Dienstag, September 21
Wir standen zu viert vorne am Altar, jemand hatte uns darum gebeten, einen zerknitterten kleinen Zettel mit den Fürbitten in der Hand und eine nach der anderen versuchte, die verschwommenen Buchstaben ruterzulesen. Man muss sich bemühen, die Menschen auf den Kirchenbänken nicht anzusehen, dann geht es.
Montag, September 13
Das letzte Begräbnis, auf dem ich war, war das meines Großvaters mütterlicherseits. Ich war gerade nach Wien gezogen, es war früher Jänner, die ersten Prüfungen auf der Uni standen bevor. Ich fuhr nach Hause und irgendwann stand ich zwischen meinen Schwestern am Friedhof. Als der Sarg vorbeigetragen wurde, berührte ich ihn kurz mit den Fingerspitzen. Es war weiches, helles Holz. Meine Mutter war zornig und traurig zugleich, weil sie sich noch wenige Wochen zuvor mit ihrem Vater zerstritten hatte.
Die jungen Mädchen vom Faschingsverein, dessen Vorstand mein Opa gewesen war, standen dicht am Grabesrand. Sie weinten und verstellten uns mit ihren breiten Kostümumhängen die Sicht.
Die jungen Mädchen vom Faschingsverein, dessen Vorstand mein Opa gewesen war, standen dicht am Grabesrand. Sie weinten und verstellten uns mit ihren breiten Kostümumhängen die Sicht.
Sonntag, September 12
"Ich bin dann mal offline" oder warum das gar nicht so einfach ist.
Der Mann hat Samstag Morgen mein Handy verräumt. Weit oben in den Wandschrank hinter jede Menge Staubschichten hat er es vermutlich gesteckt, damit ich nicht draufschaun kann. Ein ganzes Wochenende. Dann hat er noch das Laptopkabel und den Laptopakku verräumt. Das war leicht, er hat sie einfach unter die Wohnzimmerkissen gestopft. Gefunden habe ich sie trotzdem nicht.
Ich hab auch gar nicht gesucht.
Der Mann und ich wollten einfach mal wieder unsere heilige Ruhe. Niemanden sehen, niemanden anrufen, von niemanden angerufen werden, nur wir zwei, ohne Computer, ohne Internet.
Das war Zeit. Drei Wochen habe ich jetzt meine eigene Gruppe. Ich hab jetzt die Verantwortung für fünfundzwanzig Dreijährige und weiß nun ganz konkret, was Vorbereitungsstunden sind. Sie bedeuten, dass man noch ewig nach Dienstschluss im Kindergarten herumkrebst, um nicht endenwollende Dinge einer ellenlangen todo-Liste abzuarbeiten. Vorhänge drapieren, Schneeflocken und Apfelbaumblüten aus Moosgummi ausschneiden, Materialbestellungen bis tief in den Winter hinein, ein komplettes Monat vorausplanen, was jeden einzelnen Tag passiert, Wochenpläne schreiben, Listen abtippen, ausdrucken, mit sämtlichen Eltern- oder Großelternpaaren Gespräche führen.
Sie handeln von Hausschuhen, Windeln, Schnullern, Mittagschläfchen, darüber, warum ein Kind nicht mit die Bücherei gehen darf, Schokoladeallergien, Blasenentzündungen, tausend verlorenen Hello-Kitty-Spangerln, Geburtstagsfesten, Um- und Eingewöhnungen. Ich schreibe alles gewissenhaft in ein rotes Moleskin-Notizbuch. Ich übernachte mit den Schulanfängern und ihren Schultüten im Kindergarten, hole Pizza für alle, schaue 3 Pippilangstrumpf- und 2 Pumuckl-Folgen hintereinander, nehme am Elternfrühstück teil.
Ich bin damit beschäftigt, Kinder umzuziehen oder zu trösten, auch wenn, oder gerade dann, wenn ich mich bereits außer Dienst befinde. Ich räume auf, räume um, räume ein. Fülle Farben nach, mache den Balkon winterfest, schlichte Streit in der Baueecke, versuche den Kindern beizubringen, woher das Wort Ruhe in Ruhestunde kommt und was es bedeutet. Und wohin mit all den Badetüchern aus dem Sommer?
Über all dem vergesse ich zu schlafen, zu trinken, zu frühstücken, einfach mal früher nach Hause zu gehen, mich um mein eigenes Leben, meinen Wäscheberg zuhause, die Wohnung, den Kühlschrank, den Kerl, meine Freunde, mich zu kümmern.
