Mittwoch, Jänner 21

Der Übergang in die Arbeitswelt und seine Kinder

Seit 4 Monaten arbeite ich nun richtig. Also so, dass auch mein Papa glaubt, es sei 'richtige' Arbeit. Und seit genau diesen 4 Monaten häuft sich ein Riesenberg von großteils privaten Dingen an, die ich mit feinsäuberlicher Prokrastination vor mir herschiebe.
Darunter mindestens 4 Artztermine, ein Besuch beim Optiker, der schon seit 21. November neue Kontaktlinsen für mich bereit hält, die ich aber nie in der Lage war, abzuholen (Kontaktlinsen anpassen dauert 2 Stunden), während meine Augen immer jämmerlicher versuchen, den Teletext zu lesen (meine Mama hat meine Brille erledigt, - höchstwahrscheinlich mit dem Auto überfahren, aber sicher ist sie sich nicht).
Der Dezemeber ist sowieso immer ein Wahnsinn, weil man keine Zeit zum Atmen findet, obwohl Advent, Besinnung, Zurruhekommen, Ferien. Bei uns war das alles nichts, weil wir zwischen 23.12. und 6.1. wie die Irren zwischen zig Familien und Freunden hin- und hergereist sind, um an den einzig freien Tagen (ein weiterer Nachteil echter Arbeit) möglichst alle sehen zu können, die eben unterm Jahr nicht zu Gesicht zu bekommen sind.
Für Jänner steht also an: Haut- und Zahn- und Hausarzt, Bürokratie für die Arbeit erledigen, den Wandschrank, der in 3,5 Jahren zum Bersten vollgeworden ist, auszusortieren, um für neues Klumpat Platz zu schaffen (seit Weihnachten besitzt unsere Wohnung 2 Tortenstürze). Das Zimmer gehört geputzt, Regale lackiert, der Lohnsteuerausgleich gemacht, ich bräuchte neue Kleider und jemand müsste zum Ikea fahren.

In den letzten 4 Monate habe ich einfach nichts anderes gemacht, als mich an meine neue Arbeit zu gewöhnen. Was es bedeutet, Verantwortung für 13 kleine Lebewesen zu haben, 13 Kerlchen zufrieden zu machen, ihnen Mahlzeiten, Zuwendung, Hilfe, ein schönes 'Zweitzuhause' zu bereiten, ihnen (vorallem ihren wunderwitzigen Phantasiegeschichten) zuzuhören, sie jeden Tag pünktlich von der Schule zu holen, mit ihnen täglich unbeschadet die Triesterstraße zu überwinden, eine Grippe zu übertauchen, um ein Halloweenfest mit ihnen feiern zu können, ihnen beizubringen, dass Wassertrinken gut und dickflüssigen Safttrinken weniger gut, dass Händewaschen mit Seife einfach mehr, und sich währenddessen im Klo zu 'zerschlagen' weniger Sinn hat, dass 'Guten Appetit' zu sagen gar nicht so schlimm und mal bei einem Spiel zu verlieren einen nicht veranlassen muss, mit dem Kopf auf den Tisch zu schlagen.
4 Monate in denen ich lernen musste, was eine typische 'Weiberwirtschaft' am Arbeitsplatz überhaupt bedeutet und wie man damit klar kommt. 4 Monate in denen ich versucht habe, berufliche Hierarchiesysteme zu begreifen und in ihnen nicht unterzugehen, mich zu behaupteten, auf meine Fähigkeiten zu vertrauen und nicht den Mut zu verlieren, dass all das ohnehin keinen Sinn hat, weil der Einfluss, den man auf diese 13 kleinen Wesen hat, ohnehin von der restlichen Umgebung zunichte gemacht würde (spätestens wenn sie aus der Grundschulzeit raus sind).

Ein Erfolgserlebnis kann allerdings berichtet werden: Ich war schwimmen. Und zwar nicht nur einmal, sondern bereits 3 Mal dieses Jahr, je eine Stunde. Der Kerl ist grün vor Neid. Das ist ein Vorteil der Arbeit. Man muss sich keine Gedanken mehr machen, dass eine Hallenbadkarte um 5,20 Euro für kurzmal Schwimmen einfach nicht leistbar ist, das Bimticket dahin gar nicht mit eingerechnet. Man schiebt Summen auf Sparkonten von denen man früher monatelang hätte studieren können, weil man anfangs wohl noch gar nicht so genau weiß, was man mit dem verdienten Geld genau machen sollte. Der Lebensaufwand ist ja nachwievor derjenige finanzgebeutelter Studenten.
Ich leiste mir jetzt auch Faltencreme; das ist ein weiterer Punkt, woran ich dringend arbeiten muss.

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