Freitag, August 31

Donnerstag, August 30

Hilfe! und absurd sind die Wörter der Woche.

Unglücklich sein macht ne Weile lang Spaß, aber irgendwann beginnt es zu nerven.

Gestern wiederholt über die Studentenseelsorge nachgedacht, die es früher mal gegeben hatte. In der Kochgasse im Achten soll das gewesen sein. Keine Ahnung, ob sie immer noch dort wohnt, vermutlich hat Frau Gehrer sie vorsorglich abgeschafft. Angeblich konnte man da Hilfe finden, wenn man unter Studienendzeitdepression litt.

Für mich war ab dem Tag, an dem ich zum ersten Mal davon hörte, sonnenklar, dass ich diese ominöse Krankheit bekommen würde. Studienendzeitdepression. Das war vermutlich irgendwann 2002 oder 2003, zu einer Zeit, als ich dachte, alles erleben zu müssen, was das Leben so bietet (und wovon man in Büchern so oft liest).

Einem NLP-Mann hatte ich einmal erklärt, das Leben bestünde für mich darin, eine gewisse Liste an Punkten abzuhaken, die man einfach zu erleben hatte, um richtig gelebt zu haben.

Depressionen, Sexrevolten, Zigaretten zum Frühstück, Fremdgehen, Misserfolg, Paris im Frühling. All das waren Dinge, die man abhaken muss, befand ich in einer atemberaubenden Naivität. (Zu dem Typ bin ich allerdings nie mehr gegangen, weil ich ihn und seine Methode äußerst seltsam fand.)

Trotzdem war ich noch lang der Meinung, ernsthaft urbane Menschen leiden nun mal unter Dingen wie Wind, Kindheit, sozialer Ungerechtigkeit. Ich fand es sexy, mit Ringen unter den Augen um sieben Uhr morgens Wodka trinkend eine Zigarette zu drehen. Im Zuge dessen verlor ich meinen besten Freund, den ich punkteabhakend gegen ein paar einsame Nächte eingetauscht hatte.

Inzwischen bin ich schlauer geworden. Ich habe aufgehört zu rauchen, erwischte manchmal sogar Vormitternachtsschlaf, nahrhaftes Essen und führe ernsthaft mein Studium zu Ende. Die Studienendzeitdepression ist jedoch bittere Realität. Es sind die Nachwehen einer gierigen, schamlosen Zeit.

Inzwischen belaste ich damit aber auch den Kerl, der mich nur noch Beschwerdebrief nennt. Hilfe! Ich will wieder Frohheit, Liebe und Zuversicht. Mut und all das Zeugs soll wiederkommen und mich glücklich machen.
Als erstes könnte ich ins Schwimmbad gehen und mein Unterwassergerät
testen.

Mittwoch, August 29

Die Aussicht meines Fensters.

Auf all das zu starren, ist seit vielen Monaten mein Tagesgeschäft, während ich nebenbei vor mich hin magistriere. Bis vor einiger Zeit noch war ich der festen Überzeugung, der größte Brocken im Studium wäre geschafft, sobald die Diplomarbeit fertig ist. Ein Leben nach der Diplomarbeit kam mir so süß, so Zucker, so herrlich vor, dass ich es mir schon gar nicht mehr vorzustellen vermochte.
Nun ist es soweit. Heute tatsächlich jemanden für 100 Euro engagiert, der mir den Krempel korrekturliest. Mir! Der weltbesten... ach. Ich kann meine Textsau nicht mehr sehen. Der Typ, übrigens der einzige, der sich für diese glorreiche Aufgabe gemeldet hat, ist ein rechter Rüpel, der mir mit seinen spitzfindigen Kommentaren im Forum nur allzuoft (negativ!) aufgefallen war, aber grad das finde ich jetzt gut. Wenigstens jemand mit Profil und Meinung, der mein Zeugs korrigiert. Hoffentlich kommt der Knabe nicht auf die Idee, meine Arbeit genauso spitzfindig zu kommentieren, sonst spring ich ihm an die Gurgel. Ich finde diese Arbeit, die mich inzwischen seit Februar 2006 begleitet und ca. 6 Monate meines Lebens nonstop in Anspruch genommen hat, furchtbar genug.
Nun ist es also soweit. Ich aber fühle nichts.
Das Ding ist fertig, um zum allerletzten Mal Korrektur gelesen zu werden, danach geht's ab zum Binden. Wie oft habe ich, selbst noch verzettelt im dritten, vierten, siebten Semester, junge Menschen in Copyshops beobachtet, während sie ihre Diplomarbeiten zum Binden brachten oder sie hernach abholten - wie stolz wirkten sie auf mich!
Ich kann bei mir selbst keine Erleichterung bemerken.
Wann kommt sie? Ich warte und starre solang auf die Sonnenblumen und Dachterrassen anderer Menschen, während ich (be)fürchte, was kommt.