Irgendwann war es genug, wir servierten den Kindern das Obstmus mit Backerbsen und da war es dann Zeit einfach mal nach Hause zu gehen, sich ins Bett zu legen und das Handy abzudrehen.
Der Mann und ich sind Samstag Morgen ins Café Drechsler, um Zeitung zu lesen und unsere bereits zu Weihnachten gewonnenen Gutscheine in große Frühstücke mit Eierspeis und Orangensaft umzuwandeln. Wir sind zum Naschmarkt rübergegangen und haben ein paar Zutaten für Rezepte aus dem neuen türkischen Kochbuch gekauft. Es war ein wirklich schöner Tag, wir zwei ganz allein.
Als ich gegen Abend den Kerl bat, das Handy kurz zu holen und nachzusehen, ob sich jemand gemeldet hatte, fand sich die Nachricht eines Begräbnisses darauf, mein Papa, der sich selten meldet, hatte mehrmals angerufen, und meine Schwester erzählte mir später, sie war weinend im Bipa gestanden und hatte das Wochenende verflucht, an dem ich beschlossen hatte, einfach mal das Handy abzudrehen.
Der Mann hat Samstag Morgen mein Handy verräumt. Weit oben in den Wandschrank hinter jede Menge Staubschichten hat er es vermutlich gesteckt, damit ich nicht draufschaun kann. Ein ganzes Wochenende. Dann hat er noch das Laptopkabel und den Laptopakku verräumt. Das war leicht, er hat sie einfach unter die Wohnzimmerkissen gestopft. Gefunden habe ich sie trotzdem nicht.
Ich hab auch gar nicht gesucht.
Der Mann und ich wollten einfach mal wieder unsere heilige Ruhe. Niemanden sehen, niemanden anrufen, von niemanden angerufen werden, nur wir zwei, ohne Computer, ohne Internet.
Das war Zeit. Drei Wochen habe ich jetzt meine eigene Gruppe. Ich hab jetzt die Verantwortung für fünfundzwanzig Dreijährige und weiß nun ganz konkret, was Vorbereitungsstunden sind. Sie bedeuten, dass man noch ewig nach Dienstschluss im Kindergarten herumkrebst, um nicht endenwollende Dinge einer ellenlangen todo-Liste abzuarbeiten. Vorhänge drapieren, Schneeflocken und Apfelbaumblüten aus Moosgummi ausschneiden, Materialbestellungen bis tief in den Winter hinein, ein komplettes Monat vorausplanen, was jeden einzelnen Tag passiert, Wochenpläne schreiben, Listen abtippen, ausdrucken, mit sämtlichen Eltern- oder Großelternpaaren Gespräche führen.
Sie handeln von Hausschuhen, Windeln, Schnullern, Mittagschläfchen, darüber, warum ein Kind nicht mit die Bücherei gehen darf, Schokoladeallergien, Blasenentzündungen, tausend verlorenen Hello-Kitty-Spangerln, Geburtstagsfesten, Um- und Eingewöhnungen. Ich schreibe alles gewissenhaft in ein rotes Moleskin-Notizbuch. Ich übernachte mit den Schulanfängern und ihren Schultüten im Kindergarten, hole Pizza für alle, schaue 3 Pippilangstrumpf- und 2 Pumuckl-Folgen hintereinander, nehme am Elternfrühstück teil.
Ich bin damit beschäftigt, Kinder umzuziehen oder zu trösten, auch wenn, oder gerade dann, wenn ich mich bereits außer Dienst befinde. Ich räume auf, räume um, räume ein. Fülle Farben nach, mache den Balkon winterfest, schlichte Streit in der Baueecke, versuche den Kindern beizubringen, woher das Wort Ruhe in Ruhestunde kommt und was es bedeutet. Und wohin mit all den Badetüchern aus dem Sommer?
Über all dem vergesse ich zu schlafen, zu trinken, zu frühstücken, einfach mal früher nach Hause zu gehen, mich um mein eigenes Leben, meinen Wäscheberg zuhause, die Wohnung, den Kühlschrank, den Kerl, meine Freunde, mich zu kümmern.
Irgendwann war es genug, wir servierten den Kindern das Obstmus mit Backerbsen und da war es dann Zeit einfach mal nach Hause zu gehen, sich ins Bett zu legen und das Handy abzudrehen.
Der Mann und ich sind Samstag Morgen ins Café Drechsler, um Zeitung zu lesen und unsere bereits zu Weihnachten gewonnenen Gutscheine in große Frühstücke mit Eierspeis und Orangensaft umzuwandeln. Wir sind zum Naschmarkt rübergegangen und haben ein paar Zutaten für Rezepte aus dem neuen türkischen Kochbuch gekauft. Es war ein wirklich schöner Tag, wir zwei ganz allein.
