Dienstag, September 21
Wir standen zu viert vorne am Altar, jemand hatte uns darum gebeten, einen zerknitterten kleinen Zettel mit den Fürbitten in der Hand und eine nach der anderen versuchte, die verschwommenen Buchstaben ruterzulesen. Man muss sich bemühen, die Menschen auf den Kirchenbänken nicht anzusehen, dann geht es.
Montag, September 13
Das letzte Begräbnis, auf dem ich war, war das meines Großvaters mütterlicherseits. Ich war gerade nach Wien gezogen, es war früher Jänner, die ersten Prüfungen auf der Uni standen bevor. Ich fuhr nach Hause und irgendwann stand ich zwischen meinen Schwestern am Friedhof. Als der Sarg vorbeigetragen wurde, berührte ich ihn kurz mit den Fingerspitzen. Es war weiches, helles Holz. Meine Mutter war zornig und traurig zugleich, weil sie sich noch wenige Wochen zuvor mit ihrem Vater zerstritten hatte.
Die jungen Mädchen vom Faschingsverein, dessen Vorstand mein Opa gewesen war, standen dicht am Grabesrand. Sie weinten und verstellten uns mit ihren breiten Kostümumhängen die Sicht.
Die jungen Mädchen vom Faschingsverein, dessen Vorstand mein Opa gewesen war, standen dicht am Grabesrand. Sie weinten und verstellten uns mit ihren breiten Kostümumhängen die Sicht.
Sonntag, September 12
"Ich bin dann mal offline" oder warum das gar nicht so einfach ist.
Der Mann hat Samstag Morgen mein Handy verräumt. Weit oben in den Wandschrank hinter jede Menge Staubschichten hat er es vermutlich gesteckt, damit ich nicht draufschaun kann. Ein ganzes Wochenende. Dann hat er noch das Laptopkabel und den Laptopakku verräumt. Das war leicht, er hat sie einfach unter die Wohnzimmerkissen gestopft. Gefunden habe ich sie trotzdem nicht.
Ich hab auch gar nicht gesucht.
Der Mann und ich wollten einfach mal wieder unsere heilige Ruhe. Niemanden sehen, niemanden anrufen, von niemanden angerufen werden, nur wir zwei, ohne Computer, ohne Internet.
Das war Zeit. Drei Wochen habe ich jetzt meine eigene Gruppe. Ich hab jetzt die Verantwortung für fünfundzwanzig Dreijährige und weiß nun ganz konkret, was Vorbereitungsstunden sind. Sie bedeuten, dass man noch ewig nach Dienstschluss im Kindergarten herumkrebst, um nicht endenwollende Dinge einer ellenlangen todo-Liste abzuarbeiten. Vorhänge drapieren, Schneeflocken und Apfelbaumblüten aus Moosgummi ausschneiden, Materialbestellungen bis tief in den Winter hinein, ein komplettes Monat vorausplanen, was jeden einzelnen Tag passiert, Wochenpläne schreiben, Listen abtippen, ausdrucken, mit sämtlichen Eltern- oder Großelternpaaren Gespräche führen.
Sie handeln von Hausschuhen, Windeln, Schnullern, Mittagschläfchen, darüber, warum ein Kind nicht mit die Bücherei gehen darf, Schokoladeallergien, Blasenentzündungen, tausend verlorenen Hello-Kitty-Spangerln, Geburtstagsfesten, Um- und Eingewöhnungen. Ich schreibe alles gewissenhaft in ein rotes Moleskin-Notizbuch. Ich übernachte mit den Schulanfängern und ihren Schultüten im Kindergarten, hole Pizza für alle, schaue 3 Pippilangstrumpf- und 2 Pumuckl-Folgen hintereinander, nehme am Elternfrühstück teil.
Ich bin damit beschäftigt, Kinder umzuziehen oder zu trösten, auch wenn, oder gerade dann, wenn ich mich bereits außer Dienst befinde. Ich räume auf, räume um, räume ein. Fülle Farben nach, mache den Balkon winterfest, schlichte Streit in der Baueecke, versuche den Kindern beizubringen, woher das Wort Ruhe in Ruhestunde kommt und was es bedeutet. Und wohin mit all den Badetüchern aus dem Sommer?
Über all dem vergesse ich zu schlafen, zu trinken, zu frühstücken, einfach mal früher nach Hause zu gehen, mich um mein eigenes Leben, meinen Wäscheberg zuhause, die Wohnung, den Kühlschrank, den Kerl, meine Freunde, mich zu kümmern.
Irgendwann war es genug, wir servierten den Kindern das Obstmus mit Backerbsen und da war es dann Zeit einfach mal nach Hause zu gehen, sich ins Bett zu legen und das Handy abzudrehen.
