Samstag, März 27
Wer bin ich überhaupt? Das lässt sich nie schöner beantworten, als an Tagen, an denen halbbekannter Besuch von weiter her ins Haus schneit und sich für einige Tage im Arbeitszimmer niederlässt. Diesmal Berlin Kreuzberg. Der Besuch begleitet uns dann durch den Alltag und betrachtet jeden Schritt, den wir an anderen Tagen mit einer Selbstverständlichkeit tun, hinterfragt, kommentiert, interessiert sich. So erklärt man sich tagelang, wo geht man hin, warum macht man das so und nicht anders, wie wird in Wien Müll getrennt, wo kauft ihr Fleisch, welche Märkte sind die Guten, wie sind eure Arbeitszeiten, wie verrechnet ihr Brot und Milch in der WG, welchen Radiosender hört ihr, welche Zeitungen lest ihr? Warum das alles und wohin führt euch dieser Weg? Die Leute graben sich ins eigene Leben ein und man sieht sich plötzlich genauer, von außen. Man lebt ja doch nicht dasselbe Leben wie alle. Jedes Leben ist speziell. Man vergisst es nur, wenn man in immer denselben Sphären vor sich hin blubbert.
Sonntag, März 21
Montag, März 15
Und dann sagte der Papa noch, eine Infrarotlampe wird helfen, den Schleim aus dir heraus zu bekommen. Ich habe natürlich gleich diese Lampe bestellt, und jetzt hoffe ich, sie entschleimt mich. Ich habe das bitter nötig; oder aber ich finde endlich heraus, was mir den Atem zuschnürt, entweder, oder. Einen Tag noch kaltes Sauwetter und bis Freitag dann 17 Grad. Dazu ein pervers aussehender Meersalz-durch-die-Nasespüler aus Plastik, jede Menge grellgrüne pflanzliche Tabletten, Antihistamine mit abenteuerlichen häufigen Nebenwirkungen, dazu einen neuen Mitbewohner, der mich Nachmittags zum Weintrinken einlädt: "Es ist fünf Uhr!" - "So what? You like wine, I like wine, so I bought this bottle."
Wenn nur alles so linear einfach wäre.
Wenn nur alles so linear einfach wäre.
Samstag, März 13
Der Mann führt zwei Couchsurfer durch die Stadt. Sie kommen aus Budapest, ein freundliches, junges Pärchen. Sie haben sich den Mann extra rausgesucht. Er begleitet sie durch seine Stadt. Erzählt darüber, als hätte er schon immer hier gewohnt. Er hat sie in nur vier Jahren auswendig gelernt. Im Gegensatz zu mir, ist er rausgegangen, überall hingelaufen, zu Fuß, mit allen Linien gefahren, mit dem Fahrrad, er ist überall reingegangen, in all die monumentalen Häuser, in alle Museen. Er hat sich die Stadt eigen gemacht.
Er kann im Spaß reden wie die Leute hier, er kann kochen wie die Leute hier, er kennt jeden Stand am Naschmarkt, jeden Falafelpreis, jeden Ökobauern. Er traut sich was. Er lädt sich die Menschen ein. Er macht sich seine Umgebung eigen.
Ich bin da gar nicht so, schaue ihm aber gern dabei zu. Und lerne.
Jahrelang konnte ich mich prima in meinem Studentenheimzimmer verstecken, nur meine Haare haben geleuchtet, sonst hat man kaum etwas von mir gesehen. Ich bin nie weiter als zur Trafik oder zum Tante-Emma-Laden gegangen, manchmal zur Uni. Aber da auch nur schnell rein und wieder raus, damit mich keiner anspricht.
Ich war schon als Kind exzessiv schüchtern. Im Kindergarten gab es eine Mädchengang, die sich immer in der Puppenstube auf der Hochebene aufhielt. Einmal nur stieg ich die Treppen hoch und begehrte Einlass. Nach einem einmaligen Nein kehrte ich um. Ich versuchte danach nie wieder, hinauf zu gehen. Jetzt ist das für mich unverständlich. Die Kinder heute bei uns im Kindergarten würden sich von einer einmaligen Abweisung nie abschrecken lassen. Sie würden kämpfen, um reinzukommen, kämpfen um die Freundschaft. Um ihr Recht auf Raum.
Jetzt schaue ich dem Mann zu und sehe. So viele Dinge in meinem Leben waren unnötig, hätte ich schon früher einen solchen Freund gehabt wie ihn.