Montag, August 27

Altkleidersammlung.

Kerl kommt mit einem Stapel verblichener T-Shirts aus dem Wandschrank: "Die gebe ich weg.“
Ich: "Zeig mal, ob da was dabei ist, das ich liebe."

Kerl hält T-Shirt Nr. 1 hoch: „Das liebe ich!“
Kerl hält T-Shirt Nr. 2 hoch: „Das liebe ich!“
Kerl hält T-Shirt Nr. 3 hoch: „Das liebe ich!“

Kerl hält T-Shirt Nr. 8 hoch: „Und das liebe ich erst recht! Du gibst keines davon weg! Irgendwann hast du dann nur noch Leiberl, bei denen ich dich gezwungen habe, sie zu kaufen. Das verfälscht deine Persönlichkeit!“
Kerl: "Schatz, bei denen haben mich andere Mädchen gezwungen, sie zu kaufen."
Sagts und wirft alle, außer das alte Ärzte T-Shirt, in den Altkleidersammlungssack.

Wir Mädchens sollten aufhören, unseren Kerls Kleidung auszusuchen.

Sonntag, August 26

Unser Zuhause ist seit heute, 18.30 Uhr, wieder blitzblank.
Danke an alle, die sich die Finger wund geschrubbt haben!

Donnerstag, August 23

Happy Birthday, kleines Mädchen!