Als ich gegen Abend den Kerl bat, das Handy kurz zu holen und nachzusehen, ob sich jemand gemeldet hatte, fand sich die Nachricht eines Begräbnisses darauf, mein Papa, der sich selten meldet, hatte mehrmals angerufen, und meine Schwester erzählte mir später, sie war weinend im Bipa gestanden und hatte das Wochenende verflucht, an dem ich beschlossen hatte, einfach mal das Handy abzudrehen.
Freitag, September 10
Dienstag, September 7
Sonntag, September 5
Montag, August 9
Die Eltern von Freunden sehen nie so aus, wie die Erzählungen ihrer Kinder vermuten ließen. Ganz im Gegenteil, man findet sie sympathisch und möchte mit ihnen beim Abendessen sitzen und sie näher kennenlernen. Vermutlich, gerade weil sie ganz ähnlich sind wie ihre Kinder, mit denen man befreundet ist.
Die Menschen laufen doch ständig mit Masken durchs Leben. Wir wissen nie, was sie wirklich fühlen, wie es ihnen ernsthaft geht, was sie bewegt, was letzte Nacht geschehen ist, bevor sie auf nassen Kissen eingeschlafen sind oder auch nicht. Aufstehen müssen wir alle, wir müssen uns den Frust runterduschen, morgens um sieben, versperren Wohnungstüren von außen und setzen unser schönstes Gesicht auf, eingeschmiert mit Antifaltencreme, ganz dick. Wir haben rosa T-shirts, damit man die Trauer nicht sieht, die die Haut fahl macht. Wir lachen und schäkern, wir versuchen lieb zu sein, damit man uns mag. Gestern kam eine Freundin in meine Küche und ließ die Maske fallen. Es erschreckte und ehrte mich zugleich, man sieht es so selten.
Samstag, Juli 3
Montag, Juni 21
Freitag, Mai 21
Jetzt haben wir es uns so schön eingerichtet, aber so bleiben wird das nicht. Wird es ja nie. Immer wieder passieren Dinge, die uns ins Schwanken bringen, wir tarieren aus, schauen nach links, schauen nach rechts und verstehen am Ende doch erst wieder, dass nur die Mitte zählt, immer nur die Mitte, gold oder silben.
Der Mann sitzt bei seinem Termin und handelt aus, wo unsere Zukunft spielen wird. Immer am Ball bleiben, mitgehen, hochschaukeln, auch mal runterfallen.
Dabei ham wir es doch grad so schön. Bitte lieber Zukunftsgott, schenk mir was Kompatibles, das nicht mein ganzes Kartenhaus zusammenfallen lässt. Einmal, nur einmal, bitte.
Der Mann sitzt bei seinem Termin und handelt aus, wo unsere Zukunft spielen wird. Immer am Ball bleiben, mitgehen, hochschaukeln, auch mal runterfallen.
Dabei ham wir es doch grad so schön. Bitte lieber Zukunftsgott, schenk mir was Kompatibles, das nicht mein ganzes Kartenhaus zusammenfallen lässt. Einmal, nur einmal, bitte.
Mittwoch, Mai 19
Es ist so einfach, sich seinen Teil zu denken. Oder auch nicht. Weil geredet wird immer, geschätzt, gemutmaßt, geglaubt, gedacht, spekuliert im stillen Kämmerlein. Wir reden, wir reden alle, viel und zuviel. Aber alles runterschlucken geht genauso wenig, weil die J. zum Beispiel, die hatte dieses Jahr schon zwei Magengeschwüre. Und wovon.
Donnerstag, Mai 13
Dienstag, Mai 4
Montag, Mai 3
Meine gute Laune kommt daher, dass wir jetzt Mai endlich Mai haben. Und den Mai hab ich zeitlebens bedingungslos geliebt. Auch bei Nieselregen. Und wenn der Mai rum ist, fahre ich mit dem Mann eine Woche auf eine klitzekleine sizilianische Insel. Der Mann, das Zelt, der Koffergrill und ich sind von jeher eine altbewährte Kombination.
