Freitag, Februar 9

Mein Jahr

ich verliere bald die studenbeihilfe, weil ich den ganzen tag kaffee trinke und eine schachtel zigaretten am tag rauche, ich klebe ein rotes buch mit zitaten voll und versuche, vor 2 einzuschlafen. ich lese paula köhlmeier und gehe in der innenstadt spazieren und suche nach sommerkleidern, ich bin unglücklich verliebt und schreibe kleine botschaften für den zauberer neben die lifttür, vergesse mein postfach auszuräumen, während ich darauf warte, dass der frühling kommt und die bienen ausfliegen...
Mag man dieses Mädchen, wenn man es so reden hört? Ich kenne es, dieses wilde Kind, lockenumrahmt sitzt es in schmutzigen Küchen rum und tut bereuenswürdige, wichtige Dinge. Ein Jahr ist vergangen, seit ich entschieden habe, ernsthaft zu Ende zu studieren & heute habe ich versucht, meinem Studierenwollen hinterherzuräumen, den Dreck weg. Wo ich doch jeden Morgen im Badezimmerradio höre: Räum deinen Kopf aus. Das spielen sie für mich. Es ist mein Text:

Da ist keine Angst, da ist ein Weg. Und der ist lang. Ich will einen klaren Kopf haben und von Gedanken frei sein, wenn du wieder kommst. Ich mache tabularasa mit meinem Kopf. Alles soll leer sein, damit etwas Platz hat. Ich will etwas reinlassen, Willkommen!

Das Jahr ist nun um. Für mich bedeutet das, der Zeitpunkt ist günstig, um zu rekapitulieren. Auch wenn mir heute morgen der Sinn mehr nach Kapitulation gestanden hätte, da alles viel länger dauert, als ich mir das vor einem Jahr ausgerechnet habe.

Dieses Jahr habe ich zaubern gelernt. Ja, ich habe gezaubert, bis mein explosionsartiges, bei Bedarf auch gern bösartiges Gemüt sanft geworden ist und ruhig, - sehr ruhig. Ich habe gelernt, dass Menschen, die sich viele Stunden täglich in den Unigebäuden und auf den Parkbänken davor aufhalten, nicht zwangsläufig böse sind. Ganz im Gegenteil. Sie wissen, was zu tun ist. Ich habe in diesem Jahr versucht, nachzudenken ohne Fragen zu stellen, nur in mich selbst hineinzuhören & zu sehen, wo die Stimme geblieben ist, die mir sagt, was zu tun ist. Und nach einiger Zeit ging das sogar ganz gut. Ich habe gelernt, dass man Menschen gehen lassen muss & dass es gar nichts ausmacht, wenn sie gehen wollen. Dass man frei ist, wenn man loslassen kann. Ganz entspannt dazusitzen und zu warten, dass der freie Platz besetzt wird, von jemandem, der die Dinge weiß, die man jetzt braucht. Ich sitze in keinen schmutzigen Küchen mehr rum, nein, aber ich denke gerne an diejenige in mir, die das so gern getan hat. Ich rauche jetzt langsamer & versuche nicht mehr alles zu verstehen. Ich versuche, nicht mehr nach außen zu hören. - So, wie andere Menschen mit dem Rauchen aufhören, höre ich auf, verrückten Zielen nachzurennen und ständig andere Menschen um Rat zu fragen.

Ich habe gelernt, dass jeder Mensch das Recht hat, Geschirrtücher zusammenzulegen, wie es ihm gefällt.

Ich habe gelernt, dass Dinge so lang brauchen, wie sie wollen & nicht wie ich das will.
Danke mc, das war ein gutes Jahr.

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