Der böse, warme Wind macht mir sehr zu schaffen, aber der Kerl hat die Fußreflexzonenmassage entdeckt, was alles andere wieder rausreißt. Er steht grad in der Küche und schlägt Spätzleteig für 12 Personen per Hand. Mit nacktem Oberkörper und Männerschürze um den Unterleib. Das ist alles ziemlich sexy, aber weil in einer WG Intimkontakt am Küchenboden nicht so gut ankommt, habe ich mich hier nach hinten geschlichen und mir vorgenommen, etwas Tacheles zu reden.
Das kleine Mädchen geburtstagt heute. Man möchte meinen, das Leben verschone einen an diesem Tag, tut es aber nicht. Sie trifft jedenfalls den Mann, der sie letztes Jahr an diesem Tag noch mit Küssen, Kuchen und Kerzen bedachte, während er heuer zwar mit einem tollen Geschenk anrückt (Galaxis in englisch, alle Bände im Schuber), ihr jedoch bei gemeinsamem Kaffeebesuch erörtert, dass er jetzt nach Schweden flöge. Zu einer Bumse, wie man sagt. Ich sage euch, wenn ich wüsste, dass ich heute Geburtstag hätte und einen Kerl an meiner Seite, nett, sexy & alles, aber die Möglichkeit bestünde, dass er nächstes Jahr nach, sagen wir, Neuseeland flöge, um eine Bumse zu... Also, da möchte einem das Leben doch keinen Spaß mehr machen.
Die gemeine Seele ist aber gnädig und macht uns vergessen. Wir vergessen, wie Haut schmeckt, wie Haare riechen, wie der Sex sich anfühlt. Das alles verliert sich mit der Zeit und neue Gerüche kommen und gehen. Dann kann es passieren, dass man plötzlich Geburtstag hat und es einem gar nicht so viel ausmacht, dass der Typ vom letzten Jahr, mit dem man damals noch fest gerechnet hatte, in einem Flugzeug nach Schwederland unterwegs ist.
Der böse, warme Wind und der Sauratztyp, der auch noch bei uns wohnt, verschwitzen mir mein ganzes Leiberl. An solchen Tagen wie heute trage ich mindestens 3 verschiedene Trägerleiberl. Der Typ zwang mich endgültig, hinter ihm herzuputzen, da wir heute Besuch kriegen und ich den Leuten das Klo, das uns der Typ hinterlassen hat, nicht zumuten möchte. Er putzt ohne Putzmittel, die Toilette! Man kann es kaum fassen und so eklig es ist, ich will es hier niederschreiben, weil das Leben solche Geschichten schreibt. Das Leben! Das ist dasselbe Leben, das den Extyp nach Bumsland ... ach, was sag ich.
Ich selbst habe jedenfalls endlich die Haarfarbe, von der ich schon seit Jahrzehnten träume. Damit sie auch drinbleibt, war ich heut gleich beim Drogerist meiner Wahl (da wo ich diese Karte habe und Punkte kriege, mit denen ich nichts anzufangen weiß) und hab mir Mittel um 13,56 Euro gekauft, die meine Haare zudem "entspannen", damit sie weniger "wattig" sind. So die Friseusenausbildnerin gestern, wo ich das tolle Rot bekommen habe. Ganz gratis. Ein "Enrich-Shampoo" sucht man im gewöhnlichen Drogeriemarkt vergeblich. Habe mich dann für Dove entschieden; aber auch nur wegen der Werbung mit den unperfekten Frauen. Der Werber, der sich das ausgedacht hat, ist ein Genie.
Der Kerl hat vorgeschlagen, dass wir irgendwas spenden, weil ich Kosmetika in einem Wert gekauft habe, von dem man so manchem Afrikakind ... Jaja, ich schäme mich. Aber wattiges Haar, Hilfe.

Sonntag, August 19

Warum wir endlich Wordpress lernen sollten

In tiefer Trauer geben wir bekannt, dass das ehrwürdige Blog alltag, eine gebrauchsanweisung auf rücksichtslose Weise von der Firma Google aus dem Verkehr gezogen wurde. Der Betreiber von alltag löschte vor einigen Tagen ahnungslos seinen Google-Account, worauf das Google-System erbarmungslos und ohne Vorwarnung mit dem Account auch gleich den blogspot.com-Blog eliminierte. Also Vorsicht, wer sich vom Google-Riesen nicht mehr überwachen lassen will, verliert auch gleich sein Blog. Etwaige Rettungsversuche blieben ohne Erfolg. Der blogspot-Supportmann behauptete sogar, dass gelöschte Blogs prinzipiell nicht wiederherzustellen seien. Aufgelegt dazu: Die Geschichte von meiner Gmail-Adresse, die meine Emails abscannt und mir inhaltlich dazupassende Werbung direkt nebendran präsentiert. In meinem Fall handelt es sich primär um Ghostwriter-Werbung, die mir regelmäßig anbietet, mir meine Diplomarbeit zu schreiben. Prima, nur weiter so, ihr Lieben. Als erstes meld ich gleich jetzt mal mein StudiVZ ab. Dort wird neuerdings an einem Studentenpornokalender gearbeitet. Gut, sie tragen Unterwäsche und nennt mich prüde, aber ich finds einfach nur billig. Vermutlich stagnieren die Mitgliederzuwächse zur Zeit, weil so gut wie jeder dabei ist und eine alte Regel: Sex sells. Ihr könnt mich allemal, ich bin heute sowieso heiß, weil dieser Spa unser Mitbewohner nicht mal Kloputzen kann. Er vergisst dabei ernsthaft, die Klobrille zu lupfen.

Kabale und Liebe

HOFMARSCHALL (ihn umarmend): Ah guten Morgen, mein Bester! Wie geruht? Wie geschlafen? – Sie verzeihen doch, dass ich so spät das Vergnügen habe – dringende Geschäfte – der Küchenzettel – Visitenbillets – das Arrangement der Partien auf die heutige Schlittenfahrt – Ah – und dann musst’ ich ja auch bei dem Lever zugegen sein und Seiner Durchleucht das Wetter verkündigen. [von hier.]