Dienstag, April 27
Mittwoch, April 7
Samstag, März 27
Wer bin ich überhaupt? Das lässt sich nie schöner beantworten, als an Tagen, an denen halbbekannter Besuch von weiter her ins Haus schneit und sich für einige Tage im Arbeitszimmer niederlässt. Diesmal Berlin Kreuzberg. Der Besuch begleitet uns dann durch den Alltag und betrachtet jeden Schritt, den wir an anderen Tagen mit einer Selbstverständlichkeit tun, hinterfragt, kommentiert, interessiert sich. So erklärt man sich tagelang, wo geht man hin, warum macht man das so und nicht anders, wie wird in Wien Müll getrennt, wo kauft ihr Fleisch, welche Märkte sind die Guten, wie sind eure Arbeitszeiten, wie verrechnet ihr Brot und Milch in der WG, welchen Radiosender hört ihr, welche Zeitungen lest ihr? Warum das alles und wohin führt euch dieser Weg? Die Leute graben sich ins eigene Leben ein und man sieht sich plötzlich genauer, von außen. Man lebt ja doch nicht dasselbe Leben wie alle. Jedes Leben ist speziell. Man vergisst es nur, wenn man in immer denselben Sphären vor sich hin blubbert.
Sonntag, März 21
Montag, März 15
Und dann sagte der Papa noch, eine Infrarotlampe wird helfen, den Schleim aus dir heraus zu bekommen. Ich habe natürlich gleich diese Lampe bestellt, und jetzt hoffe ich, sie entschleimt mich. Ich habe das bitter nötig; oder aber ich finde endlich heraus, was mir den Atem zuschnürt, entweder, oder. Einen Tag noch kaltes Sauwetter und bis Freitag dann 17 Grad. Dazu ein pervers aussehender Meersalz-durch-die-Nasespüler aus Plastik, jede Menge grellgrüne pflanzliche Tabletten, Antihistamine mit abenteuerlichen häufigen Nebenwirkungen, dazu einen neuen Mitbewohner, der mich Nachmittags zum Weintrinken einlädt: "Es ist fünf Uhr!" - "So what? You like wine, I like wine, so I bought this bottle."
Wenn nur alles so linear einfach wäre.
Wenn nur alles so linear einfach wäre.
Samstag, März 13
Der Mann führt zwei Couchsurfer durch die Stadt. Sie kommen aus Budapest, ein freundliches, junges Pärchen. Sie haben sich den Mann extra rausgesucht. Er begleitet sie durch seine Stadt. Erzählt darüber, als hätte er schon immer hier gewohnt. Er hat sie in nur vier Jahren auswendig gelernt. Im Gegensatz zu mir, ist er rausgegangen, überall hingelaufen, zu Fuß, mit allen Linien gefahren, mit dem Fahrrad, er ist überall reingegangen, in all die monumentalen Häuser, in alle Museen. Er hat sich die Stadt eigen gemacht.
Er kann im Spaß reden wie die Leute hier, er kann kochen wie die Leute hier, er kennt jeden Stand am Naschmarkt, jeden Falafelpreis, jeden Ökobauern. Er traut sich was. Er lädt sich die Menschen ein. Er macht sich seine Umgebung eigen.
Ich bin da gar nicht so, schaue ihm aber gern dabei zu. Und lerne.
Jahrelang konnte ich mich prima in meinem Studentenheimzimmer verstecken, nur meine Haare haben geleuchtet, sonst hat man kaum etwas von mir gesehen. Ich bin nie weiter als zur Trafik oder zum Tante-Emma-Laden gegangen, manchmal zur Uni. Aber da auch nur schnell rein und wieder raus, damit mich keiner anspricht.
Ich war schon als Kind exzessiv schüchtern. Im Kindergarten gab es eine Mädchengang, die sich immer in der Puppenstube auf der Hochebene aufhielt. Einmal nur stieg ich die Treppen hoch und begehrte Einlass. Nach einem einmaligen Nein kehrte ich um. Ich versuchte danach nie wieder, hinauf zu gehen. Jetzt ist das für mich unverständlich. Die Kinder heute bei uns im Kindergarten würden sich von einer einmaligen Abweisung nie abschrecken lassen. Sie würden kämpfen, um reinzukommen, kämpfen um die Freundschaft. Um ihr Recht auf Raum.
Jetzt schaue ich dem Mann zu und sehe. So viele Dinge in meinem Leben waren unnötig, hätte ich schon früher einen solchen Freund gehabt wie ihn.
Ich übe. Ich setze mich zwischen die Couchsurfer und erzähle auf englisch, wer ich bin. Meistens bin ich erstaunt, wie die Leute reagieren. Sie mögen mich.
Er kann im Spaß reden wie die Leute hier, er kann kochen wie die Leute hier, er kennt jeden Stand am Naschmarkt, jeden Falafelpreis, jeden Ökobauern. Er traut sich was. Er lädt sich die Menschen ein. Er macht sich seine Umgebung eigen.
Ich bin da gar nicht so, schaue ihm aber gern dabei zu. Und lerne.