Ich übe. Ich setze mich zwischen die Couchsurfer und erzähle auf englisch, wer ich bin. Meistens bin ich erstaunt, wie die Leute reagieren. Sie mögen mich.
Er kann im Spaß reden wie die Leute hier, er kann kochen wie die Leute hier, er kennt jeden Stand am Naschmarkt, jeden Falafelpreis, jeden Ökobauern. Er traut sich was. Er lädt sich die Menschen ein. Er macht sich seine Umgebung eigen.
Ich bin da gar nicht so, schaue ihm aber gern dabei zu. Und lerne.
Jahrelang konnte ich mich prima in meinem Studentenheimzimmer verstecken, nur meine Haare haben geleuchtet, sonst hat man kaum etwas von mir gesehen. Ich bin nie weiter als zur Trafik oder zum Tante-Emma-Laden gegangen, manchmal zur Uni. Aber da auch nur schnell rein und wieder raus, damit mich keiner anspricht.
Ich war schon als Kind exzessiv schüchtern. Im Kindergarten gab es eine Mädchengang, die sich immer in der Puppenstube auf der Hochebene aufhielt. Einmal nur stieg ich die Treppen hoch und begehrte Einlass. Nach einem einmaligen Nein kehrte ich um. Ich versuchte danach nie wieder, hinauf zu gehen. Jetzt ist das für mich unverständlich. Die Kinder heute bei uns im Kindergarten würden sich von einer einmaligen Abweisung nie abschrecken lassen. Sie würden kämpfen, um reinzukommen, kämpfen um die Freundschaft. Um ihr Recht auf Raum.
Jetzt schaue ich dem Mann zu und sehe. So viele Dinge in meinem Leben waren unnötig, hätte ich schon früher einen solchen Freund gehabt wie ihn.
Ich übe. Ich setze mich zwischen die Couchsurfer und erzähle auf englisch, wer ich bin. Meistens bin ich erstaunt, wie die Leute reagieren. Sie mögen mich.
Freitag, März 12
Drei HNO-Besuche später erneut in den Krankenstand gezwungen, und nur die Mama meint, es wird wieder. Mir selbst schlägt das auf die Psyche, man will funktionieren, man will arbeiten, man will Spaß. Schaffen. Man will nicht im Bett liegen und um Luft ringen, nachts nicht schlafen können, weil das Gesicht unfassbar angeschwollen und jeder Atemzug einem die Schleimhäute zersticht.
Sonntag, März 7
Die Mädels sind blutjung. Es steht ihnen alles offen. Der Staat übernimmt gern noch die Verantwortung für sie. Ein Entschluss und die Zukunft lacht ihnen entgegen.
Und dann kommen sie nach Hause und da sagt dennoch einer: "Das können wir uns nie und nimma leisten!" Dasselbe habe ich auch einmal erlebt.
Ich bin dann gegangen, ehe die Wohnzimmervorhänge geliefert und die Farbe für die Badezimmerfliesen ausgesucht waren. Bereut hab ich's nie.
Und dann kommen sie nach Hause und da sagt dennoch einer: "Das können wir uns nie und nimma leisten!" Dasselbe habe ich auch einmal erlebt.
Ich bin dann gegangen, ehe die Wohnzimmervorhänge geliefert und die Farbe für die Badezimmerfliesen ausgesucht waren. Bereut hab ich's nie.
Samstag, März 6
Wenn ich die halbe Belegschaft zur Weiterbildungsmesse lotse, um sicherzustellen, dass sie zumindest ansatzweise gewahr wird, was ihr an Verdienstmöglichkeit entgeht, wenn sie im derzeitigen Beruf steckenbleibt (falls sich auf Bundesgesetzesebene in nächster Zukunft nichts Grundlegendes ändert) und bis weit ins dritte Berufsjahrzehnt warten muss, um die 2000 Euro-Nettolohngrenze zu erreichen, wird es mir die Chefin möglicherwiese übel nehmen. Sie mochte schon unseren Demo-Ausflug nicht. Und dann den Mann, - meinen -, in den Nachrichten, Gott bewahre.
Freitag, März 5
Wenn ich an mein zehnjähriges Klassentreffen denke, oder an mein fünfjähriges, an denen ich beide Male nicht teilgenommen habe, wird mir stets flau im Magen. Immer kommt da ein komisches Gefühl auf, dass ich dagewesen sein möchte, froh bin, nicht dagewesen zu sein, ein schlechtes Gewissen habe, nicht hingegangen zu sein; ich frage mich, ob ich da die einzige bin, die unangenehme Gefühle dazu hat. Klassentreffen sind einfach seltsam, Punktum.
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