Lever: (frz.) Aufstehzeremoniell des Fürsten am Morgen.

Ich will ab jetzt auch ein Aufstehzeremoniell. Und einen Hofmarschall, der mir das Wetter verkündet und noch mancherlei Zeitung.

Samstag ist Selbstmord oder Ensemble c'est tout

Nachdem das kleine Mädchen und ihr Fortsatz lieber zu dem neuen Kiffermann zu gehen beliebten, wo ich wegen der angeblichen Sauratzwohnung ohnehin nicht mitgehen hätte wollen, beeilte ich mich gegen 21.15 Uhr doch noch in Richtung Kino aus dem Haus zu kommen. Allein ins Kino. Mein neustes Projekt, mit der Einsamkeit zu kokettieren.

Weil ich ab meinem 5. Lebensjahr im Zweijahrestakt Geschwister dazu bekommen hatte, mit 19 Jahren ausgerechnet in ein überfülltes, menschelndes Studentenheim geflüchtet war, um hinterher in eine Fünferwohngemeinschaft zu ziehen, hatte ich Zeit meines Lebens kaum Gelegenheit, dem Alleinsein auf die Schliche zu kommen. Von fern bewunderte ich jedoch stets Bekannte, die allein auf 40qm wohnten, ohne nach kurzer Zeit an Einsamkeit zu sterben.

Nach eingehenden Befragungen kam ich zu dem Schluss, dass sie schlichtweg kein Problem damit zu haben schienen, was mich immer vermuten ließ, dass dem Alleinsein ein süßes Geheimnis anhafte, das nicht mit Einsamkeit zu verwechseln war. Bestätigt sah ich die Sache, als der Kerl gestern Morgen beinah eifersüchtig reagierte, als ich ihm stolz von meinem Vorhaben erzählte - und das, obwohl er solang mit unzähligen, alten Freunden auf einem Volksfest tanzen würde.

Nun, meine größte Angst war denn, dass ich jemanden im Kinofoyer treffen könnte, den ich kenne. Nichts erschien mir peinlicher, als irgendjemand flüchtig Bekanntem erklären zu müssen, was zur Hölle ich an einem Sommersamstagabend in der Blüte meines Lebens mutterseelenallein in einem Kinosaal zu suchen hatte, ausgerechnet in einer Sommerliebeskomödie, die davon handelte, dass Zusammen- dem Alleinsein allemal vorzuziehen sei.

Mein eifrig vorreservierter Sitz war auch prompt zwischen zwei jungverliebten Paaren platziert, was mir während der Werbung etwas unangenehm war; bis das Licht ausging. Ich drehte mich um und sah, dass ich gottlob nicht die einzige Einzelperson war. Schräg hinter mir saß ein Kerl mittleren Alters mit Lederjacke, spärlichem Haar, aber sympathischem Gesicht. Erstaunlicherweise kam ganz zuletzt eine junge Frau mit hübschem Bubihaarschnitt herein und setzte sich auch ganz offensichtlich allein zwischen zwei ihr unbekannte Pärchen. Sie war nicht hässlich, der Lederkerl auch nicht. Warum gingen diese Leute allein in einen Liebesfilm?

Ich gebe zu, dass mich die Aktion etwas Herzklopfen und Unwohlsein gekostet hat. Aber der Film war wundervoll, wenngleich das Ende etwas holprig kam, er hatte lange Zeit sehr gute Strecken. Auch wenn jemandem wie mir das Herz blutet bei der Haarschneideszene. Tautou’s Ohren hingegen machen diese schmerzhafte Rebellaktion wieder wett, finde ich. Selten etwas Sympathischeres von dieser Unförmigkeit gesehen. Die Szene ist auch notwendig, um die Veränderung anzudeuten, die sich bald einstellen wird. Die Dame lebt [laut wiki] auch privat allein in einem Appartement, direkt im Viertel Pigalle, wo auch das Moulin Rouge seinen Sitz hat. Thematisch dreht sich der Film um dasselbe wie Amelie. Nur etwas mehr von dieser Welt.