Jahrelang konnte ich mich prima in meinem Studentenheimzimmer verstecken, nur meine Haare haben geleuchtet, sonst hat man kaum etwas von mir gesehen. Ich bin nie weiter als zur Trafik oder zum Tante-Emma-Laden gegangen, manchmal zur Uni. Aber da auch nur schnell rein und wieder raus, damit mich keiner anspricht.
Ich war schon als Kind exzessiv schüchtern. Im Kindergarten gab es eine Mädchengang, die sich immer in der Puppenstube auf der Hochebene aufhielt. Einmal nur stieg ich die Treppen hoch und begehrte Einlass. Nach einem einmaligen Nein kehrte ich um. Ich versuchte danach nie wieder, hinauf zu gehen. Jetzt ist das für mich unverständlich. Die Kinder heute bei uns im Kindergarten würden sich von einer einmaligen Abweisung nie abschrecken lassen. Sie würden kämpfen, um reinzukommen, kämpfen um die Freundschaft. Um ihr Recht auf Raum.
Jetzt schaue ich dem Mann zu und sehe. So viele Dinge in meinem Leben waren unnötig, hätte ich schon früher einen solchen Freund gehabt wie ihn.
Ich übe. Ich setze mich zwischen die Couchsurfer und erzähle auf englisch, wer ich bin. Meistens bin ich erstaunt, wie die Leute reagieren. Sie mögen mich.
Freitag, März 12
Drei HNO-Besuche später erneut in den Krankenstand gezwungen, und nur die Mama meint, es wird wieder. Mir selbst schlägt das auf die Psyche, man will funktionieren, man will arbeiten, man will Spaß. Schaffen. Man will nicht im Bett liegen und um Luft ringen, nachts nicht schlafen können, weil das Gesicht unfassbar angeschwollen und jeder Atemzug einem die Schleimhäute zersticht.
Sonntag, März 7
Die Mädels sind blutjung. Es steht ihnen alles offen. Der Staat übernimmt gern noch die Verantwortung für sie. Ein Entschluss und die Zukunft lacht ihnen entgegen.
Und dann kommen sie nach Hause und da sagt dennoch einer: "Das können wir uns nie und nimma leisten!" Dasselbe habe ich auch einmal erlebt.
Ich bin dann gegangen, ehe die Wohnzimmervorhänge geliefert und die Farbe für die Badezimmerfliesen ausgesucht waren. Bereut hab ich's nie.
Und dann kommen sie nach Hause und da sagt dennoch einer: "Das können wir uns nie und nimma leisten!" Dasselbe habe ich auch einmal erlebt.
Ich bin dann gegangen, ehe die Wohnzimmervorhänge geliefert und die Farbe für die Badezimmerfliesen ausgesucht waren. Bereut hab ich's nie.
Samstag, März 6
Wenn ich die halbe Belegschaft zur Weiterbildungsmesse lotse, um sicherzustellen, dass sie zumindest ansatzweise gewahr wird, was ihr an Verdienstmöglichkeit entgeht, wenn sie im derzeitigen Beruf steckenbleibt (falls sich auf Bundesgesetzesebene in nächster Zukunft nichts Grundlegendes ändert) und bis weit ins dritte Berufsjahrzehnt warten muss, um die 2000 Euro-Nettolohngrenze zu erreichen, wird es mir die Chefin möglicherwiese übel nehmen. Sie mochte schon unseren Demo-Ausflug nicht. Und dann den Mann, - meinen -, in den Nachrichten, Gott bewahre.
Freitag, März 5
Wenn ich an mein zehnjähriges Klassentreffen denke, oder an mein fünfjähriges, an denen ich beide Male nicht teilgenommen habe, wird mir stets flau im Magen. Immer kommt da ein komisches Gefühl auf, dass ich dagewesen sein möchte, froh bin, nicht dagewesen zu sein, ein schlechtes Gewissen habe, nicht hingegangen zu sein; ich frage mich, ob ich da die einzige bin, die unangenehme Gefühle dazu hat. Klassentreffen sind einfach seltsam, Punktum.
Donnerstag, März 4
Mittwoch, Februar 17
Wenn ich jetzt mal wirklich tatsächlich richtig gesund sein sollte, so ohne Schnupfen, Niesen, Allergie, hoffnunglos verstopfter Nase, ohne viralem Infekt, ohne Husten, Kopfweh, Fieber, ohne Nebenhöhlenentzündung, gewöhnlichen oder ärgeren Regelschmerzen oder einfach nur allgemeinem Unwohlsein oder chronischer Unausgeschlafenheit, dann schreibe ich hier eine richtige tolle Geschichte hin. Darüber, was wirklich passiert, in meinem Leben und so. Bis dahin, lieber Genesungsgott, sei mir gnädig.