Der Mann und ich sind Samstag Morgen ins Café Drechsler, um Zeitung zu lesen und unsere bereits zu Weihnachten gewonnenen Gutscheine in große Frühstücke mit Eierspeis und Orangensaft umzuwandeln. Wir sind zum Naschmarkt rübergegangen und haben ein paar Zutaten für Rezepte aus dem neuen türkischen Kochbuch gekauft. Es war ein wirklich schöner Tag, wir zwei ganz allein.
Als ich gegen Abend den Kerl bat, das Handy kurz zu holen und nachzusehen, ob sich jemand gemeldet hatte, fand sich die Nachricht eines Begräbnisses darauf, mein Papa, der sich selten meldet, hatte mehrmals angerufen, und meine Schwester erzählte mir später, sie war weinend im Bipa gestanden und hatte das Wochenende verflucht, an dem ich beschlossen hatte, einfach mal das Handy abzudrehen.
Der Mann hat Samstag Morgen mein Handy verräumt. Weit oben in den Wandschrank hinter jede Menge Staubschichten hat er es vermutlich gesteckt, damit ich nicht draufschaun kann. Ein ganzes Wochenende. Dann hat er noch das Laptopkabel und den Laptopakku verräumt. Das war leicht, er hat sie einfach unter die Wohnzimmerkissen gestopft. Gefunden habe ich sie trotzdem nicht.
Ich hab auch gar nicht gesucht.
Der Mann und ich wollten einfach mal wieder unsere heilige Ruhe. Niemanden sehen, niemanden anrufen, von niemanden angerufen werden, nur wir zwei, ohne Computer, ohne Internet.
Das war Zeit. Drei Wochen habe ich jetzt meine eigene Gruppe. Ich hab jetzt die Verantwortung für fünfundzwanzig Dreijährige und weiß nun ganz konkret, was Vorbereitungsstunden sind. Sie bedeuten, dass man noch ewig nach Dienstschluss im Kindergarten herumkrebst, um nicht endenwollende Dinge einer ellenlangen todo-Liste abzuarbeiten. Vorhänge drapieren, Schneeflocken und Apfelbaumblüten aus Moosgummi ausschneiden, Materialbestellungen bis tief in den Winter hinein, ein komplettes Monat vorausplanen, was jeden einzelnen Tag passiert, Wochenpläne schreiben, Listen abtippen, ausdrucken, mit sämtlichen Eltern- oder Großelternpaaren Gespräche führen.
Sie handeln von Hausschuhen, Windeln, Schnullern, Mittagschläfchen, darüber, warum ein Kind nicht mit die Bücherei gehen darf, Schokoladeallergien, Blasenentzündungen, tausend verlorenen Hello-Kitty-Spangerln, Geburtstagsfesten, Um- und Eingewöhnungen. Ich schreibe alles gewissenhaft in ein rotes Moleskin-Notizbuch. Ich übernachte mit den Schulanfängern und ihren Schultüten im Kindergarten, hole Pizza für alle, schaue 3 Pippilangstrumpf- und 2 Pumuckl-Folgen hintereinander, nehme am Elternfrühstück teil.
Ich bin damit beschäftigt, Kinder umzuziehen oder zu trösten, auch wenn, oder gerade dann, wenn ich mich bereits außer Dienst befinde. Ich räume auf, räume um, räume ein. Fülle Farben nach, mache den Balkon winterfest, schlichte Streit in der Baueecke, versuche den Kindern beizubringen, woher das Wort Ruhe in Ruhestunde kommt und was es bedeutet. Und wohin mit all den Badetüchern aus dem Sommer?
Über all dem vergesse ich zu schlafen, zu trinken, zu frühstücken, einfach mal früher nach Hause zu gehen, mich um mein eigenes Leben, meinen Wäscheberg zuhause, die Wohnung, den Kühlschrank, den Kerl, meine Freunde, mich zu kümmern.
Irgendwann war es genug, wir servierten den Kindern das Obstmus mit Backerbsen und da war es dann Zeit einfach mal nach Hause zu gehen, sich ins Bett zu legen und das Handy abzudrehen.
Der Mann und ich sind Samstag Morgen ins Café Drechsler, um Zeitung zu lesen und unsere bereits zu Weihnachten gewonnenen Gutscheine in große Frühstücke mit Eierspeis und Orangensaft umzuwandeln. Wir sind zum Naschmarkt rübergegangen und haben ein paar Zutaten für Rezepte aus dem neuen türkischen Kochbuch gekauft. Es war ein wirklich schöner Tag, wir zwei ganz allein.
Als ich gegen Abend den Kerl bat, das Handy kurz zu holen und nachzusehen, ob sich jemand gemeldet hatte, fand sich die Nachricht eines Begräbnisses darauf, mein Papa, der sich selten meldet, hatte mehrmals angerufen, und meine Schwester erzählte mir später, sie war weinend im Bipa gestanden und hatte das Wochenende verflucht, an dem ich beschlossen hatte, einfach mal das Handy abzudrehen.
Freitag, September 10
Dienstag, September 7
Sonntag, September 5
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