Die Leute in diesem Film arbeiten als Museumskartenverkäufer, Putzfrauen und Köche. Der erste, weil er an Angst und Stottern leidet; warum die Hauptdarstellerin als Putzfrau arbeiten und in einem Dachzimmer ohne Heizung wohnen muss, weiß man nicht. Letzterer hat noch den ordentlichsten Beruf, was ihm aber auch nichts als Jammer einbringt, weil er unter den menschenunwürdigen Arbeitszeiten leidet. Es geht darum, wie man Ängste überwindet, und seine Träume verwirklicht. Es geht um Versagensängste und Wege, wie man damit klar kommt. Sicher ist die Lösung am Ende, große Liebe, eigenes Lokal, in dem alle Figuren irgendwie beschäftigt sind, völlig utopisch. Dieser Film verwirklicht seinen Traum vom glücklichen Leben.

Ein solcher Film braucht aber so ein Ende, finde ich.Ich bin da ja furchtbar kitschig und kann solch pathetischen Filmen einiges abgewinnen. Was gibt es Schöneres als hinterher raus zu kommen in eine laue Sommernacht, 10 Minuten die Straße entlangt, Mey-Wader-Wecker im Ohr, die Treppe raufsteigen und hoffen, dass einem das eigene Leben in der Wohnung drin nicht gleich den ganzen Pathos zerquetscht.

Hat leider auch nicht so ganz funktioniert. Einen traurig-verzweifelten j² vorgefunden, den man nur spärlich mit 3 Ribiselschnäpsen zu trösten vermochte.

Samstag, August 18

Experiment Alleinsein.

Der Götz wäre soweit erledigt. Er liegt friedlich und tot auf seinem Gefängnisgartenstuhl in Heilbronn. Seine vortreffliche Frau sitzt bei ihm, die Gute.
Mir gehts da noch um einiges besser, obwohl ich etwas vorhabe, was mir den emotionalen Todesstoß geben könnte. Da das kleine Mädchen unaufhaltsam mit Jungens beschäftigt ist, was ich sehr begrüße, la viva sexuella revolutiona! oder so, und der Kerl zuhause auf einem Schloßfeste weilt, setze ich den Notfallplan B in die Tat um. Heute um Punkt 14.30 Uhr beim Kino angeklingelt um 1 Sitzplatz zu reservieren. Die Dame am Telefon verdient äußerst spärlich, das weiß ich zufällig, deshalb verstehe ich auch ihren Groll. Es erschien ihr einigermaßen absurd, einen einelnen Sitzplatz zu reservieren. Einer kann sich eh immer noch wo reinquetschen. Gesagt hat sie all das natürlich nicht, aber gehört hab ich es! Ich lasse mich aber nicht demotivieren.
Es hat durchaus Vorteile, allein ins Kino zu gehen. Ich nehme das Sturm&Drang-Reclam mit und kann in der halben Stunde zw. Kartenabholzeit und Filmbeginn lesen. Sonst redet man immer irgendwas, oft auch gar nix und steht wartend rum, während man die verrückten Leute beobachtet. Zum Beispiel solche, die tatsächlich alleine ins Kino gehen. Vielleicht muss man dafür einfach so alt sein wie Kerls Papa. Wie freakig wird es aussehen, wenn ich mit einem dicken Reclam auf der Kinostiege sitze, um zu warten bis der Film Zusammen ist man weniger allein aufsperrt?

Freitag, August 17

Sturm & Drang

...wird mein Spezialgebiet. Entschieden und aus. Kein langes Zetern, das war das erste, was mir in den Sinn kam und eine gute Literaturgeschichte davon habe ich auch daheim, sowie die meisten Dramen. Das Thema ist ganz fein und interessiert mich mehr als z.B. die Romantik mit ihren fetten Schinken, die mir eher Angst einjagen, obwohl ich weiß, dass sie eigentlich auch schön sind, aber einfach zu lang für mein Unterfangen. Dazu fehlt mir dann doch der nötige Biss.