Samstag, Februar 13
Und manchmal wieder die Sehnsucht nach dem wilden Leben, dem Ungewissen. Den slowakischen Wäldern, den rumänischen Hauptverkehrswegen, streuenden Hunden, einer Hütte am See. Der lange Winter hier macht uns den Kopf ganz blöd. Und dazu immer die Vorbereitungen zum Weggehenkönnen, achtsam das Bindende auswählen, all die Possessivpronomen, die man dort dann jemand beibringen könnte, der es lernen möchte, weil auch er weg, auf und davon, möchte. Eine reziproke Beziehung. Ich dorthin und derjenige hierher. Eine kurze Begegnung dazwischen.
Sonntag, Februar 7
Ich weiß genau, wieso so viele Leute, die bereits fest ins Berufsleben eingebettet sind, erst gar nicht mehr darüber nachdenken wollen, etwas Neues dazu zu lernen oder wieder in die Schule zu gehen. Mir gehts da wirklich nicht anders. So ein Alltagsleben mit Arbeitszeiten. Es ist schön, es ist angenehm, und am Ende immer etwas Geld am Konto übrig, zum Ausgeben, Kino, Essen, Ausgehen, Kleider, Möbel. Und irgendwie wird das immer mehr, und dann ist man zu zweit und legt das schön zusammen für Kinder, Haus, Garten, Mercedes. Das ist alles toll, ich mag das, die Menschen machen das nicht umsonst allesamt ganz und gar einhellig seit Jahrhunderten, wenn es nicht erprobt und einfach super wäre. Ich verstehe das.
Und trotzdem sitze ich sonntags da (anstatt in Oberlaa seelig in der Therme herumzulungern) und versuche meinen total entspannten, auf Zwischenmenschliches und Babywindeln heruntergefahrenen Körper wieder auf ein gewisses geistige Level zu trimmen. Das Thema heute: Grammatik lehren und lernen. Personalpronomen, Präposition, Demonstrativpronomen, Modalverben, Subjunktive, Adjektivdeklinationen, Relativpronomen, Verben mit Vokalwechsel, halleluja.
Das alles momentan so wenig inspirativ, dass ich sogar heimlich in die Küche schleiche, um Liptauer zu machen. Aus richtigem Topfen und so.
Und trotzdem sitze ich sonntags da (anstatt in Oberlaa seelig in der Therme herumzulungern) und versuche meinen total entspannten, auf Zwischenmenschliches und Babywindeln heruntergefahrenen Körper wieder auf ein gewisses geistige Level zu trimmen. Das Thema heute: Grammatik lehren und lernen. Personalpronomen, Präposition, Demonstrativpronomen, Modalverben, Subjunktive, Adjektivdeklinationen, Relativpronomen, Verben mit Vokalwechsel, halleluja.
Das alles momentan so wenig inspirativ, dass ich sogar heimlich in die Küche schleiche, um Liptauer zu machen. Aus richtigem Topfen und so.
Montag, Februar 1
Wieder ein Familienwochenende, eine Ikeatasche voll ausrangiertes Zeug, das für uns sehr wertvoll ist, mitgegeben bekommen, viel Torte und Kuchen, eine Versicherungskauffrau beskeptelt, die große Villa mit ihren 4 Toiletten und 2 Whirlpools wieder erstaunlich gefunden, der Hund mit den Eisschneeklumpen an den Beinen, eine zufrieden dicke, goldglänzende Miezekatze, immer dieselben Diskussionen, die sich nur milimeterweit vorschieben, aber immerhin. Inzwischen Zuhause Ein-, Um- und Auszug und - wie immer in diesem Zusammenhang - Zank und Gekeif. Aber, halleluja, ich nicht mittendrin, völlig unbeteiligt und sogar beide Seiten verstehend, aber hohe Emotionswellen, hui. Und wie immer: der wunderschöne Anblick weißgestrichener Altbauwände. Ein Bild für Götter.
Sonntag, Jänner 24
Wie ich mich je wieder dran gewöhnen soll, dass ein gewöhnliches Wochenende bloß anderthalb oder zwei Tage dauert. Meines hat drei, die ersten beiden Tage ausschließlich Spaß; der letzte Tag, ein Montag, wo die Menschheit wieder brav an ihren Schreibtischen sitzt, lerne, putze und wasche ich. So ist zumindest der theoretische Plan, bisher funktioniert das wenig. Hach! (Seit vier Wochen beispielsweise kaufe ich montags einen Bilderrahmen, ordne den Kleiderkasten und mache mir einen Zahnarzttermin, oder so ähnlich).
