Dienstag, Jänner 23

6 Alte Liebe

Die Küche ist voll. Ich sitze am Fensterbrett. Das ist mein Platz. Es ist, als hätte ich mein Leben lang hier gesessen. In mir singt es: 'Das ist keine Klage, das ist eine Hommage. An die gemeinsamen Jahre, jeden einzelnen Tag.'

Am Tisch vor mir wird über die Dienstleistungsrichtlinie diskutiert. Jemand schneidet Äpfel in kleine Stückchen. Sie reden über Kapitalismus. Keiner von uns kann sich an den Kommunismus erinnern. Nur unsere Küchenkästchen sind kommunistisch aufgeteilt. Auch unsere Zigaretten teilen wir. Wir rauchen, bis alle Schachteln leer sind.

Sie wacht nicht auf. Ich warte seit einer Stunde. Sogar die langsamste Kaffeemaschine hat den Kaffee gemacht, bis sie kommt. Sie hat ihre Arbeit getan, lange Jahre. Jetzt nimmt sie sich eine Auszeit, weil sie reif geworden ist. Wie eine Avocado. Sie mag Avocados ganz weich. Ich mag sie gar nicht.

Ich sehe sehnsüchtig auf die Tür, durch die sie bald gehen wird. An der Diskussion beteilige ich mich mit einem müden Lächeln. Sie wissen, dass ich etwas weiß, aber heute sage ich ihnen nichts. Ich warte.

Sie braucht. Sie macht die Dinge sorgfältig.

„Guten Morgen, Süße.“

Sie setzt sich hin und legt all ihre Taschen ab. Streut Zigaretten, Feuerzeug und Falter zwischen Käse, Joghurt und Aufbackbrötchen. Mittwoch Morgen. Die Morgen, die wir gemeinsam verbringen, vermischen sich in meinem Kopf zu einem einzigen Morgen, der sich ewig wiederholt. Er sichert meine Widerhaken.

Sie holt die kleinen Tassen und schenkt sich Kaffee ein. Viel zu viel Milch. Wir können keinen Kaffee teilen. Das nicht, nein. Ich gewöhne mir die Milch ab. So, wie ich es mit dem Zucker gemacht habe. Bis sie weg ist. Bis sie beide weg sind. Die Milch und der Zucker.

Sie aber soll nie weggehen.

„Hey, setz dich näher zu mir.“

„Ich will nicht in der Sonne sitzen.“ Dabei schwitzt sie nie. Mir ist es immer viel zu heiß. Ich fange sofort zu schwitzen an. Wenn ich bloß um Zigaretten gehe, wird es mir schon heiß.

Sie zündet sich eine Zigarette an. Nimmt einen Schluck Kaffee.

Sie liest vor: „Im Übrigen bin ich der Meinung, der Mediamil-Komplex muss zerschlagen werden.“

Sie kommt in die Küche und es ist jemand da. Sie öffnet die Tür und stöckelt herein. Sie setzt sich und ihr Busen scheint dabei zu schweben. Sie mag es nicht, wenn ich von ihrem Busen rede. Dabei finde ich ihn sehr schön. Sie strahlt aus, was mir fehlt. Ich seh es mir an und sauge es auf.
Sie kommt in die Küche und die Küche ist komplett.


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H.M.M., 2004.

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