geflochtenen Locken und bunten Armbändern rumzulaufen, dazu einen großen Indie-Teppich vor dem Zelt. Der Auftakt dazu wird das World Music Festival in Rudolstadt werden, wo all die enthemmten Ossis nackt im Schwimmbad rumhüpfen. FKK-Camping.
Der Mann lächelt wohlwollend dazu, weil ich das ohnehin nie einlösen würde.
(Denkt er.)

Manchmal möchte man eben nicht der sein, der man immer sein muss, wenn man daheim ist. Und arbeitet. All die Souveränität, sie wird dann überflüssig sein.
Nagellack und Kindergärtnerin passt ja gar nicht, überhaupt glutrot.
Zurzeit geht das so: Samstag anlackieren, Sonntag Nacht ablackieren, Kinderdienst.

#

Gestern mit einer Kollegin unterhalten, deren Plan es bis vor kurzem war, ebenfalls zu kündigen und mit ihrem Freund zwei Monate im (weiter entfernten) Ausland herumzureisen. Auf Nachfragen erläuterte sie mit einer bemerkenswerten Offen- und Gelassenheit, dass sich ihre Beziehung momentan nicht auf jenem Level befinde, das zwei Monate Auslandsaufenthalt per Zelt unbeschadet durchstehen würde (die beiden hatten jetzt ein Jahr lang eine Fernbeziehung geführt). Der Plan wich (nach einem einwöchigen 'Testurlaub', der diese These bestätigte) somit weiteren Ausbildungsmöglichkeiten und beruflichem Weiterkommen.

Zuhause dem Mann davon erzählt, der bloß meinte, in dem Zelt dann hätten wir mehr Platz als in unserem jetzigen Zimmer, wo wir inzwischen immerhin 3 Jahre zusammen leben.
Cranberries sind übrigens Moosbeeren. Modeobst des Sommers 2009.
Wenn ich ab jetzt Moosbeeren sage, weiß niemand, wie trendy ich eigentlich bin.
Der Mann ist mit zwei Freunden in einem Sprinter voll Fleisch, Salat und Bier um 9.30 Uhr eine öffentliche Grillstelle besetzen gefahren.

Mittwoch, Juni 3

Der kleine Herzog hat heute Morgen seine Matura geschafft.
Ich habe ja schon öfter versucht, ihm klarzumachen, dass das soviel bedeutet wie den Schlüssel zum Paradies überreicht zu bekommen, so eine Art Lottosechser, aber der weiß das auch ohne mich. Der ist schlau genug. Ich darf das ja gar nicht laut sagen, weil bei mir daheim im Westen, da mögen sie das gar nicht, diese so genannte Überheblichkeit und kann ja nicht jeder studiert haben, eh nicht.
Aber ich bin stolz auf ihn!
Ihr könnt jetzt alle gerne im Chor wiederholen, dass das nicht wichtig ist, eh, aber schaffen tut das halt doch nicht einjeder.

Ich trinke heute abend ein Achterl auf dich, oder zwei.
Sogar Bio.

Dienstag, Juni 2

Heimfahren ist immer so eine Sache für mich. Heimfahren bedeutet etwas, immer. Dieses letzte Mal vor dem Sommer jedoch kam die geballte Ladung. Handfeste Auseinandersetzungen mit einer meiner Schwestern, der ich einfach nicht mehr dabei zusehen mag, wie sie sich von ihrem respektlosen Mann und ihrem mittlerweile genauso agierenden Sohn an ihre Grenzen treiben lässt. Emotionale, aufreibende Gespräche mit dem besten Freund am Kaffeehaustisch über das Vaterwerden und Geburten nicht ganz so gesunder Kinder. Einen Vater, der es nicht verkraften kann, von meinem Geburtstag ausgeladen worden zu sein, obwohl ich selbst seit mindestens dreizehn Jahren nicht bei ihm zuhause eingeladen war (und seine nunmehr neunjährige Freundin, die in all den Jahren nie von meiner Existenz in Kenntnis gesetzt wurde).

Dreieinhalb Wochen noch.