Freitag, Jänner 22
Donnerstag, Jänner 21
Mittwoch, Jänner 20
Montag, Jänner 18
Diese Woche war kein Spaß nicht. Aber jetzt ist sie vorbei, vom Tisch gewischt; allein die Nachwehen werden wohl noch eine Weile zu spüren sein. Am Ende steht doch immer ein Sieger, der aus der Asche heraussteigt. Oder so.
In meiner Arbeit gibt es Troubels wegen der Lohnhöhe, die uns Pädaoginnen gesetzlich zusteht (oder auch nicht). Das sind alles kleine Beträge, eigentlich nicht der Rede wert, aber sie summieren sich Monat um Monat und die Ignoranz, mit der auf unsere Forderungen geantwortet wird, stößt uns allen zusammen sauer auf. Das Gute ist, wir halten zusammen und sitzen dann freitag abends bei Rotwein und Lasagne in einer Katzenwohnung und diskutieren bis nachts um 4 Uhr, was davon zu halten ist. Das ist viel mehr, als man anderswo von Kollegenschaften erwarten kann und macht glücklich.
Trotzdem ist die Unsicherheit greifbar und schürt Unzufriedenheit und Unmut. Das alles wirkt sich ungünstig auf die kleinen Kinderseelen aus, die wir tagein tagaus betreuen und denen es nicht guttut, Unsicherheit und Unmut von jenen zu spüren, die ihnen Sicherheit und Freude vermitteln sollen. Muss man ja nicht extra dazusagen, dass all diese Dinge ständig in meinem Kopf gewagte Loopings drehen.
Heute geht es etwas besser, weil jetzt klar geworden ist, dass wir auf der (gesetzlich) sicheren Seite stehen und das auch gewerkschaftlich herargumentieren können. Meinen (teilweise sehr jungen) Kolleginnen geht nun auch mehr und mehr auf, was eine Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft eigentlich bedeutet und wozu man sie eben doch braucht. Macht mich auch ein bissl stolz, dass ich inzwischen alt genug bin, sicher zu meiner Meinung zu stehen und nicht zwischen wackligen Beeinflussungen anderer hin- und her balanzieren zu müssen.
Ansonsten fließt es grad etwas zäh, und trotzdem.
In meiner Arbeit gibt es Troubels wegen der Lohnhöhe, die uns Pädaoginnen gesetzlich zusteht (oder auch nicht). Das sind alles kleine Beträge, eigentlich nicht der Rede wert, aber sie summieren sich Monat um Monat und die Ignoranz, mit der auf unsere Forderungen geantwortet wird, stößt uns allen zusammen sauer auf. Das Gute ist, wir halten zusammen und sitzen dann freitag abends bei Rotwein und Lasagne in einer Katzenwohnung und diskutieren bis nachts um 4 Uhr, was davon zu halten ist. Das ist viel mehr, als man anderswo von Kollegenschaften erwarten kann und macht glücklich.
Trotzdem ist die Unsicherheit greifbar und schürt Unzufriedenheit und Unmut. Das alles wirkt sich ungünstig auf die kleinen Kinderseelen aus, die wir tagein tagaus betreuen und denen es nicht guttut, Unsicherheit und Unmut von jenen zu spüren, die ihnen Sicherheit und Freude vermitteln sollen. Muss man ja nicht extra dazusagen, dass all diese Dinge ständig in meinem Kopf gewagte Loopings drehen.
Heute geht es etwas besser, weil jetzt klar geworden ist, dass wir auf der (gesetzlich) sicheren Seite stehen und das auch gewerkschaftlich herargumentieren können. Meinen (teilweise sehr jungen) Kolleginnen geht nun auch mehr und mehr auf, was eine Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft eigentlich bedeutet und wozu man sie eben doch braucht. Macht mich auch ein bissl stolz, dass ich inzwischen alt genug bin, sicher zu meiner Meinung zu stehen und nicht zwischen wackligen Beeinflussungen anderer hin- und her balanzieren zu müssen.
Ansonsten fließt es grad etwas zäh, und trotzdem.
