Und dann ist da dieses kleine türkische Mädchen, keine vier Jahre alt, zum ersten Mal im Leben in einer Kita. Nach dem Frühstück beginnen ihr die Augen zu tränen, sie sieht verzweifelt zum Fenster hinaus. Blickt auf die Uhr, steht verloren herum, lugt manchmal zum Türspalt hinaus. Ein paar Aufheiterungs-, Ablenkungsversuche und dreimal Naseputzen später ist die Zeit bis zum Mittagessen geschafft. Essen lenkt immer schön ab und teilt den Tag: "Mama kommt? - Nach der Jause kommt die Mama wieder, ja." Aber die zwei Stunden bis zur Nachmittagsjause sind lang. Weinerliche Phasen wechseln sich mit vertieftem Spiel ab. Nach der Jause geht es in den Garten. Das Mädchen steht am Spielplatzrand, genau auf der Grenzlinie, bis wohin die Kinder gehen dürfen und starrt Richtung Eingangstor. Manchmal, wenn wir nicht hinschauen, geht sie ein paar Schritte vor und versucht, einen Blick um die Ecke auf die Straße zu erhaschen.
Gestern morgen habe ich die Mutter zum ersten Mal gesehen, eine schöne, schlanke Frau mit Kopftuch und wachen Augen. Ich versuche ihr die Situation zu erklären und zu erfahren, wann genau das Kind an dem Tag abgeholt würde. Ohne mir zu antworten, wendet sich die Mutter von mir ab, spricht ein paar türkische Worte zur Tochter, lächelt mich an, sagt "Auf Wiedersehen" und geht. Sie hat mich offenbar nicht verstanden.
Wie muss es nun für diese Frau sein, ihr Kind jeden Morgen in unsere Obhut zu geben, ohne sich abends informieren zu können, was den ganzen Tag genau passiert ist, wie es dem Kind wirklich geht, was wir den Tag über tun oder auch nur irgendwie mit unserer Hilfe klären zu können, wie man dem Kind über den Trennungsschmerz hinweghelfen könne.
Sie muss darauf vertrauen, dass wir die Sache zur Zufriedenheit des Kindes mithilfe nonverbaler Kommunikation lösen. Ein Vertrauensgewaltakt.
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