Jetzt muss mich nur noch dazu zwingen, jeden Tag acht Stunden zu lesen/zusammenzufassen/zu lernen. Das will geübt sein. Ein Germanist muss vor der Abschlussprüfung nie eine solche Menge an Stoff verarbeiten, sondern verdient sich seine Scheinchen stets mit kleineren Happen. Ich versuche, mich langsam daran zu gewöhnen. Vorgestern einen Plan angefertigt, gestern Bücher ausgeliehen und mit dem Götz begonnen. Der Schwabe Götz war ein guter Einstieg. Nachts Gantenbein.

Danach kommen die Räuber und der Werther; alles sehr feine Dinge, keine Frage. Aber der Stapel an insgesamt zu lernender Literatur ist ehreschwöre einen kompletten Meter hoch, wenn nicht sogar höher. Es ist schwer, die komplette Literatur sofort aufzutreiben. Ich werd das abmessen, das glaubt mir niemand.

Ich mache das alles für 3 winzig kleine Buchstaben, die ich mir dann in den Pass eingravieren lassen darf: MAG. Wo man heutzutage nirgends mehr Pässe braucht, außer nach Budapest. (Gestern Nacht passenderweise Bockerer III zum Ungarnaufstand gesehen. Fand ich nicht so gut, wie die ersten beiden, aber das war zu erwarten. Alles sehr simplifizierend dargestellt und dass der Karli am Ende stirbt wirkt unglaubwürdig. Ein 18jähriges, erlebnishungriges Wiener Fleischhauerskind, das in den Aufstand gerät und am Ende tot ist, wirkt seltsam. Mir hätte gefallen, wenn er mit der Ungarin und Baby siegreich, aber geläutert nach Hause zurückgekehrt wäre. Dass das Binerl sang und klanglos stirbt, fand ich hingegen sehr tricky, das gibt der Sache eine realistische Tragik.)

Sobald ich das geschafft habe, lass ich mir ein Goldschild mit Gravur machen. Mag. Waldbrand: ein Kind aus einer Nichtmaturantenfamilie, ein Kind ohne Stickeralbum, Martens oder Levi's. Ein Kind, das bis 19 nur Nöstlinger und Böll* gelesen hatte und mit diesem Kleinwissen auszog, um Germanistin zu werden. Manchmal finde ich mein Leben selbst absurd.
Bis dahin brauche ich einen Mittelhochdeutschnachhilfelehrer, der mich nicht auslacht, weil ich den Quatsch immer noch nicht kann. Und das allein zu lernen ist so mühsam. Ich hätte gerne jemanden, der mir das noch mal genau erklärt.

Der Kerl ist indes für ein paar Tage heimwärts gefahren. Ich bin diesmal hier geblieben. Noch zweimal je 12 Stunden im Halbschlaf auf einem 2er-Sitz im offenen Abteil zw. Wien und Bregenz hin und herfahren, immer ein schlechtes Gewissen, weil man jemandem den Sitzplatz wegliegen könnte, obwohl man sich ohnehin würdelos zusammenrollt wie ein Igelbaby, mit Ohropax und Kuscheldecke gegen die schrille Deckenbeleuchtung bewaffnet; das hätte ich nicht ausgehalten. Die Zugfahrerei reicht mir jetzt wieder für eine Weile, bis Weihnachten will ich keinen mehr von innen sehen.

Der Nachteil an meinem Dableiben ist natürlich, dass ich hier jetzt menschenseelenallein auf mich selbst zurückgeworfen drei Tage festsitze. Aber es scheint zumindest wieder die Sonne. Das sind immer so Tage, wo es mir das leidige Einsamkeitsproblem hochspült und ich mir ein paar gute Freundinnen wünsche, mit denen man sich z.B. am Naschmarkt im Do-An träfe, um die Woche durchzudiskutieren. Das sind so 6&thecity-Phantasien, die mir das Hirn vernebeln, weil ich immer denke, jede Frau außer mir hätte solche Freundinnen.