Montag, Jänner 11
Und jeden Tag wieder der Kampf mit dem Alltäglichen. Genug Wasser getrunken, der Schokolade wiederstanden, die seit Weihnachten überall rumliegt, ein ordentliches Frühstück zu sich genommen und nicht nur ein Häferlkaffee. Aufgeräumt, Wäsche gewaschen, ein bisschen in sich gegangen, nicht die U-Bahn-Zeitung gelesen, kein überflüssiges Klumpat gekauft, nett gewesen, sich nicht einfach nur die Haare irgendwie raufgebunden, brav arbeiten gegangen, das Bett gemacht, wenigstens ein paar Seiten gelernt, ein paar ernsthafte Gedanken gehabt und sie mit jemandem geteilt, Zeitung gelesen, nicht den ganzen Tag Serien geschaut.
Manchmal nichts dergleichen geschafft und dennoch?
Manchmal nichts dergleichen geschafft und dennoch?
Heute Nacht träumte ich ganz intensiv von einem lustigen, bunten Markt in der kleinen Ortschaft in Niederösterreich, in dem meine Großmutter lebt. Es war wie ein türkischer Basar und ich wette, im echten Leben hat weder dieses Dorf (noch die Mehrzahl seiner 200 Bewohner) so einen Markt jemals gesehen. Aber Träume sind Träume und in diesem Traum schlenderte ich mit meiner Kindheitsliebe durch den Markt und war glücklich. Mehr braucht der Mensch ja nicht, um gut zu träumen. Meine Oma war auch dort, irgendwo in einem Haus, sie lag mit ihrem Mann hinter einer Glasscheibe im Bett und war ebenfalls glücklich.
Der Zugang zu dem bunten Treiben war ihr allerdings verwährt, die Glasscheibe ließ nicht einmal die Geräuschkulisse durch. Meine Oma schien das nicht zu stören. Sie hatte die Augen geschlossen und schmiegte sich an die Wangen ihres Mannes.
So ist es nämlich, das Leben. Die Leute sind in sich drin. Und das ist gut so.
Der Zugang zu dem bunten Treiben war ihr allerdings verwährt, die Glasscheibe ließ nicht einmal die Geräuschkulisse durch. Meine Oma schien das nicht zu stören. Sie hatte die Augen geschlossen und schmiegte sich an die Wangen ihres Mannes.
So ist es nämlich, das Leben. Die Leute sind in sich drin. Und das ist gut so.
Freitag, Jänner 8
Mittwoch, Jänner 6
Wenn ich alles Gesagte und Erlebte der letzten zwei Wochen restlos verarbeiten möchte, müsste ich 14 Tage am Stück schlafen.
Am Samstag kommt sie wieder, die Horde, die einfällt, um ein Zimmer zu sehen. Und wir, ums Sofa aufgefädelt, zum 214. Mal wiederholend, wer wir sind und was wir auf keinen Fall wollen. Und dennoch: Ein Glücksspiel.
Am Samstag kommt sie wieder, die Horde, die einfällt, um ein Zimmer zu sehen. Und wir, ums Sofa aufgefädelt, zum 214. Mal wiederholend, wer wir sind und was wir auf keinen Fall wollen. Und dennoch: Ein Glücksspiel.
Montag, Jänner 4
Ich gehe jetzt zur Erdung auf den Naschmarkt und kaufe Lachsfilets, Hühnerfilets, Gurken, einen Mörser, Chillis (rot, grün), Naan-Brote, Koriander und andere Topfkräuter, Currypasten, Erdnussöl, Kokusmilch, Zitronen. Ich brauche das. Dazwischen gehe ich zur Post und hole meinen FM4-Stehkalender ab. Hallo, 2010.
Kochen hält am Boden. Morgen Arbeit. Arbeit hält am Boden.
Übrigens kann mein Handy jetzt jedes Netz gleichteuer anrufen, jedes. Und 2010 rufe ich euch alle an, alle.
Kochen hält am Boden. Morgen Arbeit. Arbeit hält am Boden.
Übrigens kann mein Handy jetzt jedes Netz gleichteuer anrufen, jedes. Und 2010 rufe ich euch alle an, alle.
Samstag, Jänner 2
Und dann bedanke ich mich noch bei meiner großartigen Familie und bei einigen meiner engsten Freunde für dieses unvergessliche, aufrichtige Weihnachten und das ebensolche Silvester unter dem blauen Mond Bad Gleichenbergs. Ich fühle mich geehrt, ein Teil dieser festen Bande sein zu dürfen.
Selbst wenn ich heute den ganzen Tag zu Verarbeitungszwecken des Geschehenen tief durchatme und mir die Tränen in schön regelmäßigen Abständen die angegessenen Wangerln runterrollen.
Selbst wenn ich heute den ganzen Tag zu Verarbeitungszwecken des Geschehenen tief durchatme und mir die Tränen in schön regelmäßigen Abständen die angegessenen Wangerln runterrollen.
Abonnieren
Posts (Atom)