Anderseits war ich jetzt 3 volle Wochen nonstop mit Menschen zusammen. Ein bisschen Funkstille, nur ich & Götzle wird mir ganz gut tun. Hoffentlich. Notfallplan: Schwimmen in der Stadthalle. Meine neue Ausrüstung enthält 1 blaue Schwimmbrille, 1 Unterwassermusikapparat und 10 Freikarten. Einer solchen Aktivität stünde also nichts mehr im Wege. Man sieht, ich kokettiere bereits mit der Einsamkeit. Der zweite Plan lautet: Allein im Kino. Des Kerls Vater macht das regelmäßig und irgendwie reizt mich das. Ich ginge dann natürlich in Ensemble c’est tout.



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*beide von den Professoren hierzulande schlichtweg ignoriert, als hätten sie nie auch nur eine Zeile verfasst.

Donnerstag, August 16

Ich und die anderen.

Ich möchte jemand finden, der mir ähnlich ist. Der es auch seltsam findet, was andere so tun oder wieviele Haare sie herumtragen, wie sie ihre Wäsche waschen, was sie denken, wie sie im Schlamm herumhüpfen, welche Musik sie hören, wie locker sie alles nehmen und wie gekonnt sie ihren Abschluss machen und dann auch noch wissen, was sie danach zu tun haben.

Ich möchte jemanden finden, der wie ich, Angst vor der Wucht der anderen Menschen hat.

Jemand, den es ebenso erschreckt, wie andere Menschen leben und wiesehr sie sich von einem selbst unterscheiden. Lola sagt immer, es sei egal, was andere tun und dass man sich mit niemandem vergleichen oder messen dürfe. Oder umgekehrt auf jemand herunterblicken. Ich weiß. Aber es fällt mir zusehens schwerer, je näher meine Abschlussprüfung rücken sollte! Ich bin von Urlaub zurückgekehrt, der weniger erholsam war, als je einer zuvor, weil die Last mich doch sehr erdrückt hat, die Angst, die Versagensangst, die ich stets mit mit herumtrage.
Köhlmeier erzählt im Falter von Panikattacken und ich frage mich, was genau sind Panikattacken.

Und warum ich sein neues Buch niemals lesen werde. Und wie es diese Leute schaffen, ihr Leben mit soviel Zeug zuzupacken. Dinge, die mir Angst machen, sobald sie kombiniert auftreten: Doppelstudium, Praktika, Doktorat, Dozentenstellen, Fremdsprachenkenntnisse, Auslandsaufenthalte, Texte, Job, Gehalt, Freunde, Networking, Kochkünste, Katzen, Urlaube, Freizeitbeschäftigungen, Sport.

Es gibt sie, diese Leute, die all diese Dinge locker unter einen Hut bringen. Ich gehöre nicht zu ihnen.

Ich könnt jetzt irgendwas Nettes sagen, irgendwas in der Art, dass mir all diese Dinge nicht wichtig sind, dass ich den Kerl habe und einer von den 5% bin, die aus Nichtakademikerfamilien kommen und trotzdem studieren (wo eine meiner Schwestern mich unlängst gefragt hatte, ob ich mir darauf was einbilde); aber das will ich nicht, weil ich das nicht denke. Ich denke: fuck, fuck, fuck, das schaff ich nie. 26 Jahre alt und reif für die Anstalt.

Mittwoch, August 15

Schlammschlacht Sziget 2007

Ankunft am Bahnhof Budapest Kelenföld, 12. August 2007
Frühstück mit Milchweißer.
Der mutmaßliche Tourbus von Sportfreunde Stiller dreht seine Runden.
Der Melonenmann.
Die "Preislage" (in der engl. version level genannt) des Donauwassers.
Die verrückten Schlammmenschen.

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derzeit nur Fotos mit mangelhaften Unterschriften verfügbar. Mein Kopf/Körper/Geist/Seele/kleiner Zeh ist noch im Urlaub. Zuviel erlebt, keine Worte zu finden. Zusammenfassungen immer blöd. Pech.